38| Das Verlangen, aufzugeben

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Es gab Tage, an denen man keinerlei Sorgen hatte. Einfach nur das Leben genoss, sich amüsierte und all die Probleme bei Seite schob. Jedoch gab es auch Tage, an denen eben diese aus dem Nichts auf dich sprangen, dich Stück für Stück überwältigten und du kurz davor warst, in einem Haufen von Chaos unterzugehen.

Ich befand mich seit meinem elften Lebensjahr abwechselnd und unausweichlich zwischen solchen Tagen. Verhältnismäßig waren die gute Tage im Durchschnitt überwiegend. Vielleicht, weil ich Freunde um mich herum hatte. Vielleicht auch, weil ich viel zu tun hatte, aber ganz vielleicht auch, weil ich noch nie in der geistlichen Verfassung war, das Erlebte je verstehen zu können, geschweige denn zu realisieren.

Ich wusste es nicht.

Ich wünschte mir, ich würde einfach einschlafen oder ohnmächtig werden, um meinen Gedanken entgehen zu können. Aber das wäre viel zu schön für mein Schicksal. Stattdessen kauerte ich traumatisiert auf den Sitzen eines Autos, während ich verängstigt durch das Fenster blickte. Die Straßenlaterne auf der anderen Seite spendete wenig Licht, aber mir war es lieber, wenn ich nichts sehen würde in diesem Moment.

Das schlechte Gefühl in mir hatte sich fest verankert und schrie mir permanent zu, dass das zu viele Zufälle auf einmal waren. Dass das erst der Anfang war. Zwar versuchte ich mich selbst damit zu beruhigen, dass es einfach meine Unaufmerksamkeit war, doch helfen tat dies wenig.

Nathan hatte sich auf den Weg in die Bar gemacht, um den anderen Bescheid zu sagen. Währenddessen hatte er sein Auto abgeschlossen, mit der Begründung, dass hier schräge Menschen herumlaufen würden.

Mit schräg meinte er vielleicht auch einfach nur psychopathisch.

Verzweifelt zerrte ich an meinen Haaren und schenkte der Gasse einen bösen Blick. Zwar würde ich niemanden umbringen können durch meinen Blick, aber das brauchte ich nicht. Denn in dieser Gasse hatte ich bereits jemanden umgebracht.

Bedrückt senkte ich meinen Blick. Allein für den Gedanken schämte ich mich, denn dieses Mädchen hatte alles andere verdient, als auf solch eine ekelige Art zu sterben.

Würde ich jemals in der Lage sein, dieses Ereignis zu vergessen? Meine Schuld zu begleichen? Oder würde ich für immer eine betrügerische Mörderin auf Flucht sein?

Das Geräusch des Autos, welches durch das Aufschließen ausgelöst wurde, entlockte mir einen Schrei. „Du kannst mich nicht so erschrecken", krächzte ich ihm entgegen und blickte auf meine Hände. „Wow, ist das ungewohnt. Eine nicht vorlaute Claire? Bin ich im falschen Auto?", bekam ich erwidert. Ich ignorierte dies aber gekonnt. Zumindest äußerlich.

Denn er lag nicht falsch damit, dass ich mich komplett verändert hatte seit Anfang des Schuljahres.

„Dean hat mir befohlen, dich sofort nach Hause zu fahren. Naja, eigentlich wollte er dich fahren, aber Mr. Davis kam hinzu und hat ihn beruhigt. Er wird aber wahrscheinlich noch mit dir sprechen wollen, ich habe seinen verwirrten Blick gesehen. Aidan ist der gleichen Meinung, er will sofort mit dir reden", fing er wieder an und zog meine Beine von dem Sitz. Dann beugte er sich über mich und schnallte mich an, während ich monoton in die Gasse schaute.

Diese gottverdammt verfluchte Gasse.

Als ich plötzlich etwas erkannte, zog ich meine Augenbrauen zusammen, während ich versuchte, durch zusammengekniffene Augen besser zu sehen.

War da jemand? Ich sah einen Schatten an der Wand, die eigentlich von der Laterne hätte beleuchtet werden sollen. Er bewegte sich nicht, aber ich sah, dass der Schatten entweder mit dem Rücken zu uns gedreht war oder direkt zu uns blickte.

Please, not again ✔Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt