London.

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Völlig übermüdet und zum ersten Mal leise, gingen Dom, Duff, Tyson, Jay und ich durch das Flughafengebäude. Jeder hatte eine Tasche als Handgepäck bei sich und um uns herum wuselte die Crew. Die Instrumente wurden schon nach Europa verschifft und in die Anhänger der beiden Tourbusse verladen. Wir würden heute rüber fliegen und übermorgen wäre das erste Konzert. Wir hatten nicht viel Zeit, um uns an die Zeitumstellung zu gewöhnen, aber so war es nun einmal auf Tour. Wir gingen durch die Sicherheitskontrolle und wurden zu unserem Flieger mit dem Bus gebracht. Um diese Uhrzeit flogen nur irgendwelche Banker und Geschäftsmänner nach London, mittendrin eine Rockband und deren Crew, die schwarz gekleidet war. Ich saß auf dem Platz neben Jay und setzte meine Kopfhörer auf. Jay wirkte in letzter Zeit wieder gestresst und genervt. Wahrscheinlich war er Rückfällig, was die Drogen anging, doch er blieb stark. Das Flugzeug startete und es war ruhig im Passagierraum. Man hörte, wie auf Tastaturen von Laptops hektisch getippt wurde und einige Leute sich leise über Finanzen unterhielten. Von der Band kam kaum ein Ton außer, wenn Henry einer der Jungs zum Lachen brachte. Doch wir entschieden uns alle für Schlaf.

Als wir in London landeten, regnete es. Ich zog die Kapuze meines Sweatshirts tief in mein Gesicht und verließ das Flugzeug in Richtung Bus. Wir drängelten uns alle in den Shuttle zum Flughafengebäude. Ich hatte Glück und hatte einen Sitzplatz. Dom musste stehen und hielt sich am Griff fest, der an der Decke war. Lächelnd sah ich zu ihm hoch, da er müde da hing und auf den Boden starrte. Die Tour war anstrengend und dass was die Jungs von sich selbst forderten, war unmenschlich, doch sie entschieden selbst, was sie wollten. Im Flughafengebäude waren ein paar Fotografen von der Presse, doch sie waren weit genug weg, sodass ich mich etwas hinter Henry und den Leuten von der Crew verstecken konnte. Was heißt verstecken? Die Fans wussten wer ich war und warum ich bei der Band war. Doch jedes ‚Fangirl' schwärmt für seinen Lieblingsstar und so schwärmen viele für Jay. Ich weiß dies, weswegen ich mich im Hintergrund der Band hielt, um ihnen diese Träume nicht zu zerstören, auch wenn sie wissen dass ich da bin. Jay meint immer, dass jeder Fan sowas macht und die Fantasien seiner Fans nie wahr werden würden. Er sagt das immer und nimmt mich dann in den Arm und ich war froh, diese Bestätigung zu bekommen. Vor dem Flughafengebäude standen drei Großraumtaxen, die uns zum Hotel bringen würden, wo dann die Tourbusse stehen würden.

Ich ließ mich erschöpft aufs Doppelbett fallen, als Jay und ich in unser Zimmer kamen. Währenddessen ich kurz durchatmete, zog Jay sein rotes Shirt aus und zog ein dunkel graues mit V-Ausschnitt an. An seinem Unterarm erblickte ich den kleinen Pfotenabdruck, den er sich nach Cas' Tod tätowieren ließ. Jay bemerkte meine Blicke und seufzte. Er ließ sich neben mich aufs Bett fallen und sah mich abwartend an.

„Mach dir keine Vorwürfe"-ich.

„Ich werde mir welche machen, auch wenn du es 1000x sagst"-er nüchtern. Ich richtete mich auf und schüttelte den Kopf. Jay hatte seinen eigenen Kopf und man konnte ihn zu nichts zwingen, was er nicht wollte. Genauso wie man ihn nicht überzeugen konnte, dass Cas so oder so gestorben wäre, und nicht einfach aufgehört hat zu atmen, weil er einsam war. Das hatte ein Tierarzt Jay über die Presse vorgeworfen, wenige Wochen nach dem Tod des Huskys. Jayson hat es sehr zu Herzen genommen und hat bis heute es nicht geschafft, die Wahrheit anzunehmen.

„Gehst du mit Duff und Tyson weg?"-ich. Er nickte.

„Kommst du mit?"-er. Ich schüttelte den Kopf.

„Nicht am ersten Abend."-ich.

„Wie du willst. Dom bleibt auch hier"-er.

„Ich weiß"-ich und ging zum Koffer, um mir eine Jogginghose und ein Top herauszunehmen.

„Was wirst du machen?"-er

„Jake anrufen oder so. Oder Mom"-ich.

„Du warst lange nicht mehr bei ihr"-stellte er fest. Ich nickte.

„Momentan habe ich auch keine Lust auf Südafrika"-ich.

„Wegen der anstrengenden Reise?"-er.

„Ja"-ich und zog mich um. Ich hob meine alten Klamotten vom Boden auf und tat sie in den Beutel für dreckige Wäsche. Jay kämmte einmal durch seine Haare, schluckte seine Schmerztabletten und schlang dann seine Arme um meine Taille. Er gab mir einen Kuss, doch sein Gesicht war verspannt.

„Bis später"- Jay und verließ das Zimmer.

„Bis dann"-nuschelte ich und setzte mich auf mein Bett. Es gab Momente, da war Jay eben Jay und da konnte auch ich nichts an ihm ändern. Eine halbe Stunde später klopfte es an der Zimmertür und Dom kam rein. Er gesellte sich zu mich, tippte auf seinem Handy rum und wir sahen schweigend ab und zu auf den Fernseher.

„Kannst du noch?"-ich. Er sah mich nachdenklich an.

„Ich ja"-er

„Aber?"-ich skeptisch.

„Tyson macht langsam schlapp"-er seufzend.

„Ja, das stimmt."-ich.

„Was meinst, wie geht es Jay momentan?"-Dom beiläufig.

„Wenn ich das mal wüsste"-ich seufzend.

„Er nimmt noch Tabletten, oder?"-er

„Ja, ziemlich hochdosierte."-ich

„Eigentlich sollte er doch fast durch damit sein"-Dom verwundert.

„Irgendwie sind die Schmerzen wieder da"-ich. Dom seufzte und lehnte sich zurück. Wir schwiegen und ließen uns von englischem Fernsehen beschallen. Gegen 2am klingelte plötzlich Doms Handy. Er ging ran.

„Ja?"-er. Interessiert sah ich ihn an, doch Dom wirkte angespannt. Dann wirkte er nervös und schließlich legte er auf und sprang förmlich auf.

„Komm mit! Wir müssen zu den anderen!"-er und riss mich vom Bett. Ich zog Vans über, nahm Handy und Zimmerkarte und folgte Dom zum Fahrstuhl. Wir liefen durch die Lobby und er stieg in irgendein Taxi, das vor dem Hotel stand.

„Zum Krankenhaus bitte"-Dom außer Atem. Fragend sah ich ihn an.

„Jayson hat gesoffen"-er und spuckte das letzte Wort regelrecht aus. Mit großen Augen sah ich ihn an.

„Er hat Schmerztabletten geschluckt! Zweimal heute!"-ich schockiert. Dom nickte und sah angespannt aus dem Fenster.

„Darum liegt er jetzt im Krankenhaus"-er seufzend.

Weit weg von perfekt.Where stories live. Discover now