9. Kapitel

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Ich werde von zwei eifrigen Zungen geweckt.

Ich blinzle heftig und schiebe die feuchten Nasen aus meinem Gesicht. Als ich mich aufrichte, sehe ich die beiden Welpen, die mir das unfreiwillige Bad verpasst haben, streng an.

„Nicht nett!", flüstere ich leise. Der Garten ist ruhig. Vier Welpen liegen noch neben mir, eingeschlossen der kleinen Übeltäter. Die anderen zwei haben sich zusammen mit Myriam ein Stück weiter hinten zusammengerollt.

Ich drehe mich zu Silas, um zu schauen, ob er noch schläft.

Gut geschlafen?, wispert es in diesem Moment in meinem Kopf. Silas hat den Kopf gehoben und die Ohren aufgestellt. Scheinbar ist er schon länger wach und hat die friedliche Szene still beobachtet.

„Ja", flüstere ich zurück: „So gut, wie schon lange nicht mehr!"

Silas hechelt zufrieden bei dieser Antwort, macht allerdings Anstalten aufzustehen.

Fast schon enttäuscht wecke ich die Welpen auf und rüttele dann Myriam wach. Gähnend präsentiert sie ihre Zähne, bevor sie sich mir zuwendet, haben wir lange geschlafen?

„Ich glaube nicht", antworte ich schulterzuckend und deute auf die Sonne, die noch hoch am Himmel steht.

Silas führt die Welpen wieder ins Haus, ich geh dann zu meinem Vater und schaue mal nach Eric, okay? Nehmt euch Zeit, um wirklich wach zu werden.

Wir nicken und Myriam verwandelt sich zurück und streift ihre Kleidung wieder über.

Sie schaudert kurz: „Urgh, ist schon ziemlich kalt!"

Ich nicke. Oder besser, ich will nicken.

Bevor ich die Bewegung zu ende führen kann, fährt ein heftiger Schmerz durch meinen Nacken.

„Ahh", ich beiße die Zähne zusammen, um nicht zu schreien, kann ein qualvolles Stöhnen allerdings nicht unterdrücken.

Myriam schaut mich alarmiert an: „Bitte sag mir, dass du einfach einen steifen Nacken hast, weil du falsch gelegen hast!"

Ich schüttele den Kopf vorsichtig, bevor die nächste Welle heißer Schmerz mich erfasst. Es fühlt sich an, als würden meine Knochen schmelzen.

„Wie lange hast du dich schon nicht mehr verwandelt?", Myriams Stimme ist gezwungen ruhig, ich höre die Anspannung darin. Aber ich finde trotzdem Trost in ihrer Vertrautheit.

„Schon länger her!", presse ich mühsam hervor und versuche mich aufzurichten: „Lyall noch hier? Nach Hause?"

Myriam versteht mich trotz mangelnden Sprechvermögens und stützt mich auf meinem Weg zum Haupthaus.

Ich beiße mir verkrampft auf die Lippe, als sie ihr Tempo erhöht. Lyall sieht schon angespannt aus, bevor wir kommen, danach zieht er eine Miene, als würde er die ganze Welt am liebsten einfach in eine Tonne treten, den Deckel draufknallen und sich nie wieder mit ihr beschäftigen.

Trotzdem holt er in sekundenschnelle meinen Vater und wir sind im Auto auf dem Weg nach Hause, bevor ich es richtig verarbeiten kann.

Irgendwann sind wir da. Alles ist verschwommen und ich höre nichts als Rauschen. Ich weiß, dass ich weine, weil mein Gesicht nass ist. Und ich zittere unaufhörlich.

Ich beiße meine Zähne zusammen.

Der einzige klare Gedanke in meinem Kopf ist die Stimme meines Vaters.

Mach keine Szene. Verhalte dich ruhig. Niemand darf dir etwas anmerken.

Ich weiß nicht mehr, wann er mir diese Wörter wie ein Mantra eingeflüstert hat, aber ich hasse sie. Ich hasse sie mit jeder schmerzenden Zelle in meinem verkorksten Körper.

Ich reiße den Mund auf und schreie.

Die Schmerzen werden nicht besser, aber ich fühle die selbstgefällige Zufriedenheit beim angespannten Gesicht meines Vaters.

Ich lache und heule und irgendwie bin ich in meinem Zimmer in meinem Bett und Lyall und Myriam sind neben mir.

Ich lache noch mehr, aber vielleicht schreie ich auch, denn Lyall sieht mich so mitleidig an, dass mir schon fast schlecht wird.

Ich kann ihn dafür nicht hasse, es ist schließlich nicht seine Schuld.

Aber ein Teil von mir wird ihn immer darum beneiden, dass es ihm nicht genau so geht.

Ich tauche in dunklen Nebel ein und ich seufze erleichtert. Die Schmerzen können mir nicht hierher folgen, also wandern meine Gedanken rastlos umher, wie in einem Fiebertraum gefangen.

Als ich mich mit 7 Jahren das erste Mal verwandelte, war das einzige ungewöhnliche, dass es so früh war. Die erste Verwandlung bereitet einem immer Schmerzen, erst mit der Zeit gewöhnt man sich daran. Aber für einen Werwolf mit einem menschlichen Elternteil, war sieben zu früh. Selbst mein Bruder verwandelte sich erst vier Jahre später mit 11 das erste Mal.

Die nächste Entdeckung kam etwa drei Wochen später als ich fröhlich in meinem Kinderzimmer mit Lyall spielte. Ich verwandelte mich ohne es zu wollen. Ich hatte keinerlei Kontrolle darüber.

Ich erinnere mich nur noch an Lyalls entsetztes Gesicht, als ich mich auf einmal schreiend auf dem flauschigen, grünen Teppich wälzte.

Mein Vater dachte, es würde besser werden, würde ich mich an die Verwandlung gewöhnen, aber egal, wie oft ich es versuchte, der Prozess war einfach nicht auszuhalten.

Ich konnte jeden Knochen wachsen und brechen spüren. Ich fühlte, wie meine Haut riss, wenn sie nicht mit den Veränderungen meines Körpers zurechtkam. Ich bildete mir ein, jede Zelle vor Schmerzen schreien zu hören, wenn sich ihre Position verschob.

Also vermied ich es, mich zu verwandeln.

Aber ab und an konnte ich es nicht mehr kontrollieren und ich wechselte, manchmal teilweise, manchmal vollständig, meine Gestalt.

Und ich vermied es meine Mutter zu treffen. Die Frau, die mich mit diesem kaputten Körper verflucht hatte, als sie den Mate-Bund mit meinem Vater brach, während sie mit mir schwanger war.

Meine Mutter ist ein Mensch.

Ohne den Bund zu einem Werwolf, war ein Teil der sich bildende Verbindung zu meinem Wolf verloren.

Und ich leide weiterhin unter jeder Verwandlung und meine Haut wird weiterhin mit Narben verunstaltet.

Ich hasse es, dass ich nichts tun kann. Ich kann nicht einmal die Schmerzen still ertragen, wie mein Vater es will. Ich kann Lyalls mitleidige Blicke nicht aushalten und hasse mich dafür, ihn zu beneiden.

Und ich hasse meine Mutter dafür, dass sie mir das angetan hat und einfach aus meinem Leben verschwunden ist, als würde sie es nicht kümmern.

Die Schmerzen kochen erneut in meinem Körper, aber ein tiefes Schwarz empfängt mich und sie werden taub.


Und damit ist das große Geheimnis um Valerie auch endlich gelöst...

Als nächstens erfahrt ihr dann auch endlich mal, wie es Silas so geht und wir kommen mit der Story auch actually ein bisschen voran... Sorry, dass ich so viel wiederhole, die Perspektiven sind mir halt wichtig ;-;

Bis dann!!


By your sideWhere stories live. Discover now