14. Kapitel

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Ich presse meine Schnauze in die kalte Erde, sobald die Bäume mich umschließen.

Je schneller ich Silas Fährte finde, desto schneller sind wir von der drohenden Gefahr weg. Ich hoffe nur, dass ihm nichts passiert ist.

Aber der Wald ist groß und Silas ist schlau, bestimmt hat er irgendwo einen Hasen gefangen und isst zu Abend!

Meine Nase zittert als ich Silas Geruch entdecke. Nasses Laub und feuchte Erde. Silas riecht wie ein verregneter Herbstnachmittag.

Ich atme tief ein und folge der Spur durch den Wald. Planlos zieht sie sich von einem Pfad zum anderen. Jep, Silas war wohl ziemlich aufgewühlt, wenn er hier herumgerannt ist wie ein aufgescheuchtes Huhn.

Als ich einen unbekannten Geruch entdecke, der sich unter den Laubgeruch mischt, hebe ich den Kopf und prüfe die Luft.

In der Nähe sind Menschen.

Ich rümpfe meine Schnauze, als ich Schießpulver wittere. Dann das Blut.

Ich renne los und hoffe, dass Silas nichts passiert ist. Dass das Blut von einem Tier stammt und Silas den Menschen nicht begegnet ist.

Aber als ich durch die Bäume auf eine Lichtung breche, sehe ich die zusammengekauerte Gestalt, die sich vor den Jägern duckt.

Silas brauner Pelz und seine weißen Pfoten schreien mir förmlich entgegen und meine Gedanken schreien gleich mit. Denn das ist Silas. Silas riecht nach Blut.

Der schwere, rote Geruch hängt um ihn herum wie ein Mantel und erstickt mich beinahe.

Silas ist verletzt. Und da sind Menschen.

Ich lege die Ohren an und entblöße knurrend meine spitzen Zähne.

Die Jäger werden nervös, richten ihre Gewehre auf mich und schreien aufgebracht herum.

Ich springe auf sie zu und stelle mich schützend zwischen sie und Silas.

Es sind drei, zwei mit Gewehren, der letzte hat nur ein Messer.

Trotzdem gefährlich.

Ich sträube mein Fell und versuche so groß und furchteinflößend wie möglich auszusehen. Hinter mir höre ich Silas erschöpft winseln.

Ich trete vorsichtig einen Schritt rückwärts und reibe meinen Pelz an seinen.

Er zittert und reagiert recht wenig auf die Geste.

Warum bewegt er sich nicht? Wurde er etwa angeschossen?

Ich belle laut und nähere mich wieder den Jägern. Der eine Jäger, eine Frau, registriere ich wage, senkt sein Gewehr und deutet mit einem Kopfnicken nach hinten.

Rückzug.

Ich lockere meine Muskeln erst als alle drei vollständig aus meinem Blickfeld verschwunden sind.

Dann drehe ich mich prompt zu Silas um und lecke ihn beruhigend die Wange. Ich vergrabe meine Schnauze in seiner Seite und versuche herauszufinden, woher der Blutgeruch kommt.

Erst als ich seine Beine überprüfe, fällt mein Blick auf die Bärenfalle, die seine Vorderpfote umklammert hält.

Ich blecke die Zähne vor Wut und winsele mitfühlend.

Ich muss mich verwandeln, um die aufzukriegen, flüstere ich Silas zu, warte noch kurz!

Ohne eine Antwort abzuwarten, wechsle ich die Gestalt und beuge mich vor, um die Falle aufzustemmen.

Silas knurrt plötzlich auf und ich schnelle hoch. Sind die Jäger zurück?

Statt den Menschen sehen ich Silas Zähne nur Millimeter von meiner Nase entfernt.

„Hey!", ich schrecke zurück: „Was ist den los?"

Seine Ohren sind an den Kopf gepresst, sein Schwanz zwischen seinen Beinen verschwunden. Er knurrt und winselt und seine Augen sind schwarz.

„Oh", ich schlucke schwer: „Bitte nicht!"

Verzweifelt suche ich nach einer Spur von vertrautem Grün in seinen Augen, aber da ist nichts als pechschwarze Finsternis.

Silas reagiert kein bisschen. Ich mustere sein Bein in der Falle. Waren die Schmerzen so schlimm, dass er sein menschliches Bewusstsein verloren hat?

Ich sehe über dem Metall der Falle Bissspuren und mir wird übel.

Hat Silas echt versucht sich das Bein abzunagen, nur um hier wegzukommen?

Was zur Hölle ist passiert?

„Aatu!", ich sehe ihn eindringlich an, während ich mich vorsichtig zur Falle vortaste.

Er sieht mich verwirrt an, beruhigt sich bei seinem Seelennamen aber genug, dass ich die Zähne auseinanderbiegen kann.

Sobald sich die Zähne nicht länger in sein Fleisch bohren, springt er von mir weg.

Natürlich bricht sein verletztes Bein dabei unter ihm ein und er prallt schmerzhaft gegen einen Baum.

Ich eile zu ihm: „Bist du okay?"

Keine Regung. Seine Flanke hebt und senkt sich langsam. Er ist ohnmächtig, wahrscheinlich vor Schmerzen.

Ich hieve seinen Körper über meine Schulter, bevor ich mich verwandle und mit Silas auf dem Rücken zum Lager zurücktrotte.

Ich würde am liebsten rennen, aber ich habe Angst, dass er von meinem Rücken rutscht und sich noch schlimmer verletzt.


Als ich endlich das Lager erreiche, begrüßt mich eine aufgebrachte Versammlung bestehend aus meinen und Silas Eltern plus einem schuldig dreinblickenden Lyall.

Ich nehme es ihm nicht übel, dass er meinen Eltern erklärt hat, wo ich hin bin. Ich hatte ihnen ja sowieso eine Nachricht hinterlassen.

Alex hievt den bewusstlosen Körper seines Sohnes von meinem Rücken.

„Was ist passiert?", meine Mutter fährt mir beruhigend durch das Fell. Ich atme tief durch.

Ich hab ihn in einer Bärenfalle gefunden, erkläre ich und deute mit der Schnauze auf sein verletztes Bein. Meine Mutter steht auf und geht los, um den Rudelarzt zu holen.

Er wurde von Jägern umlagert und..., ich breche ab.

Lyall sieht mich erschrocken an. Seine blauen Augen flackern ängstlich immer wieder zu Silas, verweilen aber nicht lange, als hätte er Angst davor, ihn anzusehen.

Er hat sein menschliches Bewusstsein verloren, bricht es schließlich aus mir heraus.

Alex und seine Frau Marie umarmen den Wolf noch ein bisschen fester.

Als ich ihm in Menschengestalt helfen wollte, hat er mich fast angegriffen.

Ich laufe aufgebracht auf und ab und schlage wild mit dem Schwanz um mich.

„Es wird schon wieder werden!", flüstert Marie mit zitternder Stimme und eilt dann mit Alex und Silas davon, um ihn untersuchen zu lassen.

Mein Vater geht zur Haupthütte, um sich mit dem Rudel zu besprechen und den Wald gegebenenfalls zu sperren.

Ich drehe mich wütend zu Lyall um, der immer noch ein wenig verloren herumsteht.

Und jetzt erklär mir bitte, was zur Hölle du zu Silas gesagt hast!


Und schon wieder ein Kapitel geschafft!

Ich hätte ehrlich gesagt nie gedacht, dass ich tatsächlich so weit komme, vor allem nicht zwischen den ganzen Klausuren >.<

Vielen Dank für die Unterstützung, Leute!

Wir sehen uns im nächsten Kapitel 😊

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