Kapitel 26

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Hastig packte ich das Lenkrad fester und fuhr wieder zurück auf meine Straßenseite. Mit hoher Geschwindigkeit rasten wir aneinander vorbei. Mein Herz klopfte fest in meiner Brust.

Ich bog früher als das Navi anzeigte in die nächste Straße, da ich viel zu schnell unterwegs war. Meine Geschwindigkeit war gefährlich hoch und jeder der sich mir in den Weg stellen würde, würde einen Höhenflug erleben.

Ich erkannte die Umgebung wieder. Die Häuser, den alten Spielplatz und die große Kirche. Hunderte Erinnerungen ploppten in meinem Kopf auf. Ich war in Sicherheit. Scheiße, ich war frei! Nach Monaten.

Wie in Trance halte ich den Wagen vor unserem braunen Zaun, stolperte durch das veraltete Gartentor und drückte die Klingel. Ich nahm nicht den Finger von dem kleinen, schwarzen Knopf, sondern ließ es läuten.

Ich hörte Schritte. Ich war zu Hause.

Die Türe wurde geöffnet. Logan, mein großer Bruder, sah mich perplex an. Meine Beine gaben augenblicklich unter mir nach und ich fiel zu Boden. Mit geschocktem Gesichtsausdruck zog er mich in das Innere des Hauses und schloss die Türe hinter sich. Der altbekannte Geruch stieg mir in die Nase und mein Herz zog sich erleichtert zusammen.

"Lesly", sagte er mit so viel Gefühl in der Stimme, dass mein Herz drohte zu zerreißen. Er fing an zu weinen. Heftig zu weinen. Alles kam in ihm hoch, was er die letzten Monate unterdrückt hatte.

"Mom! Dad! Sie ist wieder da!", rief er und wischte sich die Tränen aus dem Gesicht. Ich hörte Schritte auf der hölzernen Treppe. Sogar diese scheiß Treppe hatte ich vermisst.

Als sie mich sahen, fielen sie sofort neben mir und meinem Bruder auf die Knie. Beide nahmen sie uns fest in den Arm. Mein Vater strich mir immer wieder durchs Haar, so wie er es immer getan hatte. Meine Mutter schluchzte laut und drückte mir immer wieder Küsse auf die Wange.

Ich war zu Hause. Ich war frei.

"Bist du verletzt?", fragte mein Vater mich besorgt und nahm meine Hände in seine, die voller Blut waren. Aidens Blut.

Augenblicklich wimmerte ich. Schnell schüttelte ich den Kopf. Behutsam hob mein Vater mich hoch und trug mich in das kleine Badezimmer. Dort setzte er mich auf dem Badewannenrand ab, strich mir nochmal über die Wange und gemeinsam mit Logan ließen sie mich mit meiner Mutter alleine.

Sie fing an mir das Kleid auszuziehen. Meiner Unterwäsche entledigte ich mich selbst. Währenddessen ließ sie heißes Wasser in die Badewanne ein und gab etwas Duschgel dazu, sodass es zu schäumen anfing. Sie half mir über den Badewannenrand zu steigen und als das heiße Wasser meine Haut einhüllte, hörte der Schmerz in meiner Brust für kurze Zeit auf. 

Als ich mich an die Temperatur gewöhnt hatte, setzte er wieder ein. Sanft öffnete mir meine Mutter die Steckfrisur, die mir die Stylistin gemacht hatte, aus der nun mehrere Haarsträhnen hingen.

"Ich dachte", fing sie an und unterbrach sich selbst. Erschöpft sah ich sie an. Sie hatte tiefe, dunkle Augenringe und wirkte viel älter, als sie es eigentlich war.

"Du dachtest ich sei tot", beendete ich den Satz und sie nickte mit zusammen gepressten Lippen. Eine Träne kullerte über ihre Wange.

"Es tut mir so leid", schluchzte ich und fiel ihr in die Arme. Es war ihr egal, dass ich nass war und mir war es egal, dass sie mich so sah.

Ich war zu Hause. Ich war frei. Und Aiden tot. Der Schuss war gezielt auf seinen Bauch gegangen. Und er war tödlich. Er konnte es nicht überlebt haben. Scheiße, ich hatte ihn einfach da liegen gelassen.

Die Schuldgefühle die sich in meiner Brust ansammelten, verflochten sich mit meinem Herzen und werden es mein ganzes Leben lang bluten lassen, wie die Dornen einer Rose.

Er war alles was ich wollte. Ich hatte ihn in diesem scheiß Drecksloch zurück gelassen, dass er so sehr hasste und ihn dort sterben lassen.

Ich war das eigentlich Monster.

Dangerous Love - Ein gefährliches Spiel zwischen Macht und LiebeWhere stories live. Discover now