49| Trauer &' Stalker

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„Jack...", sprach ich zu ihm und versuchte, mich zu sammeln und mir Worte zurechtzulegen, die ihn möglichst wenig verletzten.

Fragend blickte er mich an. Mit Hoffnung, Misstrauen und Verwunderung. Es brach mir das Herz, es tun zu müssen, doch entkam ich dem nicht: „Es tut mir leid, aber ich kann nicht. Ich wusste nicht, dass du direkt in diese Richtung gedacht hast. Wenn ich es gewusst hätte, dann hätte ich dir niemals Hoffnung machen wollen. Wirklich, du bist jemand Wundervolles, aber wir kennen uns kaum, ich kann dir die Gefühle nicht erwidern. Verzeih mir."

Mit einem Mal wichen die Emotionen in seinem Gesichtsausdruck. Ich sah, wie sich ein Lächeln auf seine Lippen schlich. Doch sah es gefälscht aus. Erzwungen. Seine Augen strahlten nichts mehr aus als Leere und Härte. „Okay, gut. Ich glaube, ich sollte... ehm... gehen. Bis morgen."

Ich hielt ihn nicht auf; so hatte ich zu Genüge aus Selbstsucht gehandelt.

Mein Blick schaute auf die offene Tür, aus welcher Jack soeben verschwunden war. Hatte ich so eben unsere Freundschaft zerstört? Ich hoffte nicht, denn so mochte ich ihn. Ich fühlte mich in seiner Nähe normalerweise wohl und er lenkte mich von den Problemen ab, aber das war's auch schon.

Ich verstand nicht, wie er sich überhaupt in mich verlieben konnte, wenn wir uns nur in der Schule sahen und selbst dort selten miteinander redeten, weil er bei den Sportlern war. Aber ich wusste, dass ich es furchtbar bedauernd würde, ihn zu verlieren.

Ein erneutes Klopfen ließ mich erschrocken zusammenzucken und schlagartig zur Quelle schauen. War Jack zurückgekommen?

Nope.

Ungläubig blickte ich die Gestalt an, welche vor mir erschienen war und mir andeutete, still zu sein, um dann meine Sachen durchzuwühlen. Es machte mich wütend, dass sie dachte, ohne Erlaubnis so etwas tun zu dürfen aber der ernste Ausdruck ließ mich innehalten.

Mit dem Finger gab sie mir das Zeichen zu schweigen, woraufhin ich nur nickte. Sie jedoch starrte mich immer noch auffordernd an. Fragend blickte ich der Person entgegen. Weil ich bemerkte, dass die Person den Blick nicht von mir abnahm, tat ich es ihr gleich und legte auch meinen Zeigefinger auf die Lippen. Erst dann drehte sich die Person zufrieden um.

Lass es einfach. Man versucht nur, dir zu helfen. Hoffe ich.

Meine Muskeln schienen wie eingefroren, lediglich das leichte Zittern aufgrund der kühlen Abendluft bewies mir, dass ich noch in der Lage war, mich zu bewegen. Ich wollte fragen, was los sei, doch es kam nichts aus meinem Munde. Und obwohl ich eigentlich Angst haben sollte, weil Nathan eingebrochen war, fühlte ich mich nicht bedroht.

Nathan drehte sich zu mir um. Er grinste mich schief und anzüglich an, während er meine Unterwäscheschublade in der Hand hatte. Dabei erkannte ich in seinen Augen den Schalk, dass ich einfach schwieg. Wahrscheinlich wunderte er sich über mein Stillsein.

Letzten Endes wunderte ich mich selber höchstwahrscheinlich mehr als er. Es war für mich untypisch, weil ich zugegeben oft vorlaut war. Vor allem, weil er gerade definitiv die Gemütlichkeitsgrenze überschritt. Doch die Seriosität hinter seinem Grinsen veranlasste mich dazu, ihn nicht anzumeckern. Ich vertraute ihm.

Dann drehte er sich wieder um und suchte weiter. Auf meinem Schreibtisch. In meinem Schrank. In meinem Bett. Selbst meine Lampen nahm er auseinander, stöberte in meiner Tasche und schenkte ihr seine volle Aufmerksamkeit.

Zwei Jungs innerhalb von zehn Minuten im Zimmer. Respekt, Claire.

