10. Kapitel - Silas

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Als ich morgens aufwache, habe ich furchtbare Kopfschmerzen.

Am liebsten würde ich mich einfach in meinem Bett zusammenrollen und unter der Decke vergraben die Welt ignorieren.

Ich spüre das Stechen in meinen Augen und stehe auf, bevor ich wirklich in Tränen ausbreche und mich gar nicht mehr bewege. Mein Körper fühlt sich schwer an und gleichzeitig als würde er auseinandergerissen werden.

So fühlt sich also die Ablehnung eines Mate-Bundes an. Ich schlucke bitter und presse meine Hand gegen meine schmerzende Brust.

So fühlt es sich also an, wenn die Person, die dafür geschaffen war, dich zu lieben, dich nicht will.

Und ich kenne nicht einmal seinen Namen! Ich lache, obwohl ich heulen will und mache mich für die Schule fertig. Ich fühle mich zwar richtig elend, aber wenn ich zuhause bleibe, muss ich mit meinen Eltern reden und ich will gerade nicht an diesen Idioten denken. Nicht an seine Kupferhaare oder seine blauen Augen.

Erics Augen sind dunkler, denke ich und bei dem Gedanken wird mir noch elender.

Ich habe aber auch einfach kein Glück, oder?

Ich verlasse das Haus ohne Frühstück und versuche mich auf dem Weg zur Schule etwas aufzumuntern.

Es ist Freitag und kalt genug, dass es bald schneien könnte. Morgen kann ich also den ganzen Tag im Bett liegen und über mein Leben heulen. Okay, vielleicht fällt mir noch etwas Besseres ein.

Ich sehe heute meine Freunde wieder. Auch wenn Myriam und Valerie gestern einfach verschwunden sind, ohne sich zu verabschieden. Zusammen mit meinem Bald-nicht-mehr-Mate.

Ich schlucke den Kloß in meinem Hals runter und schüttele energisch den Kopf. Irgendetwas positives muss es doch geben!

Eric kann nach dem anstrengenden Tag gestern nochmal im Lager bleiben und ich muss ihm heute Vormittag nicht gegenübertreten. Weil ich beim Anblick meines besten Freundes in Tränen ausbrechen würde. Frustriert schnaube ich.

Ich sollte einfach akzeptieren, dass die ganze Situation gerade scheiße ist.

Ich betrete das Schulgebäude und schlurfe den Flur entlang. Im Klassenzimmer wartet Zara auf mich. Ihr genügt ein Blick und sie umarmt mich.

Scheiße, wenn das so weiter geht, muss ich doch noch heulen.

„Hi!", flüstere ich ihr leise ins Ohr. Sie nickt nur beruhigend und drückt mich auf den Platz am Fenster. Normalerweise sitze ich zwischen ihr und Myriam, aber Zara scheint zu verstehen, dass ich mit Myriams lauter Art gerade nicht so gut klarkäme.

Ich will schon wieder in Tränen ausbrechen. Sie ist so nett zu mir. Warum kann sie nicht meine Mate sein, dann wäre alles einfacher.

Aber ihre Augen sind nicht blau, flüstert eine kleine, gemeine Stimme in meinem Kopf. Und du könntest sie gar nicht lieben, du hast es doch versucht.

Ich beiße mir auf die Zunge. Ich hätte zu Hause bleiben sollen.

Als Myriam ins Klassenzimmer kommt, sieht sie besorgt aus, unterhält sich aber trotzdem den kompletten Unterricht über mit Zara.

In der letzten Stunde (Chemie, als ob der Tag nicht auch schon ohne schlimm genug wäre) döse ich ein und werde erst beim Läuten der Glocke von Zara geweckt.

„Aufwachen!", sie stupst mich weiterhin in die Schulter, bis ich unter müden Seufzern mein Zeug zusammenpacke.

„Hey, cheer up a little!", Myriam beginnt mich von der anderen Seite anzustupsen, als wir den Gang runterlaufen. Während ich ihre Hand spielerisch wegschlage, muss ich lachen.

Ich lächle befreit und atme zufrieden die frische Luft ein, als wir aus dem Gebäude treten.

Das gute an schlechten Tagen ist, dass sie nur noch besser werden können!

Die Göttin lässt mich einige Sekunden in diesen friedvollen Gedanken verweilen, bis sie meine Hoffnungen brutal zerstört.

„Valerie!", ruft Myriam im nächsten Augenblick und zieht mich und Zara zum Tor. Val steht da und sieht unglaublich müde aus. Neben ihr lehnt der Idiot, wegen dem ich schon den ganzen Tag über mies gelaunt bin. Ich verlangsam meinen Schritt und stoppe einige Meter entfernt.

Keines der Mädchen scheint es zu bemerken, nur mein Nicht-Mate sieht auf.

Seine Lippen formen ein erstauntes Oh und auf einmal will ich näher zu ihm.

Ich will in seiner Wärme versinken und seine Arme um mich spüren.

Und ich will mich zu einer Kugel zusammenrollen und sterben.

Scheiße, ich weiß, dass der Bund noch nicht wirklich gebrochen ist, aber dass es meinen Körper derart verwirrt, überrascht mich.

Um diesen Chaos aus Sehnsucht und Ablehnung zu entkommen, entscheide ich mich für Wut.

Ich fletsche meine Zähne, presse mühsam ein „Sorry, muss schnell heim" hervor und stiefele an dem Idioten vorbei.

Dieser beweist eindrucksvoll, wie wenig er von menschlichen Gefühlen versteht und läuft mir hinterher.

Auf halbem Weg zurück zum Lager erwischt er mich am Handgelenk und hindert mich daran weiterzulaufen. Er hätte mich längst einholen können. Ich war ihm scheinbar nicht mal eine ernsthafte Verfolgung wert.

Ich versuche mich aus seinem Griff zu befreien und er schnalzt unzufrieden mit der Zunge. Seine Berührung ist viel zu warm, viel zu vertraut. Viel zu viel, um noch wütend zu sein. Ich könnte schon wieder heulen.

„Silas!"

Ich blicke ihn überrascht an. Er erinnert sich an meinen Namen?

„Bitte, lass uns reden!", er sieht mich bittend an.

„Letztes Mal hattest du mir nichts zu sagen! Ich weiß nicht mal, wie du heißt!", fauche ich, aber meine Wut klingt ab. Seine Stimme ist zu sanft und voll, um weiterhin wütend zu sein.

Er zuckt zusammen: „Ich bin Lyall und sorry... Ich war...verwirrt!"

Ich blicke hoffnungsvoll zu ihm auf. Heißt das, er will den Bund gar nicht brechen?

Er räuspert sich nervös: „Also, es ist so... Die Lage mit den beiden Rudeln wird sicherlich ziemlich angespannt werden und ich -als Alpha- kann mir einfach keine Schwäche erlauben. Mein Vater und ich, nun, wir, also ich glaube nicht, dass das hier funktioniert. Wir sollten ..."

Ich höre ihm nicht weiter zu. Hat der überhaupt einen Plan davon, was Mate-Bunds sind? Wenn das hier nicht funktioniert, wird nichts funktionieren. Und was zur Hölle soll das Gefasel über Schwäche? Und was hat sein Vater damit zu tun?

Ich bin auf einmal wieder so wütend auf ihn, wie am Anfang.

Ich hebe abwehrend die Hände, damit er endlich aufhört so einen Schwachsinn von sich zu geben. Sogar er selbst sieht erleichtert darüber aus, nicht mehr reden zu müssen.

Ich schnaube: „Also zusammengefasst: Du hast keinen Bock auf einen Mate-Bund mit einem Kerl!"

Er zuckt schon wieder, aber er widerspricht nicht.

Toll, ich will schon wieder heulen. Ich drehe mich auf dem Absatz um und gehe.

Blaue Augen verfolgen mich, bevor ich höre, dass er mir wieder folgt. Dieses Mal versucht er allerdings nicht mich einzuholen.

Erics Augen sind dunkler, denke ich und wische mir kurz über die Augen.

Dann bin ich im Lager, verschwinde ins Haus und renne in mein Zimmer.

Keine Minute später klopft es unten an der Tür.


So, endlich auch mal aus Silas Perspektive...

Zu dem Chemie Kommentar: Mathe war mir einfach ein bisschen zu klischeehaft (und ich mag Mathe, es können ja nicht alle das Fach hassen!) und deshalb hab ich den Kurs genommen, der mich gerade am meisten stresst...

Wir sehen uns dann zum zweiten Teil der Aussprache zwischen den Beiden!


By your sideWhere stories live. Discover now