Kapitel 1

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Draußen war es bereits stockdunkel, doch das war mir egal. Ich brauchte unbedingt frische Luft. Meine Eltern saßen vermutlich noch im Wohnzimmer, also konnte ich die Haustüre und Hintertüre gleich vergessen. Grübelnd stand ich auf und schlenderte in dem Pulli meines Bruders und einer Jogginghose, die schon mal bessere Tage gesehen hatte zum Balkon. Ob Logan wusste, dass ich einen seiner Pullover hatte? Vermutlich nicht.

Kurz kam mir der Gedanke, dass ich auch zu ihm rüber gehen konnte. Doch diesen verwarf ich ganz schnell. Ich brauchte frische Luft. Die restliche Woche war eine reinste Katastrophe mit den ganzen Prüfungen. Zusätzlich hatte ich auch noch einen unnötigen Streit mit meiner besten Freundin, die sich seit gestern nicht mehr bei mir meldete. Sie hob nicht einmal ab, wenn ich sie anrief.

Während ich in Gedanken versunken war, lehnte ich mich an das Geländer des Balkons. Mein Blick wanderte an der Regenrinne hinunter zu der Überdachung unserer Terrasse. Dann kam mir die Idee.

Schnell stopfte ich mein Handy, das bereits ein komplett zersplittertes Display hatte, in meine Pullover Tasche und kramte aus meiner Schublade am Schreibtisch noch meine Kopfhörer heraus.

Jetzt konnte ich meine Kletterkenntnisse mal unter Beweis stellen. Fest umfassten meine kleinen Hände das Geländer. Jetzt bloß keinen Fehler machen. Schließlich wollte ich mir nicht alle Knochen brechen.

Also versuchte ich so vorsichtig und leise wie möglich die Regenrinne zu erreichen, an der ich mich ein kleines Stück hinunterrutschen ließ. Mit einem dumpfen Aufschlag kam ich auf dem Dach der Terrasse an und hielt kurz inne. Ich lauschte, dabei ging mein Atem ganz flach.

Nach ein paar Minuten der Stille, setzte ich mich wieder in Bewegung und sprang die wenigen Meter auf die nasse Wiese unseres Gartens. Die letzten Tage hatte es durchgängig geregnet, was zu meiner Laune ziemlich gut passte.

Zufrieden, dass mich niemand erwischt hatte, sprang ich über die kleine Hecke, die unseren gepflegten Garten von den Nachbarn und der Straße trennte. Eine Weile ging ich die Straße entlang, bis ich nach rechts einbog und einen Trampelpfad einschlug, der kaum zu sehen war. Diesen Weg ging ich immer, wenn ich meine Ruhe wollte. Doch diesmal sollte aus der Ruhe nichts werden.

Gerade, als ich mir meine Kopfhörer in die Ohren stecken wollte, ertönte ein lauter Knall, der die kalte Luft zu zerreißen schien. Erschrocken hielt ich mir die Hand vor den Mund und sank auf die Knie. Mein Handy hatte ich in der ganzen Aufregung einfach fallen gelassen und machte nicht im Geringsten die Anstalten es wieder an mich zu nehmen. Meine Ohren fiepten von dem lauten Knall und ich lauschte angestrengt in die Stille und konnte mich keinen Millimeter bewegen.

Ich spürte langsam die Kälte an meinen Knien, da der Boden vom Regen noch ganz durchnässt war. Ich stützte mich mit meinen Händen auf dem mit Laub bedeckten Boden ab und krallte mich leicht darin fest. Um mich sicherer zu fühlen? Halt zu finden?

Schwere Schritte näherten sich mir. Die Person war schnell, schien vor etwas weg zu laufen. Vor dem Knall? Von einer Sekunde auf die andere schien wieder Leben in mich zu kommen. Hastig wollte ich aufstehen und ebenfalls wegrennen, stattdessen wurde ich unsanft wieder zu Boden gerissen.

Vor Schmerz schrie ich auf und hielt mir den Arm fest an die Brust. Ängstlich sah ich zu der Person, die mich zu Boden gerissen hatte. „Fuck!", schrie dieser bloß und rappelte sich wieder auf. Ungeduldig klopfte er sich den Dreck von seinen Klamotten und würdigte mich keines Blickes.

„Was-„, wollte ich zu einer Frage ansetzen, wurde jedoch durch eine große Hand auf meinem Mund unterbrochen. Ängstlich wimmerte ich los und zappelte hin und her. „Sei gefälligst leise", zischte der Typ ganz dicht neben meinem Ohr, was mich erschaudern ließ. Was zur Hölle passierte hier gerade.

Dangerous Love - Ein gefährliches Spiel zwischen Macht und LiebeWhere stories live. Discover now