Als wenige Minuten vergingen, in denen lediglich die Musik zu hören war und ich mein – aufgrund seiner Suchaktion ziemlich unordentlich – Zimmer betrachtet hatte, wurde mir das zu bunt. Ich erhob mich und begab mich zu Nathan, welcher auf dem Boden saß und gerade meine letzte Handtasche durchforstete, die ich meist immer benutzte, wenn ich unterwegs war.

„Was-" Bevor ich überhaupt etwas fragen konnte, hatte er mich an der Hand geschnappt und euphorisch hinuntergezogen. Ich war ihm nahe. Meiner Meinung nach ein wenig zu nahe und ich spürte bereits, wie mir die Röte in mein Gesicht schoss.

Ich fragte mich, ob ihn das manchmal auch leicht nervös machte, wenn wir einander nahe waren. Okay, dumme Frage eigentlich, weil dies auch nicht so oft vorgekommen war. Nur, wenn er mich jedes Mal vor irgendetwas gerettet hatte. Wobei mir auffiel, dass immer er es war, welcher mich in einer kniffeligen Situation rettete.

Sein Strahlen im Gesicht ließ mich stocken. Er sah unglaublich jungenhaft und spitzbübisch aus in diesem Moment. Wie ein kleiner Junge, welcher sich über einen kleinen Welpen freute. Ein Welpe würde zu ihm passen. Irgendwie. Ich wusste nicht, was in diesem Moment mit mir abging, aber es sah wirklich niedlich aus, wie er sich zu freuen schien.

Automatisch lächelte ich zurück und lenkte meinen Blick zu seiner Hand, welche er mir triumphierend entgegenstreckte. Zwei kleine schwarze Teile waren in seiner Hand zu sehen, welches verschiedene Kabel an ihnen hängen hatte.

Gerade wollte ich ansetzen, etwas zu sagen, als er mir dramatisch seinen Zeigefinger auf die Lippen presste, um mir damit unauffällig anzudeuten, still zu sein. Unauffällig. Haha. Sicher.

Selbstbewusst wie ich war ignorierte ich den Stromschlag, welcher von meinen Lippen ausging.

Nichtsdestotrotz schwieg ich dann und beobachtete ihn dabei, wie er - vorher einen Blick zu den geschlossenen Vorhängen riskierend - eines der Kabel abriss. Und dann alle anderen. Sehr vorsichtig und professionell natürlich und nicht aufgeregt und hektisch. Ironie ließ grüßen.

„Okay", fing er dann glücklich und ernst zugleich an, während er die erste Silbe langzog. „Okay?", erwiderte ich, die zweite Silbe langziehend. „Okay", begann er erneut und zog diesmal auch die zweite Silbe lang, während er den Augenkontakt aufrecht hielt. „Okay, das reicht jetzt", beendete ich unser niveauloses Gespräch und fing an zu lachen. Mit seiner tiefen Stimme erwiderte er es. „Okay."

Wir erhoben uns und begaben uns auf mein Bett - beide im Schneidersitz uns gegenüber - wo ich ihm einen erwartungsvollen Blick schenkte. „Warum bist du gekommen und was war das gerade für eine Aktion?", fragte ich ihn neugierig und lehnte mich automatisch etwas vor. Aufgrund seiner Größe musste ich etwas hinaufschauen, was mich aber nicht weiter störte. Hochschauen war ich mittlerweile bereits gewohnt.

„Ich habe dir eine Nachricht auf Whatsapp geschrieben, dass ich vorbeikomme. Übigens, herzzerreißendes Liebesgeständnis von Jack, hätte aber deutlich gekürzt werden können. Es war anstrengend am Fenster rumzuhängen. Wortwörtlich. Wie auch immer.

Ich habe über deine Worte nachgedacht. Dass er dir sofort gedroht hatte, nachdem du Aidan etwas erzählt hast. Die einzig logische Erklärung ist, dass er dich abgehört haben muss. Ich habe nach dem Mikrofon gesucht. Und es gefunden.

Die Frage ist jetzt aber, wie er es geschafft hat, dir das Mikro unterzujubeln?"

Okay, spätestens jetzt will ich ein paar Theorien hören;D
Freu' mich über Votes und Kommis! xxT~♥

Please, not again ✔Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt