34. Kapitel

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Am nächsten Morgen werde ich durch den Schnee geweckt, der mir auf die Nase weht.

Ich schüttele mir die restlichen Flocken aus dem Pelz, die sich schon in meinem Fell eingenistet haben und reiße mein Maul weit auf, während ich herzhaft gähne.

Ich stupse Myriam an und will gerade dasselbe mit Lyall tun, als er zurückweicht und ebenfalls aufsteht.

Bin schon wach, murrt er und blinzelt wie verrückt.

Wahrscheinlich hat er anders als ich kein Auge mehr zugetan. Silas kauert nicht weit von uns am Boden, seine angespannte Haltung lässt allerdings vermuten, dass er ebenso wenig geschlafen hat, wie mein Bruder.

Eric liegt noch immer neben Adrian und Hanako und rührt sich erst als Alex zu ihm kommt und ihn mit einem Stupser dazu bewegt aufzustehen.

Hanako presst ihren kleinen Körper ein letztes Mal gegen den ihres Mannes, dann tritt sie zurück und sieht zu wie Alex und andere Rudelmitglieder die Leiche wegtragen.

Eric beobachtet sie stumm dabei und seine Augen blitzen wieder so kalt auf, dass es mich schaudert. Als wäre der Schnee nicht schon kalt genug.

Der letzte ist am nächsten Morgen schon wieder fortgeschmolzen, dieser scheint hartnäckig liegen bleiben zu wollen und jede weiße Flocke klammert sich entschlossen an den Untergrund.

Ich laufe über den bestäubten Boden zu Eric und drücke mich fragend an ihn. Wie geht es dir?

Eric schnaubt kurz als Antwort.

Okay, falsche Frage, ich zögere kurz. Was willst du jetzt tun?

Den Dreckskerl finden, seine Stimme hallt kalt in meinem Kopf wider und ich wundere mich, ob ich je wieder sein warmes Lachen hören werde.

Und dann?, ich schlucke schwer.

Eric blickt mir in die Augen und statt der Leere sehe ich diesmal bodenlose Verzweiflung. Ich will ihn töten, Valerie. Ihm das Herz rausreißen und zusehen, wie er Stück für Stück verblutet. Ich will hören, wie er schreit und seine Schmerzen mit eigenen Augen sehen. Sehen, dass er ebenso leidet, wie wir. Ich will genau dieses Monster werden. Der große, böse Wolf!

Ich senke den Kopf und Eric trottet still an mir vorbei zu Silas, der sich trostspendend an ihn presst. Er leckt ihm über die Wange und Verständnis und Unterstützung spiegeln sich in jeder seiner Bewegungen, seiner Gesten.

Sollte ich auch so sein? Sollte ich als seine Mate an seiner Seite bleiben, egal wie sehr es meinen eigenen Gedanken widerspricht?

Ich knurre wütend. Nein, kein Mate-Bund der Welt wird mich zu so etwas bringen. Ich werde mich nicht aufgeben, nachdem es so lange gedauert hat, glücklich mit mir zu sein.

Wenn sich Eric dazu entscheidet diesen Mann aus Rache zu töten, werde ich nicht länger seine Mate sein.

Ich weiß zwar nicht, wie ich einen Bund brechen soll, den ich nicht einmal tatsächlich spüre, aber er wird es spüren. Ich drehe mich weg und gehe zurück zu meinem Bruder und Myriam.

Lyall stupst mich an, Was... Was hat Eric gesagt?

Er will den Jäger töten.

Myriam schnauft erstaunt, Und wie will er den Kerl finden? Das ist doch gefährlich. Davon abgesehen das weder Alex noch Hanako das erlauben werden! Und was soll eigentlich jetzt aus dem Rudel werden?

Mein Bruder schüttelt sich das Fell einmal durch, Vermutlich wird Eric direkt neuer Alpha. Also wird das Rudel von ihm und Vater geführt werden. Oder in der nächsten Zeit von Hanako und Alex, bis Eric bereit ist.

Ich schnaube genervt, Können wir erstmal rein? Mir ist kalt und ich habe Hunger.

