Nachdenklichkeit

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Luxe

Unruhig rutschte ich auf meinem Stuhl herum. Schon den ganzen Tag über konnte ich nicht still sitzen. Mein Blick glitt zu der Uhr und ich seufzte lautlos. Noch 20 Minuten bis Schulschluss. Warum verging der Tag so langsam? Selbst der Zeiger an der Uhr bewegte sich langsamer als sonst.

Eine leichte Berührung an meiner Schulter ließ mich genervt den Kopf drehen. Lea grinste bloß und schob mir dann einen Zettel zu.

Schon aufgeregt?

Ich nickte nur knapp und schob den Zettel zurück. Dann blickte ich zu unserem Lehrer, in der Hoffnung, dass ich mich auf den Unterricht konzentrieren konnte. Doch ich verstand kein Wort, das er sagte. Dabei zählte Geschichte eigentlich zu meinen Lieblingsfächern und unser Lehrer zu den wenigen, wirklich freundlichen Beamten.

Ich auch

Stand auf dem Zettel, der ein paar Minuten später auf mein Blatt fiel. Ein wenig verwirrt runzelte ich die Stirn. Warum in aller Welt war Lea denn aufgeregt? Erst der nächste Zettel lieferte mir dann die Antwort.

Glaub nicht, dass dein Freund sich vor mir verstecken kann

Verfluchter Mist. Lea wollte Rhyse sehen. Dabei wusste ich ja nicht mal, ob Rhyse damit einverstanden war. Ich wusste ja nicht mal mehr, ob ich damit einverstanden war. Aber man musste es positiv sehen: Ich hatte eine Ablenkung, die mich die restliche Stunde über beschäftigte.

Als es dann klingelte erhob ich mich mit gemischten Gefühlen von meinem Platz. Einerseits freute ich mich, etwas Zeit mit Rhyse zu verbringen. Andererseits fühlte ich mich bedrückt, weil ich alles, was ich so schnell wie möglich hinter mir hatte lassen wollen, nun wieder sehen musste.

Und dann war da noch Leas altbekannte Neugier und Bens Neigung, sich in mein Leben einzumischen. Damit hatte er zwar erst heute angefangen, doch es bereitete mir schon Kopfschmerzen. Wie eine verdammte Mutter hatte mein bester Freund mich gefragt, ob ich auch genug Klamotten mithatte, ob ich nicht vielleicht meine Zahnbürste vergessen hatte und und und. Dabei hatte ich ja nicht mal meinen Koffer mit in der Schule gehabt.

„Sicher, dass du alles hast?", wurde ich aus meinen fast schon verzweifelten Gedanken gerissen.

Genervt verdrehte ich die Augen und ignorierte Ben, der an der Tür unseres Klassenraums zu uns gestoßen war. Lea dagegen sprang Ben im laufen um den Hals und strahlte ihn an.

„Ich freue mich schon so darauf, Luxe Freund kennen zu lernen. Mann, er sieht bestimmt gut aus. Vielleicht spanne ich ihn dir dann auch aus. Aber ich stehe nicht so auf ältere Typen, du kannst ihn also behalten. Aber nur wenn ich ihn auch mag. Und Ben muss ihn auch mögen. Oder doch nicht? Ich meine, wen interessiert Bens Meinung schon."

Solchen und noch weiteren Schwachsinn trällerte Lea leicht vor sich hin, halb an Ben hängenden. Würde sie jetzt noch lallen würde jeder glauben, dass sie betrunken war. Vielleicht kam ja ein leichtgläubiger Lehrer vorbei und ich konnte ihm verklickern, dass Lea getrunken hatte und dann würde sie zum Direktor müssen und dann würde er sie von der Schule schmeißen und dann hätte ich ein Problem weniger.

Leider passierte nichts und das würde wohl immer mein Traum sein, aber vielleicht würde jemand ihn ja eines Tages erfüllen. Fakt war jedoch, dass wir mittlerweile die Haltestellen erreicht hatten und Lea sich wie verrückt umsah, in der Hoffnung, einen Blick auf Rhyse, von dem sie natürlich nicht wusste, das sie eigentlich nach ihm Ausschau hielt, erhaschen zu können.

Der hatte hoffentlich, wie ich ihn gebeten hatte, etwas abseits geparkt und wartete im Auto auf mich. Also tippte ich Lea an, eine Flucht würde sie persönlich nehmen und auf eine Flut an Nachrichten konnte ich getrost verzichten, und lächelte sie an.

𝔻𝕖𝕤𝕡𝕖𝕣𝕒𝕥𝕖 𝕃𝕠𝕧𝕖Where stories live. Discover now