42| Atemnot &' Ängste

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Furcht erklomm meinen Verstand bis zur Spitze. Mein Inneres schlug die Alarmglocken und auch merkte ich, wie sich mein Körper selbstständig machte. Wie ich mich versteifte, mit weit aufgerissenen Augen und zitternden Händen. Ich war unfähig, mich zu rühren. Es war genau das passiert, was ich befürchtet hatte. Ich war wieder mittendrin.

„Claire?", sprach die ruhige Stimme von Nathan mich an. Doch ihm antworten konnte ich nicht. Noch immer starrte ich mein Handy an, dessen Display sich schon längst ausgeschaltet hatte. Lediglich der starre Blick von mir selbst durchdrang meinen Verstand.

„Hey, atme! Hörst du? Tief ein und wieder aus", stupste er mich sanft aber dennoch kräftig an. Mein Gesicht wurde am Kinn zur Seite gedrückt und ein seltsames Gefühl überkam mich. Seine Berührung jagte mir Angst ein.

Mein Zurückzucken überspielte er. Stattdessen blickte er mir abwechselnd in meine Augen, so intensiv, dass ich daran zweifelte, in der Realität zu sein. Das Farbenspiel seiner Augen lenkte mich ab und faszinierte mich auf ihre eigene Art und Weise. Nichtsdestotrotz konnte ich die Nachricht nicht ignorieren; nicht vergessen. So einfach war das Leben nicht.

Wie befohlen atmete ich tief ein und aus. Ich hatte nicht einmal bemerkt, dass ich vor Schock die Luft angehalten hatte. Als er mich fragte, was los sei, antwortete ich nicht. Ich senkte meinen Blick auf mein Handy und stellte mich dem Fragenwirrwarr meines inneren Durcheinanders.

Wie hatte er meine Handynummer bekommen können? Vor fünf Jahren hatte ich noch kein Handy, erst seit ungefähr drei Jahren ein funktionales Smartphone. Dementsprechend hatte ich meine jetzige Handynummer noch nicht einmal ein ganzes Jahr, da ich sie einmal gewechselt hatte. Wie konnte das passieren?

Ich hatte gar nicht bemerkt, wie Nathan mir das Handy aus der Hand genommen hatte. Erst sein angespanntes „Wer ist das?", riss mich zurück in die Gegenwart. Verflucht seien mein nicht vorhandenes Passwort und mein guter Glaube daran, dass mein Handy niemals in die falschen Hände geriete.

„Nichts. Nichts, was dich angehen könnte."

Argwöhnisch blickte er mir in die Augen, mit einem Ausdruck in den seinen, die mir eindeutig sagten: „Willst du mich verarschen?"

Der Bus hielt an und ein Blick nach draußen zeigte mir, dass ich an der Schule angekommen war. Aber mein Verlangen zu meinem Rückzugsort verschwand, weil ich nicht alleine sein wollte. Aus Angst, er sei mir auf den Fersen. Den Gefallen, Nathan etwas von meiner Angst zu sagen, tat ich jedoch nicht.

In gewisser Weise brauchte ich dies auch gar nicht, weil wenige Sekunden später Nate zu mir sagte: „Du kommst mit zu mir. Ohne Wenn und Aber. Wir klären das." Die Szene erinnerte mich nur zu genau an das Geschehen wenige Minuten zuvor und erneut provozierte mich dieses Bestimmen über mich.

Mir blieb aber keine andere Wahl, als bei ihm zu bleiben, weil er meine Hand eisern umgriffen hatte und stur nach vorne blickte. Sein selbstgefälliges Grinsen jedoch ließ mich wütend schnauben. „Arschloch."

-

„Wie lange schon?", fragte er mich, während wir liefen. Noch immer hatte er mich an seiner Hand, doch diesmal umfasste er nicht mein Gelenk, sondern meine Hand in der seinen. Schon seit wir ausgestiegen waren, starrte ich unsere Hände an.

Sie waren nicht verschränkt, das hätte ich sonst so ziemlich seltsam gefunden. Aber es war dennoch erstaunlich, wie meine Hand fast in seiner verschluckt wurde. Sie passten so ungewöhnlich gut ineinander.

Nichtsdestotrotz genoss ich die Wärme, die von ihm ausging mehr als ich sollte. Sie gab mir aber ein Gefühl von Sicherheit, was wahrscheinlich der einzige Grund dafür war, dass ich ihm meine Hand nicht entzog.

Zu meinem Glück hatte er dies nicht gemerkt.

Ich wusste, was er wissen wollte, doch antworten tat ich nicht. Der Verstand eines Menschen ist nicht so naiv, dass man einfach irgendeinem Jungen vertraute, wenn man sechs Jahre nicht ein Wort über das Geschehen geredet hatte.

Und wenn ich schon meinem Bruder und meinen zwei besten Freunden die Wahrheit verschwieg, dann sollte er nicht denken, dass ich es ihm anvertrauen würde. Wir waren hier in keinem Roman mit Happy End, sondern in der gottverdammten Realität.

Er interpretierte mein Schweigen richtig, denn seufzend ließ er meine Hand los und bog plötzlich in eine Auffahrt ab. Augenblicklich durchströmte mich die Kälte meiner Umgebung. Ich hasste es, wenn man für längere Zeit aufgewärmt wurde und dann von einer auf die andere Sekunde mit der kalten Luft konfrontiert wurde.

Es war nicht so, dass er mir irgendwie sehr viel bedeutete, aber in Zeiten, in denen man sich einfach unsicher und alleine fühlte, war jede Nähe der Himmel auf Erden. Diese Situation war unmöglich unbekannt für irgendwen. Allein das Bett und die dazugehörige Decke waren das beste Beispiel dafür.

Meine Gedanken schweiften zu der Nachricht zurück. Wie konnte er überhaupt herausfinden, dass ich Aidan etwas erzählt hatte? Und was würde er jetzt machen? Unsicherheit nahm mich ein. Wollte ich die Antwort wissen?

Ein riesiges, weißes Gebäude tauchte vor mir auf. Wenn das sein Haus war, dann wollte ich definitiv nicht darin leben. Es sah für mich aus wie ein riesiges Schloss mit Verzierungen an Fenstern und Schnörkelmuster an den Säulen, die das Vordach hielten. An sich der Traum eines jeden Mädchens und ich liebte das Optische ohne Zweifel. Wohlmöglich würde ich es von innen sogar noch mehr lieben. Aber dieses „Haus" war selbst für das Bonzenviertel zu viel des Guten. Niemals würde ich so mit Geld prahlen wollen. „Ziemlich protzig, ich weiß. Meine Mutter mag es, mit Geld zu prahlen."

Darauf erwiderte ich nichts, sondern trat einfach in das Haus ein. Wie erwartet war es riesig und modern eingerichtet, aber zum genaueren Inspizieren blieb mir keine Zeit, denn er zog mich die Wendeltreppe hoch. Ich sah ab und an vor riesigen Türen Frauen und Männer in Anzügen oder hübschen Kleidern. Waren das Angestellte?

Einen Moment. War ich nicht schon einmal bei ihm? Das hier war ein anderes Haus. Dort, wo wir das letzte Mal waren war es sehr viel weniger protzig. Wobei ich zugeben musste, dass ich auf die Umgebung nicht geachtet hatte.

„Wir sind allein Zuhause. Beziehungsweise, meine Eltern sind nicht da. Vielleicht aber meine kleine Schwester." Genau in diesem Moment wurde eine Tür auf der rechten Seite aufgerissen und ein rosanes Bündel kam herausgeschossen. „Nath!", schrie eine kindliche Stimme und kurz darauf ertönte ein Kichern gemischt mit dem tiefen Lachen von Nate. Leicht lächelnd beobachtete ich die beiden, doch entkam ich dem Gefühl nicht, mich unerwünscht zu fühlen.

Neugierig blickte mich Roselyn an. Sie sollte mich eigentlich bereits kennen, aber ihr Gesichtsausdruck deutete darauf hin, dass sie mich nicht erkannte.

Ihr Blick machte mich nervös und in meinem Kopf suchte ich schon angestrengt nach einer Ausrede, von hier zu verschwinden. Aber seien wir mal ehrlich; so fing es doch in jedem Thriller an. Man nahm eine Drohung nicht für ernst und lief naiv durch die Welt und letzten Endes wurde man entführt, gefoltert und umgebracht.

Nun rauszugehen wäre genauso dumm wie der Vorschlag, in einer verlassenen Psychiatrie auf die glorreiche Idee zu kommen, sich aufzuteilen – wenn man davor schon irgendwelche Gegenstände durch die Gegend hat fliegen sehen.

„Sie macht mir Angst,Nath."    

ÜBERRASCHUNG~
Femke, du hattest Recht, ich wollte es nur nicht zugeben xD
Ich bin jetzt endlich 16~ Zwar muss ich auf den social medias mein Alter umändern aber who cares :3 
Hoffe, euch hat das äußerst originelle Kapitel gefallen:* :D Hinterlasst mir doch ein Vote oder Kommentar~♥

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