Die beiden nicken und wir verschwinden in verschiedenen Räumen des Haupthauses um uns ungestört zurückzuverwandeln.

Ich heule auf als sich meine Knochen strecken und in ihre alten Formen brechen. Meine Haut reißt und verschluckt das Fell. Keine Narben. Egal wie schmerzhaft etwas ist, es bleiben keine Narben.

Ich reibe mir verschämt einzelne Tränen aus den Augen, als ich endlich wieder Hände habe.

Bin ich schuld, wenn Eric etwas tut, das er bestimmt bereuen wird? Ich kann mir einfach nicht vorstellen, dass er mit seiner Entscheidung, jemanden zu töten, glücklich sein wird.

Und irgendwie habe ich es eben doch zu verantworten, oder? Egal, was Lyall sagt und was ich in Alex Worten und Hanakos Blicken lesen kann. Ich trage zumindest ein bisschen Verantwortung.

Ich sollte ihn irgendwie davon abhalten. Nur wie?

Ich schlurfe aus dem Zimmer und verkrieche mich in Myriams Armen. Der vertraute Geruch nach Geborgenheit lässt mich endlich wieder frei atmen und ich beginne leise in ihren Pulli zu schluchzen.

Sie legt den Kopf schief: „Ist es wegen Eric?"

Ich nicke irgendwo zwischen ihrer Schulter und ihrem Schüsselbein. Myriam tätschelt mir beruhigend den Rücken und drückt mir einen kurzen Kuss auf den Scheitel.

„Wegen der Mate-Geschichte, seinem plötzlichen Drang Amok zu laufen oder doch wegen seinem Vater?", fragt sie. Ich öffne den Mund und schließe ihn wieder.

„Ich habe wegen dem Mate-Bund nie etwas gespürt, weißt du?", beginne ich schließlich vorsichtig. Myriam zieht erstaunt die Luft ein: „Aber ihr seid Mates, oder etwa nicht?"

„Doch, also sagt zumindest Eric und ich glaube ihm. Mein Wolf hat das nur irgendwie nicht so mitbekommen. Fakt ist, ich dachte ich wäre schon verliebt in ihn, zumindest so ein bisschen, aber jetzt bin ich einfach nur noch verwirrt!", ich seufze laut auf.

„Du kennst meine Meinung zu Mates. Sie sind unnötig und verdrehen dir das Hirn, sodass du nichts mehr hinbekommst und völlig abhängig von jemanden bist. Vielleicht nicht bei allen, aber woher soll man wissen, ob man tatsächlich Gefühle für jemanden hat oder das alles nur Gehirnwäsche ist. Wenn du also verwirrt bist und nichts von den Mate-Bund mitbekommst, vielleicht bist du dann wirklich verliebt. Vielleicht sogar mehr als nur ein bisschen?", Myriam zuckt die Achseln und schiebt mich ein Stück zurück, um mir ins Gesicht zu schauen. „Du willst nicht, dass Eric den Jäger tötet, oder?"

Als ich nicke, fährt sie fort: „Hast du ihm das auch gesagt? Wenn du wirklich eine Beziehung willst, weil du verliebt bist oder es sein könntest, musst du dafür kämpfen!"

Ich grinse schief: „Aber er hat doch auch das Recht, eigene Entscheidungen zu treffen, auch wenn ich sie nicht mag."

Myriam klopft mir auf die Schulter: „Dann mach ihm wenigstens klar, was auf dem Spiel steht. Zeig ihm, was er zu verlieren hat!"

Dann zieht sie mich in eine feste Umarmung: „Ich wünsche dir, das alles klappt mit eurer Beziehung. Egal, ob ihr Mates seid oder nicht. Ihr kriegt das schon geregelt!"

Ich nicke und schniefe schon wieder.

Dieses Mal sind es wenigstens Freudentränen.


Heyho, Leute!

Das Kapitel ist überraschend lang geworden, dafür, dass ich gerade in einer halben Schreibblockade feststecke. Eure ehrliche Meinung bitte!

Naja, nächstes Mal gibt es dann ein neues Beziehungsdrama bei Silas (weil ich Drama liebe 😉)

Bis dann


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