31. Kapitel

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Ich zittere. Der Körper, an den ich mich presse, kann keine Wärme mehr mit mir teilen.

„Eric", die Stimme meiner Mutter klingt hohl und bricht beinahe: „Wir müssen zurück."

Ich hebe langsam den Kopf. Alle meine Muskeln fühlen sich taub an. Ich starre verständnislos in die dunklen Augen meiner Mutter.

Ich soll mich bewegen? Wohin? Wieso?

Aus dem Augenwinkel nehme ich eine Bewegung wahr und ich wende mich zu Valerie. Ralf, ihr Vater, kniet vor ihr und hilft ihr auf die Beine. Sie schwankt etwas, aber schafft es stehenzubleiben.

Danach kommt er zu uns. Ich jaule leise und drücke mich näher an meinen Vater.

Meine Mutter legt mir die Hand auf den Rücken: „Er wird ihn zum Lager tragen. Komm, alle haben ein Recht sich zu verabschieden!" Ihre Stimme zittert, aber ihre Worte sind bestimmt. Sie ist die Luna, das Rudel stützt sich auf sie, wie es sich auf meinen Vater stützt. Gestützt hat.

Ich hieve mich auf alle vier Pfoten. Mein Fell ist blutdurchtränkt und ich fühle mich so klein, wie schon lange nicht mehr.

Still trotte ich hinter den anderen her, meine Mutter an meiner Seite.

Einmal wende ich mich um und betrachte den Weg, auf dem noch immer das Blut meines Vaters verteilt ist. Der Jäger ist verschwunden. Ich hätte ihn töten sollen.

Kalte Wut vertreibt für einen winzigen Augenblick die Trauer, bis ich mich wieder umdrehe und die Gestalt meines Vaters in Ralfs Armen sehe.

Es dauert Ewigkeiten, bis wir das Lager erreichen.

Als ich den großen Platz vor unserem Haus betrete, drückt sich sofort Silas an meine Seite.

Ich betrachte seine Wolfsgestalt und es fällt mir schwer, irgendetwas anderes als diesen dumpfen Schmerz überall in meinem Körper zu fühlen. Nicht einmal Dankbarkeit, dass er an meiner Seite ist. Nur Schmerz.

Valerie hat angerufen. Wir sind so schnell gekommen, wie es ging, erklärt er.

Ich belle leise, irgendeinen unbedeutenden Ton, aber Silas weicht nicht von der Stelle. Er legt sanft seine Schnauze auf meinen Kopf und leckt mir die Tränen aus den Augen.

Ich lehne mich an ihn.

Ralf steht am Rand und erzählt Alex und dem Rest des Rudels, was vorgefallen ist. Valerie steht daneben, umschlungen von Lyall und Myriam.

Mein Vater liegt in der Mitte des Platzes.

Meine Mutter bekommt von Marie ein Tuch und Wasser gereicht und sie kniet sich neben die leblose Gestalt, um ihm das Blut abzuwaschen.

Als die Nacht einbricht und der Mond, den Platz in aschfahles Licht taucht, beginnt die Totenwache.

Jedes Rudelmitglied tritt vor und verabschiedet sich still von seinem Alpha.

Selbst die kleinen Welpen stolpern nach vorne und drücken ihre winzigen Schnauzen in das graue Fell meines Vaters.

Zuletzt tritt meine Mutter nach vorne. Ihr schwarzer Pelz scheint das helle Mondlicht zu verschlucken. Sie lässt ihre gelben Augen über jeden Wolf wandern, bevor sie den Kopf hebt und mit einem Heulen ein Klagelied beginnt, in das alle anderen einstimmen.

Ich lausche den Abschiedsgrüßen und den Schmerzbekundungen, meine Augen starr auf die Leiche meines Vaters gerichtet.

Schließlich gehe ich zu ihm, kauere mich neben ihn und schmiege mich an seine Kehle.

Der Platz hätte meiner Mutter zugestanden, aber sie akzeptiert es, ohne ein Wort zu sagen und legt sich an den Rücken meines Vaters.

Eine letzte Nacht als Familie.

Ich schließe die Augen und wache mit meiner Mutter bis zum Morgengrauen über meinen Vater und seine Reise in ein nächstes Leben.

Als ich mich am nächsten Morgen mit steifen Knochen wieder rege, habe ich einen Beschluss gefasst.

Ich werde den Mörder meines Vaters finden.


Tut mir leid, dass ihr so lange warten musstet!

Heute auch nur ein etwas kürzeres Zwischenkapitel (nochmal aus Erics Sicht), aber dafür wird das nächste Kapitel wieder länger!

Ich erhole mich langsam wieder vom Stress der letzten Wochen und kann wieder regelmäßiger hochladen!

Bis dann :)


By your sideWhere stories live. Discover now