10| Feinfühlende Freundin

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„Außerdem werden wie jedes Jahr wieder ein Stück von der Theatergruppe unter Ms. Jiménez -" „Es heißt Jiménez! Die Betonung auf das mé!", rief niemand anderes als Ms. Duck dazwischen. Ja, ich sah es nicht ein, sie anders als Ms. Duck zu nennen. Der Name war viel unkomplizierter.

Räuspernd fuhr die Direktorin fort: „Wie bereits erwähnt, wird die Theatergruppe am Ende unseres Halbjahres ein Stück aufführen. Welches werden wir noch früh genug erfahren, hoffe ich doch. Und ebenfalls wird es auch dieses Jahr einige Kursfahrten geben! Einmal der Lateinkurs, welcher für zwei Wochen nach Italien fliegen werden. Der Französischkurs hingegen wird nach Frankreich fliegen, jedoch nur für eine Woche."

Sofort brach Getuschel aus und eine aufgeregte Atmosphäre herrschte zwischen den Schülern. Irgendwie freute man sich auf die Ausflüge immer am meisten. Leider war ich aus meinem Freundeskreis die einzige, die nach Italien fliegen würde. Einzig alleine Mel wäre dabei, aber mit ihr war ich nun nur noch beschränkt befreundet.

Aber wenigstens wusste ich, dass Logan und Jack ebenfalls Latein hatten. Dann wäre ich nicht vollkommen alleine.

„Wir sind noch nicht fertig!", rief Mrs. Skyrunner, woraufhin ein ohrenbetäubendes Quietschen ertönte. Kurz zuckte ich zusammen, aber das war es auch schon, während von überall lautes, schmerzerfülltes Stöhnen erklang und ein Blick nach hinten zeigte mir, dass die meisten sich die Ohren zuhielten.

-

Nach der Versammlung, die bereits zwei Stunden beansprucht hatte, hatten wir noch sechs Stunden Schule, die wir alle über uns ergehen ließen. Nach diesen sechs Stunden wiederum war es bereits sechszehn Uhr, aber dennoch war es sehr warm aufgrund der prallen Sonne. Und ein weiteres Mal war ich froh, dass ich einen Rock trug, welcher nicht an meinem Körper kleben konnte.

Während Logan weiterhin mit Ashley flirtete, wendete sich mein Kopf wie automatisch zu dem Parkplatz. Es war wie ein innerlicher Drang, dorthin zu schauen, also ließ ich ahnungslos meinen Blick schweifen und erblickte zwei blaugrüne Augen, welche mich skeptisch anschauten. Mein Atem stockte und ertappt ließ ich meinen Blick weitergleiten und erkannte Jason, wie er amüsiert auf Nathan einredete.

Was passiert hier gerade? Warum schaut Nathan mich an?

Auch, wenn ich meinen Blick abgewendet hatte, spürte ich noch Nathans Blick auf mir. Warum, verdammt nochmal, schaute er mich an? Auch nach einigen Minuten, in denen die anderen miteinander gespaßt und gelacht hatten, spürte ich seinen Blick auf mir.

Zögernd zog ich meine Augenbrauen zusammen und drehte mich wieder zu dem Übeltäter um. Sein Blick hatte sich von skeptisch auf amüsiert geändert und er grinste mich an. Jedoch beunruhigte mich sein Funkeln in den Augen, während Jason ihn mit zusammengekniffenen Augenbrauen und aufeinander gepressten Lippen gestresst anschaute.

Was zum Teufel heckten die beiden bloß aus?

Ich hatte nicht gemerkt, dass ich sie anstarrte, bis Nathan mir einen Kussmund zuwarf, mir jedoch sofort danach den Rücken zukehrte. „Arschloch", wisperte ich vor mich hin, ehe mich Ashleys „Was?" zusammenzucken ließ.

