Freude

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Luxe

Ich besuchte nun beinah zwei Wochen die Schule. Bisher war nichts nennenswertes passiert, nur ein, zwei kurze Störungen durch den Bitchsquad und die Gruppe rund um Luke.

Mit Ben und Lea hatte ich mich mittlerweile befreundet und heute, an einem wunderschönen Samstag, sollte ich mit Lea shoppen gehen. Welch Freude. Und Ben hatte sich gedrückt, obwohl er als Junge mit drei jüngeren Schwestern eigentlich wissen musste, wie anstrengend shoppen sein konnte.

Ich war momentan halbwegs zufrieden, was aber noch lange nicht bedeutete, dass mein Verhältnis zu Tom oder auch Lina sich verbessert hatte. Im Gegenteil. Tom und ich, wir schrien uns fast jeden Tag an und Lina stand daneben und versuchte, uns zu beruhigen. Meistens endeten unsere Diskussionen in eisigem Schweigen, das bis zum nächsten Streit anhielt. Rhyse war, seit er mich an meinem ersten Schultag gefahren hatte, nicht mehr da. Uni.

Seltsamerweise fühlte ich so etwas wie Sehnsucht nach dem Älteren. Weshalb? Keine Ahnung. Es war nur dieses ziehen, wenn der Platz neben mir mal wieder leer war. Auch jetzt, wo Tom und ich einander wieder anschwiegen und Lina sich bemühte irgendwie ein Gespräch zu beginnen. Rhyse hätte garantiert etwas gegen die unangenehme Stille machen können.

Doch weder Tom, noch ich gingen auf Lina oder diese Stimmung ein. Er las lediglich in seiner Zeitung und trank seinen Kaffee, während​ ich lustlos auf meinem Brötchen herumkaute. Gedankenverloren richtete ich meinen Blick aus dem Fenster. Das Wetter wurde von Tag zu Tag besser, also stand wohl eine Sommergarderobe auf der Einkaufsliste.

„Und, was willst du heute noch machen Luxe?", setzte Lina nun zu ihrem fünften Mal an.

Sie tat mir schon leid. Schließlich hatte sie es nicht verdient ignoriert zu werden, bemühte sie sich doch etwas. Also sprang ich über meinen Schatten und antwortete in meiner Großzügigkeit. Ich war echt ein Held.

„Ich gehe später mit Lea shoppen."

Lina setzte sich glücklich etwas aus. Sie war so leicht aufzumuntern. Tom warf mir einen kurzen Blick über den Rand seiner Zeitung hinweg zu, dann vertiefte er sich wieder in einem der Artikel.

„Rhyse könnte doch mitkommen. Er meinte, er bräuchte auch Mal neue Kleidung", erzählte Lina mit fröhlich.

Überrascht hob ich meinen Kopf. Rhyse? Kam er vielleicht wieder? Das bedeutete weniger unangenehme Gespräche. Doch sogleich erinnerte ich mich wieder an unser letztes Gespräch und meine Laune sank.

Er erwartete ja noch die Antwort. Die Antwort auf eine Frage, über die ich in den letzten Tagen so lange nachgedacht hatte, bis mein Schädel fast geplatzt wäre. Just in dem Moment, indem Lina noch etwas sagen wollte, klingelte es. Wenn man vom Teufel sprach.

„Würdest du bitte die Tür öffnen, Luxe?", wandte Tom sich nun nach drei Tagen des eisigen Schweigens an mich.

Ich blickte ihn bloß provozierend an. Warum sollte ich?

Leider mischte sich nun auch Lina ein: „Bitte Luxe. Dann kannst du Rhyse, wenn er es ist, auch direkt fragen, ob er nicht auch shoppen will."

Widerwillig erhob ich mich und schleppte mich zur Tür. Gott, Lina machte mich weich. Wie jeden Morgen war ich noch nicht ganz wach. Doch allein die Aussicht, dass Rhyse jetzt gleich wieder da sein würde, erfreute mich und half mir etwas bei meinem Prozess des Aufwachens. Gruselig.

So legte ich nun meine Hand auf den Türgriff, zögerte jedoch dann. Wie sollte ich ihm gegenüberzutreten​? Abweisend oder Freundlich? So viele Fragen, auf die ich keine Antworten wusste.

Also atmete ich nochmal tief durch und drückte die Türklinke hinunter. Vorsichtig öffnete ich die Tür und sah dann Rhyse, wie nicht anders zu erwarten. Er grinste leicht auf mich herunter, während ich bloß kurz meine Lippen zu etwas ähnlichem wie einem Lächeln verzog.

𝔻𝕖𝕤𝕡𝕖𝕣𝕒𝕥𝕖 𝕃𝕠𝕧𝕖Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt