19. Kapitel - Valerie

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Ich ziehe Myriam förmlich hinter mir her.

Mein Vater hat mich gestern von den Welpen weggeholt und mich nach Hause bugsiert, bevor ich Silas besuchen konnte. Ich war nicht wirklich erfreut, aber was soll's? Immerhin habe ich so einen Grund heute nochmal das Lager zu besuchen, meinen Bruder zu nerven und im Allgemeinen einfach meinem Vater aus dem Weg zu gehen.

In letzter Zeit ist es noch anstrengender geworden. Viel zu hohe Erwartungen ohne das kleinste bisschen Verständnis. Für Lyall ist es bestimmt noch schlimmer, auch wenn er nichts sagt.

„Du läufst mir zu schnell!", reißt mich Myriams Stöhnen aus meinen Gedanken.

Ich grinse frech: „Schon schlapp?"

Sie grinst zurück: „Ich hatte heute Schule, Prinzessin! Verzeiht also, wenn ich nicht mehr ganz so viel Energie übrig habe!" Sie verneigt sich spielerisch und ich lache.

Auch wenn ich versucht habe Myriam immer von der Schule abzuholen, war da noch das Wochenende und mein Vater, der ich quasi in meinem Zimmer eingesperrt hat.

Weil es mir nicht gut ging. Oder weil er nicht wollte, dass es die anderen Rudelmitglieder mitkriegen, wer weiß?

Es tut gut, wieder mit Myriam herumzualbern.

Endlich im Lager angekommen, verbessert sich meine Laune noch mehr.

Lyall kommt mir entgegen und an seiner Seite ein großer, brauner Wolf. Ich habe Silas zwar erst einmal in seiner Wolfgestalt gesehen, trotzdem erkenne ich ihn sofort und falle ihm um den Hals, bevor ich einen von beiden begrüßen kann.

„Ich hab dich vermisst, Silas!", ich schmiege mich in sein weiches Fell und lächle als er seinen Kopf auf meinen legt. Dann erst schrecke ich zurück: „Du bist doch wieder Silas, oder?"

Lyall schüttelt ungläubig den Kopf: „Du hast aber so etwas wie einen Selbsterhaltungstrieb, oder?"

Ich zucke die Schultern: „Manchmal?" Silas hechelt und drückt seine Schnauze gegen meinen Hals. Sie ist kalt und es kitzelt, trotzdem genieße ich die Berührung.

...der ...las, die Stimme ist nicht einmal ein Wispern im hintersten Winkel meines Kopfes. Ich grinse Silas aufmunternd an: „Bitte nochmal, ich hab es noch nicht ganz verstanden!"

„Er kann sich noch nicht verwandeln und auch noch nicht sprechen, aber...", ich wedele ungeduldig mit der Hand, um Lyall zum Schweigen zu bringen: „Jetzt sei doch mal leise!"

Ich wende mich wieder Silas zu, der entschuldigend schnaubt.

„Alles gut, probier es einfach nochmal!"

Wieder...las,       ..in wieder ..ilas,       bin wieder Silas!

„Ja!", ich jubele begeistert und Lyall sieht beeindruckt aus.

Er stupst den Wolf in die Seite: „Das konntest du gestern aber noch nicht!" Silas bellt nur als Antwort.

Myriam kniet sich zu mir auf den Boden, um Silas ebenfalls zu umarmen, allerdings weit weniger stürmisch als ich vorhin.

„Ich find's toll, dass es dir wieder besser geht!", sie strubbelt ihm übers Fell und steht dann auf: „Ist etwas bestimmtes, weswegen du dich noch nicht verwandeln kannst, oder..."

Sie fährt sich ratlos über die weißen Haare, als ob sie selbst nicht wüsste, wie sie die Frage beenden soll.

Lyall zuckt mit den Schultern: „Ich habe keine Ahnung. Es lief eigentlich ziemlich gut gestern, wir haben geredet und irgendwann ist er dann wieder zu sich gekommen, aber... es hat einfach nicht funktioniert!"

Ich mustere meinen Bruder interessiert. Haben sie etwa über ihren Mate-Bund geredet? Hat eine gute Nachricht oder eine ehrliche Antwort Silas aus seiner Ohnmacht geholt?

Aber Silas wendet den Kopf ab und kratzt unruhig über den Boden, während Lyall seine Füße anstarrt. Also wohl eher kein Gespräch über den Mate-Bund. Enttäuschend.

Bevor ich noch weitere Fragen stellen kann, kommt Eric angestürmt: „Hi!" Er bleibt abrupt stehen, als er Myriam und mich entdeckt.

Sein Blick huscht zu Lyall, über Myriam hinweg zu mir und wieder zu Lyall, bis er schließlich zu Silas schweift. Dann scheint ihm wieder einzufallen, warum er es so eilig hatte und kniet sich neben ich vor den Wolf.

„Ich hab mit meinen Eltern gesprochen. Sie stimmen deinen Eltern zu, dass man erst einmal abwarten sollte", Eric selbst hört sich nicht zufrieden mit dieser Strategie an und verzieht das Gesicht.

Auch Lyall und Silas wirken nicht erfreut und während Silas sich erschöpft gegen Eric lehnt, bleibt der Blick meines Bruders an ihm kleben. Er sieht ehrlich besorgt aus, aber da ist noch mehr.

Ich studiere seine Miene eingehend, bis ich einen Funken Zutrauen finde. Lyall, der davor felsenfest davon überzeugt war, dass Silas zu schwach ist, traut ihm jetzt zu durch diese schwere Zeit zu kommen!

Ich blinzele erstaunt, bevor ich gerührt aufseufze. Mein großer Bruder wird endlich erwachsen und lernt sich eine eigene Meinung zu bilden!

Lyalls Augen wandern zu mir und weil er mich genau so gut lesen kann, wie ich ihn, versteht er natürlich sofort, was ich denke. Er schüttelt leicht den Kopf, während ich stur nicke.

Lyall entwickelt tatsächliche Gefühle für Silas, oder akzeptiert zumindest die, die von Anfang an da waren.

Bleibt nur zu hoffen, dass Silas diese Gefühle noch will...

Erneut holt Myriam mich zurück in die Wirklichkeit: „Eure Eltern wollen einfach nur warten?"

Eric seufzt: „Ich glaube, sie haben auch keine Ahnung, was sie sonst tun sollen. Und so zu tun, als ob es eine bewusste Entscheidung wäre, gibt ihnen vielleicht Sicherheit."

„Dann nehmen wir das halt selbst in die Hand!", Myriam reckt sich zufrieden: „Wir werden schon einen Weg finden! Ich glaube, bei uns im Lager gibt es dieses uralte Buch über stockende Verwandlung... Vielleicht finde ich da ja etwas sinnvolles!"

Ich nicke und stehe auf, um sie zurück zu begleiten, aber Myriam schüttelt den Kopf: „Ihr könnt hier warten. Ich bin allein schneller!"

Mit diesen Worten schlüpft sie aus ihren Klamotten und verwandelt sich. Der männliche Teil unserer Gruppe (also alle außer ich) haben sich höflich abgewendet und drehen sich erst wieder um, als Myriam schon auf dem Weg durch den Wald ist.

Ich sammle ihre Klamotten auf und wende mich zu den anderen: „Kennt ihr einen netten Platz zum Warten?"

Silas schnauft kurz und hält sich die Pfote über die Augen. Anstrengend, müde, echot es schwach in meinem Kopf.

Ich nicke: „Dann leg dich doch nochmal hin. Myriam braucht sicher etwas!"

Silas steht auf und trottet zu einer der Hütten. Lyall will aufstehen und ihm folgen, er bleibt allerding mitten in der Bewegung stecken. Eine kurze Erkenntnis huscht ihm übers Gesicht.

Silas braucht ihn nicht mehr. Er muss ihn nicht mehr überall hin begleiten.

Ich schupse ihn kurzerhand in dieselbe Richtung: „Silas freut sich bestimmt über ein bisschen Gesellschaft!"

Lyall schaut mich kurz ungläubig an, fügt sich dann aber verlegen seinem Schicksal und trottet Silas hinterher. Die kleine Schwester als Wingman zu haben, stört ihn sicher irgendwie! Ich grinse.

Dann wende ich mich zu Eric, der angespannt neben mir steht: „Hi, ich glaube wir haben noch nie wirklich miteinander gesprochen!"


Ich bin schon wieder so spät, verzeiht mir!

Es war viel los und ich bin einfach nicht an meinen Computer gekommen...

Naja, Frohe Ostern euch allen und bis zum nächsten Kapitel 😊

By your sideWhere stories live. Discover now