23. Kapitel

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Lyalls Sachen sind mir etwas zu groß, aber immerhin riechen sie gut.

Ich zupfe nervös an meinem (Lyalls) Shirt und versuche nicht alle zwei Sekunden auf die Uhr zu schauen. Warum ich so hibbelig bin, weiß ich selbst nicht recht.

Vielleicht weil sich jetzt wieder etwas zwischen Lyall und mir ändern wird.

Vielleicht weil ich Angst habe, dass er mich wieder so abweisend behandelt und ich wieder ganz allein dastehe.

Oder vielleicht auch, weil ich in den letzten Tagen so wenig an Eric gedacht hab, dass ich so langsam meine eigenen Gefühle anzweifle. Empfinde ich jetzt etwas für Lyall und nicht mehr für Eric? Nur wegen diesem Mate-Bund?

Irgendwie geht mir das gegen den Strich. Ich will mich nicht verlieben, weil das Schicksal es so will. Gut, vielleicht wollte ich das vorher, um über Eric hinwegzukommen, aber jetzt?

Ich weiß nicht, ob ich überhaupt in Lyall verliebt sein will! Er war echt bescheuert und dass er sich dann auf einmal um mich kümmert, ändert nichts. Ich hab das Gefühl, ich weiß nichts über ihn!

Vielleicht sollte ich einfach versuchen Lyall zu hassen. Dann kann er weiter sein Leben führen, ohne mich, und ich... Ich lebe mein Leben. Irgendwie sollte ich das doch hinbekommen. Ich definiere mich doch nicht nur durch meinen Mate!

Ich nicke abwesend und knabbere an meinen Fingernägeln.

Valerie lässt sich neben mich auf das Sofa fallen: „Sie kommen bestimmt bald!" Dann beobachtet sie mich und wartet meine Reaktion ab.

Ich lächle schief, öffne den Mund, bekomme meine Gedanken aber nicht geordnet. Ohne etwas zu sagen, schließe ich ihn wieder. Ich bin verwirrt.

Vielleicht sollte ich es echt mit dem Hassen versuchen. Es ist einfacher, als mich mit meinem Gefühlschaos zu beschäftigen. Und am Anfang war es doch auch total einfach, wütend auf Lyall zu sein. Das bekomme ich bestimmt nochmal hin!

Valerie umarmt mich von der Seite. Irgendwie versteht sie mich und irgendwie beruhigt mich das. Ich bin nicht völlig allein.

Dann schlägt die Tür mit einem Knall auf und wir zucken zusammen.

Zuerst kommt Eric ins Zimmer gestürmt und fällt mir um den Hals. Myriam folgt innerhalb von Sekunden und zieht Valerie gleich mit in die Umarmung.

Nur Lyall bleibt in der Tür stehen.

Als ich aufschaue, umspielt ein trauriges Lächeln seine Mundwinkel und er betrachtet still die Szene vor ihm.

Zögerlich strecke ich meinen freien Arm in seine Richtung. Eine Einladung. Ein Schritt nach vorne. Oder tausend Schritte zurück.

Wie war das mit dem Hassen? Ich mache einen echt miesen Job!

Langsam streckt Lyall seine Hand aus und verflechtet unsere Finger miteinander. Sanft drückt er meine Hand und kommt ein Stückchen näher zu dem Kuddelmuddel auf dem Sofa.

Ein Schritt nach dem anderen, bis er uns fast erreicht hat.

Und dann, als ich ihn fast auf das Sofa ziehen kann, klingelt sein Handy.

Er geht ein paar Schritte zurück, hält aber immer noch meine Hand.

„Ja?", fragt er ruhig. Zu ruhig. Als würde er jegliche Emotion aus seiner Stimme verbannen.

„Natürlich, Vater!", mit einer ruckartigen Bewegung zieht Lyall seine Hand aus meiner und dreht sich weg: „Ja, es ist alles in Ordnung!"

Ich betrachte für eine Sekunde seinen stocksteifen Rücken. Dann wende ich mich ab und vergrabe mich tiefer in Erics Armen.

„Bis dann!", Lyall beendet den Anruf, dreht sich aber nicht um. Stattdessen verlässt er langsam den Raum.

„Du sorgst dich um ihn!", Eric studiert mit nachdenklicher Miene mein Gesicht.

„Echt?", ich wedele mit der Hand vor seiner Nase herum: „Das sind bestimmt nur Nebenwirkungen vom Mate-Bund!"

„Irgendwie glaub ich das nicht!", meint Eric und rutscht in eine gemütlichere Position neben mir.

Auf meiner anderen Seite kuscheln Myriam und Valerie und tuscheln leise miteinander.

„Doch, bestimmt! Ich kann nicht wirklich etwas für ihn... Ich meine... Er wollte doch gar nicht!", stottere ich herum.

Eric nickt mitfühlend: „Aber du wolltest, oder?"

Ich zucke zusammen. Auf keinen Fall kann ich ihm die Wahrheit über meine Gefühle sagen!

„Ich denke, ich wollte es? Und dann hab ich ihn kennengelernt und ich wollte lieber alles andere! Aber jetzt? Er ist in einem Moment für mich da, und im Nächsten lässt er mich allein. Ich weiß einfach nicht weiter!"

Eric grinst schief: „Der Schlüssel zu einer guten Beziehung ist eine gute Kommunikation! Also los, rede mit ihm!"

Als ich mich nicht vom Fleck rühre, schiebt er mich von dem Sofa: „Und sag ihm, dass wenn er die wehtut, er es mit mir zu tun bekommt!"

Ich lächle: „Davor hat er bestimmt große Angst!"

Ich schlüpfe durch die Tür, bevor Eric ein Kissen nach mir werfen kann und finde mich in der Küche wieder.

Klein, aber heimelig.

Lyall steht vor dem Fenster und betrachtet abwesend die Bäume.

Ich stelle mich neben ihn: „Hi."

Er sieht mich kurz an und richtet seinen Blick dann wieder durchs Fenster: „Hi."

Seine Stimme ist klein und zittert. Wie ein kleiner Vogel, der sich nicht traut zu fliegen.

„Ich dachte, du würdest zu uns kommen", ich taste nach seiner Hand, ohne ihn wirklich anzuschauen.

Draußen beginnt es leise zu schneien.

Er greift meine Hand und hält sie fest. Klammert sich an sie, als würde es etwas bedeuten.

Es sind nur wir zwei und irgendwie macht das alles so leicht.

„Ich wollte", flüstert er sanft.

„Warum bist du es dann nicht?", ich schaue ihn immer noch nicht an. Wir betrachten beide den Schnee.

„Mein Vater hat angerufen", erklärt er. Und es hört sich an wie eine Entschuldigung. Eine Rechtfertigung.

„Und warum hat dich das abgehalten?", ich wende meinen Blick zu seinem Gesicht.

Lyall zuckt bei meinen Worten zusammen, öffnet den Mund, schließt ihn und öffnet ihn wieder: „Mein Vater... Er will nicht, dass wir..."

Er zeigt auf mich, auf sich, auf den Raum zwischen uns. Als ob es da etwas geben würde!

Ich lasse seine Hand wütend los: „Dein Vater hat doch nichts zu tun damit! Ich habe keinen Bund mit deinem Vater, sondern mit dir. Könntest du dich bitte auch mal so verhalten, als wärst du ein Teil" -ich deute auf ihn, auf mich, auf den Raum zwischen uns- „hiervon?"

Ich fahre mir durch die Haare. Es ist zum verrückt werden: „Mein Vater will dies. Mein Vater will das. Hast du eigentlich keine eigene Meinung?"

Ich starre ihn wutentbrannt an. Lyall starrt auf den Boden und antwortet nicht.

Ich reiße die Hände nach oben: „Tja, scheinbar nicht!"

Dann mache ich auf dem Absatz kehrt und verlasse die Hütte.


Sorry, dass Dienstag kein Kapitel kam. Ich hab allen Ernstes noch eine Klausur geschrieben und musste lernen.

Nächstes Mal gibt es dann eine Episode reiner Unvernunft seitens Silas. Ihr könnt gespannt sein!


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