Kapitel 2: Der Austausch, Klappe die zweite

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Jade: 

Mein erster Gedanke war, als ich auf den Bildschirm meines PC starrte, genau dieser: Welcher Stalker hatte meine E-Mail Adresse? Meine Aufregung verzog sich sofort, als ich las, von wem die Mail stammte und ich rollte mit den Augen, der Stalker wäre wesentlich spannender gewesen! Natürlich war ich in der letzten Deutschstunde nicht anwesend gewesen, aber dort mussten sie anscheinend schon bestimmt die E-Mail Adressen aufgeschrieben und der deutschen Schule gesendet haben. Vermutlich hatte Lara meine Adresse verraten, da mir sonst keiner spontan einfiel, der von unserer Schule meine E-Mail Adresse hatte und ja, der Streber hatte sie nur wegen einem Projekt, dass ich mit ihr hatte machen müssen.

Ansonsten schrieb ich nur per Whatsapp, denn ganz ehrlich: E-Mails schreiben war genauso langweilig wie Briefe zu verfassen, bei den SMS oder Nachrichten konnte man wenigstens Emojis hinzufügen und so nicht einen Roman schreiben, wie man sich fühlte. Natürlich konnte man auch auf der Tastatur es so hinbiegen, das am Ende auch Smileys auf dem Display standen, aber auf diese umständliche Art und Weise hatte ich keinen Bock. Ich lehnte mich in meinem Schreibtischstuhl für ein Weilchen zurück, beobachtete gelangweilt die Decke, bevor plötzlich ein Grinsen meine Lippen umspielte, da ich eine Idee hatte. Diesen Kommentar würde sie nicht kommen sehen! Ohne weiter nachzudenken, tippte ich drauflos, lies einfach meinen Gedanken freien Lauf und war Sekunden später zufrieden mit meinem Ergebnis, bevor ich auf „Senden" drückte:

„Keine Ursache, Süße ;). Hab auch haufenweise Lehrer, die mir das Leben zur Hölle machen und nicht locker lassen, bis der Mist gegessen ist. Und zum letzten Satz: Dito ;) - xoxo Jade"

Ja, ich konnte es einfach nicht lassen, solche frechen Kommentare von mir zu geben, ich liebte es einfach, egal ob Junge oder Mädchen, den Kopf zu verdrehen, obwohl ich mir zu hundert Prozent sicher war, dass ich hetero war. Ich legte meine Beine auf den Tisch und lehnte mich zurück, den Blick angestrengt auf den Bildschirm gerichtet.

Nach 10 Minuten verlor ich die Geduld und drückte diese Emotion mit einem genervten Seufzer laut aus. Wann schrieb dieses Mädchen aus Deutschland mal endlich zurück? Ich wollte ihre Reaktion einfach sehen, meistens hatte es geheißen: „Äh, ja klar..." oder auch: „Ich hab einen Freund, du Lesbe!" Letzteres wusste ich nur mit einem scharfen Kommentar zu kontern und Ersteres von beidem war einfach nur ein Ansporn für mich, weiterhin dieses Mädchen zu ärgern. Als etwas aufblinkte, erkannte ich die Nachricht und las sie sofort: „Ok, war das ein Ansporn, einfach mal weiter zu schreiben? Da bist du nicht die Einzige, die das bei mir versucht ;). Oh und eines noch: Gehe ich also davon aus, dass wir weiterschreiben werden? – Macy"

Ich legte meinen Kopf zur Seite und wieder glitt mein Blick ins Leere, wir waren quitt, denn mit so einer Antwort hätte ich nie gerechnet. Sonst war keiner so mutig mir gegenüber... Jedoch war es möglich, dass sie vielleicht in Wirklichkeit völlig anders und nur online so direkt war? Ich hatte schließlich noch keine Ahnung, mit wem ich es hier zu tun hatte. Ihren Namen kannte ich nun, aber ich musste noch wissen, wie sie tickte und welche Schwächen sie hatte. Oder zu welchen schlechten oder auch guten Angewohnheiten sie neigte. Ja, erst dann würde ich es schaffen, sie zu dem zu bringen, was ich wollte. Denn ich konnte weder eine Quasselstrippe noch einen introvertierte Stubenhockerin in meiner Nähe ertragen und sie sollte mich mit dieser gespielten Freundlichkeit bloß in Ruhe lassen!

Ebenfalls war ich nicht zum „Lernen" in Deutschland, sondern um das Beste aus diesem aufgezwungenem Austausch zu machen. Okay, was konnte man aus einem „Lernausflug" der Schule machen? Es würde besonders schwer werden, da gerade zwei meiner verhassten Wörter in diesem Satz waren. Ich musste mich einfach erst einmal auf diese blöde Kennenlernen-Sache einlassen, bis ich einfach dort hinreisen und sie persönlich sehen würde.

„So viele Fragen für einen einzigen Chat... Zerbreche dir mal nicht deinen hübschen Kopf darüber, natürlich schreiben wir weiter ;)- Jade"

Okay, dieser Strichpunkt mit Klammer wurde mir zu öde. Sollte ich einfach nur einen Doppelpunkt und einen Stern dahinter schreiben? Urgh, genau deswegen hasste ich es, E-Mails zu schreiben! Wo war der schmunzelnde Smiley, wenn man ihn brauchte? Ich schüttelte den Kopf, Schluss mit dieser gefälschten Nettigkeit, ich war raus! Je weniger Mails, umso weniger Kopfzerbrechen. Das war fast dasselbe wie mit der Schule, umso weniger davon, umso weniger Stress. Ich schaute auf den Stapel Übungsaufgaben für die nächste Englischarbeit, sollte ich ernsthaft in Erwähnung ziehen, mir diesen Mist auch noch anzutun? „Vergiss es!" Dachte ich nur abfällig. Die Hälfte der Arbeit konnte ich eh schon aus dem Effeff. Deswegen fand ich es auch nutzlos, in den Deutschunterricht zu kommen, da mein Vater aus Deutschland kam und ich jedes Statement von Mama manchmal nochmal in Deutsch für Papa wiederholen musste. Ich war einfach ein Ass in Sprachen, egal in welcher.

My Frenemy (GirlxGirl)Where stories live. Discover now