„Nichts, nichts", murmelte ich abwesend, ehe ich mich zu ihnen drehte. „Aber-" – „Hört mal, ich muss jetzt los, ich glaube, mein Bruder holt mich heute ab. Bis morgen", wimmelte ich sie ab, um Fragen zu vermeiden. Zwar war mein Bruder momentan noch immer in der Uni, aber das musste ja keiner wissen. Hier ganz in der Nähe war ein kleiner See, den man nur durch einen unscheinbaren Gehweg durch den Wald erreichte, welcher versteckt hinter der Schule war.

Es störte mich nicht, eine Weile dort zu verbringen bis mein Bus kommen würde. Normalerweise fuhr direkt ein Bus um 16:05 Uhr, also hatte man fünf Minuten Zeit, diesen Bus zu bekommen. Aber irgendwie hatte ich die Zeit aus den Augen verloren, sodass ich auf meinen nächsten Bus warten musste, welcher erst in einer Stunde kommen würde.

Mit den Blicken meiner Freunde auf mir machte ich mich also auf dem Weg hinter die Schule, als ich ein weiteres Mal gerufen wurde. „Hey, Süße, warte mal! Clary!", erklang eine bekannte, klare, aber zeitgleich recht hohe Stimme und kurz darauf das schwere Klacken von Absätzen. Ehe ich mich umdrehen konnte, tauchte ein blondhaariges engelsgleiches Mädchen in mein Blickfeld. Es war niemand geringeres als Mel.

Kurz umarmte sie mich, ehe sie mich lieb anlächelte, was ich leicht verwundert erwiderte. Sie sprach mich nie an, wenn ich alleine war.

Zumindest nicht mehr, seit sie so beliebt geworden war. Eher lästerte sie dann über mich.

„Hey Mel, was gibt's?", fragte ich sie und strich mir eine Strähne, welche aus meinem Zopf gefallen war, aus meinem Gesicht. „Nichts, ich habe dich nur gerade gesehen und wollte dich begrüßen", grinste sie und zeigte mir ihre weißen Zähne, „ach, und hast du schon die Neuen kennengelernt? Die Jungs sind so heiß!"

Zustimmend nickte ich: „Ja, ich habe einige bereits kennengelernt. Sie sind größtenteils alle nett", lächelte ich leicht.

„Vor allem der Schwarzhaarige. Wenn ich ihn schon sehe, würde ich ihn am liebsten auffressen", fing sie an zu schwärmen und klimperte dabei verträumt mit ihren Wimpern. Pubertierende Teenager, pff. „Glaubst du, er würde ja sagen, wenn ich ihn nach einem Date frage?", sprach sie unbeirrt weiter.

Augenblicklich erstarrte ich und schaute sie ungläubig an. „Hör mal Mel, das ist keine gute Idee... Ich habe kein gutes Gefühl bei ihm." - „Claire, ich habe dich nicht gefragt, was für ein Gefühl dabei hast. Gerade du, die unschuldige Marie, willst mir Beziehungstipps geben? Du hast noch nicht einmal deinen ersten Kuss hinter dir", zischte sie mir spöttisch zu und blickte mich mit einem seltsamen Blick an.

Verständnislos erwiderte ich ihren Blick. Ich hatte aber wenig Lust zu diskutieren und trug ein stumpfes „Okay" der Unterhaltung bei. War ja nicht so, dass sie zu mir gekommen war.

Schuldbewusst blickte sie mich an. Sie war eine grandiose Schauspielerin. „Es tut mir leid, ich hab nicht so ganz nachgedacht. Es ist einfach so, dass er doch total nett wirkt. Ich mein, er hat dich letztens auch in das Krankenzimmer getragen, als du deine riesige Blamage hattest", kicherte sie leicht. Was für ein großes Feingefühl sie besaß.

Aber wenigstens hatte Nathans Plan funktioniert. Glück für ihn.

Freue mich über Bewertungen und Kommentare:)~xT

Please, not again ✔Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt