Wut

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Luxe

Die Fahrt verlief ziemlich schweigsam. Ich hörte Musik und starrte aus dem Fenster des Wagens, ignorierte dabei das Paar und die Fragen, die sie mir stellten und wartete darauf, dass wir endlich eine Pause machten.

Tatsächlich, nach zwei Stunden stauloser Fahrt erreichten wir einen Rastplatz. Als ich meine Kopfhörer absetzte erfuhr ich von Lina, dass wir hier eine kurze Essenspause machen würden und dann weiter fahren wollten.

Seufzend fügte ich mich meinem Schicksal und folgte den beiden zu dem Hauptgebäude des Rasthofes. Dort bog das Paar aber nicht zu dem McDonalds ab, sondern steuerte auf eines der teureren Restaurants zu.

Schnaubend blieb ich an dem Tisch stehen, an dem die beiden sich nieder ließen und meinte bestimmt: „Hier esse ich nichts."

Verwirrt musterte Tom mich und wollte dann scheinheilig wissen: „Warum denn nicht, Kleiner? Das Essen hier schmeckt ausgezeichnet und das Ambiente ist einfach hervorragend."

„Erstens: Nenn mich nicht 'Kleiner'. Wenn ich das richtig sehe, dann bin ich größer als du.
Zweitens, ich war schon einmal bei so einem Rasthof und das Essen war überteuert und einfach und nur schlecht.
Und drittens möchte ich so oder so nichts essen."

Bei meiner kleinen Ansprache wurde ich immer lauter, bis ich schließlich schrie. Einige Leute drehten sich zu uns herum, doch interessierte mich das nicht sonderlich. Ich wollte nicht in so einem Schickimicki-Restaurant essen.

Während Lina mich geschockt ansah und wohl nicht wusste, was sie noch sagen sollte, schien Tom nun wütend zu werden.

Der​ Mann erhob sich von seinem Stuhl, ich war tatsächlich etwas größer, und meinte gefährlich leise: „Luxe, setz dich bitte hin."

Ich trat etwas näher an ihn heran und wollte genauso leise wissen: „Was, wenn ich das nicht mache?"

Bei der provozierenden Frage schien meinem neuen Pflegevater der Kragen zu platzen, da er plötzlich nicht viel leiser wie ich am Anfang des Streitgesprächs sagte: „Setz dich hin, Luxe. Ich will endlich etwas Essen. Und du hältst mich nicht davon ab. Schlimm genug, dass ich wegen deiner Verspätung schon ein Meeting am späten Nachmittag verschieben musste.

Nein, du besitzt auch noch die Frechheit, mich in meinem Auto zu ignorieren und so zu tun, also würde sich alles nur um dich drehen. Wer auch immer dich erzogen hat, sollte sich schämen."

Als er mit seiner wütenden Rede geendet hatte starrte ich ihn einfach nur entgeistert an. Wer auch immer dich erzogen hat, sollte sich schämen. Immer wieder wiederholte ich die Worte in meinem Kopf, bis es mir schließlich zu viel wurde.

Mit vor Wut funkelnden Augen drehte ich mich von Tom weg und steuerte wortlos den Ausgang des Restaurants an. Meine zu Fäusten geballten Hände presste ich dicht an meinen Körper.

Auch wenn er es noch nicht wusste, mein Pflegevater hatte sich einen Feind gemacht. Niemand beleidigte meine Eltern. Während ich über den Parkplatz schlenderte und versuchte, runter zu kommen, um nicht auf Tom einzuschlagen, dachte ich an sie.

Sie waren die besten Eltern der Welt. Mein Vater, der mich immer darin bestärkt hatte ich selbst zu sein. Wie er mich zu dem Tattoostudio begleitet hatte, als ich mich für mein erstes Tattoo entschieden hatte, einen kleinen Lebensbaum auf meinem rechten Unterarm.

Wie er mich angefeuert hatte, wenn er mich zu den Basketball spielen begleitet hatte und wie er mir den Schulkram erklärt hatte, wenn ich es mal wieder nicht in meinen Kopf rein bekam.

Oder Mum, die immer alles mit mir gespielt hatte, selbst die neusten Games. Wie sie mir die Liebe zum Kochen nahgebracht hatte und mich tröstete, wenn mir etwas weh tat, ich Stress mit anderen hatte oder einfach nur jemanden brauchte.

𝔻𝕖𝕤𝕡𝕖𝕣𝕒𝕥𝕖 𝕃𝕠𝕧𝕖Where stories live. Discover now