Kapitel 1

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Seit Tagen habe ich nichts mehr gegessen und auch nichts mehr gesprochen. Ich liege einfach nur auf meinem Bett und starre die Decke an.

Nun bin ich schon mehr als eine Woche hier in Schweden bei meinen Verwandten, die mich zum Glück mit offenen Armen aufgenommen haben.

Trotzdem habe ich mich nur im Gästezimmer verschanzt. Meine Familie macht sich Sorgen um mich, daher kommt meine Tante auch jede Stunde nach mir sehen.

Sie bietet mir jedesmal an mir etwas zu kochen oder sie fragt ob ich darüber sprechen will. Nur bei meiner Ankunft habe ich alles erzählt was in den letzten Jahren alles passiert ist, seitdem hat kein Ton meine Lippen verlassen.

Ich kann nichtmal schlafen, denn jedesmal wenn ich meine Augen schließe, sehe ich Jack vor mir und das ertrage ich nicht.

Am liebsten würde ich weinen, doch es kommt einfach nichts mehr, es ist als wären alle Tränen aufgebraucht.

Am liebsten würde ich laut schreien, doch ich kann nicht. Die Stimmen in meinem Kopf wiederholen in Dauerschleife, was ich alles falsch gemacht habe und das ich Schuld daran bin, dass er mich betrogen hat.

Ich bin innerlich am sterben, nur zeige ich das nicht. Gefühle verspüre ich nicht, ich bin einfach nur noch eine leere Hülle. Es wäre eine Erlösung für mich, das Ganze einfach zu beenden. Vielleicht könnt eich dann endlich glücklich werden, frei sein.

Es klopft an der Zimmertür, wahrscheinlich nur wieder meine Tante. Leise und vorsichtig wird das quitschende Stück Holz geöffnet.

"Allison?" meine Stirn legt sich in Falten, es eine männliche Stimme. Sie ist mir fremd, aber trotzdem irgendwie so bekannt.

Die Matratze senkt sich und eine große raue Hand berührt meine. "Meine kleine Lis..." murmelt die Person und malt mit seinem Daumen kleine Kreise auf meinen Handrücken.

Mein Blick fällt auf die Person, meine Augen weiten sich. "Michael?" frage ich unglaubwürdig mit heiserer Stimme, er nickt mit einem schwachen lächeln.

Er ist älter und reifer geworden, das sieht man ihm an. Längere dunkelblonde Haare und männlichere Gesichtszüge. Seine braunen Augen sehen mich an, ein trauriges lächeln umspielt seine Lippen.

"Es tut mir alles so leid." entschuldigt er sich, seine Stimme bricht am Ende ab und Tränen füllen seine Augen.

"Was denn?" hake ich nach. "Das du in der Schule gemobbt wurdest und ich nicht da war. Das ich dich nie vor unseren Monstern von Eltern nicht beschützen konnte." antwortet er und macht eine kurze Pause, bevor er weiterspricht.

"Ich hätte nicht zulassen dürfen, dass Dad dich so behandelte wie er es getan hat. Du kannst keinen Schlag verdient und auch keines der Wörter, welche er dir an den Kopf geworfen hat. Ich hätte nicht einfach abhauen sollen. Aber ich wollte nur weg von der Hölle und habe dich zurück gelassen, dir ihnen wehrlos ausgeliefert. Die Schuldgefühle blagen mich bis heute, das kann ich mir einfach nicht verzeihen. Ich würde auch verstehen, wenn du mich jetzt hasst, denn ich habe es verdient." immer mehr Tränen strömen über seine Wangen.

Ohne groß darüber nachzudenken, setze ich mich auf und schlinge meien Arme um ihn. "Ich könnte dich nie hassen. Das was pssiert ist, war nicht deine Schuld." flüstere ich in sein Ohr, seine Arme schlingen sich nun auch um mich.

"Weißt du eigentlich wie sehr ich dich vermisst habe?" fragt er nachdem wir uns wieder voneinander lösen, ich schüttle den Kopf. "Ich habe nie aufgehört meine kleine Schwester zu lieben." sanft küsst er meine Stirn, ich schließe meine Augen.

"Soll ich dir erzählen was in den letzten Jahren ohne dich so passiert ist?" frage ich, er verneint. "Nicht jetzt, das würde ich nicht aushalten im Moment. Aber ich könnte dir erzählen, was ich so gemacht habe." schlägt er vor, ich nicke.

"Anfangs bin ich einfach nur planlos herum geirrt und habe immer wiede kleine Jobs angenommen. Ich habe mich durch das Leben geschummelt, bin per Anhalter gefahren oder habe auf Bänken geschlafen. Nach einem halben Jahr hatte ich dann genug Geld, um hier nach Schweden zu fliegen. Genuso wie du, bin ich hierher gekommen und bin auch hier geblieben. Ich fand eine Freundin, mit der ich aber seit längerem nicht mehr zusammen bin. Doch ich habe das größte Geschenk von ihr bekommen, was ich mir je erträumt habe." erzählt er, verwirrt sehe ich ihn an.

Er steht auf und reicht mir die Hand. "Komm mal mit." ich ergreife seine Hand und lasse mich von ihm aus dem Zimmer führen.

Wir gehen hinunter ins Wohnzimmer. Tante Susanne hat ein kleines Baby auf dem Arm, wahrscheinlich ein paar Monate alt.

"Lis, darf ich dir mein größtes Geschenk, meinen Sohn, vorstellen?" er nimmt unserer Tante den kleinen Jungen ab und stellt sich vor mich. Mit offenen Mund bewundere ich das kleine Geschöpf.

"Dein Sohn?" ich kann es nicht glauben. "Ja, Thomas ist mein ganzer stolz." als ich höre, wie er heißt, steigen mir wieder Tränen in die Augen. Thomas.

"Darf ich ihn halten?" frage ich. "Aber klar doch." antwortet mein Bruder und überreicht mir meinen Neffen. Er lächelt mich an, seine blauen Augen strahlen pure Lebensfreude aus.

Eine Träne kullert mir über die Wange und ein lächeln breitet sich auf meinen Lippen aus. Jetzt spüre ich wieder etwas, pure Freude und Liebe. Ich halte in meinen Arm den Grund, warum ich nun wieder einen Sinn darin gefunden habe, das Leben nicht aufzugeben.

Für ihn, werde ich alles geben, um aus meinen Depressionen zu kommen. Und ich schwöre zu Gott, diesem wundervollen Wesen nichts schlimmes passieren, dafür sorge ich und wenn es das letzte ist was ich tue.

She's Back (Magcon FF)Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt