Kapitel 5

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Wieder einmal schlief ich auf der Couch und drehte mich unruhig hin und her. Heute war eine dieser Nächte, in denen ich meine Eltern und meinen Bruder schrecklich vermisste. Vor wenigen Minuten hatte ich mir gerade die letzten Tränen weggewischt und versuchte wenigsten ein paar Stunden Schlaf zu bekommen.

Ich schreckte hoch, als die Haustüre aufgerissen wurde. Aiden stolperte über den Flur und sackte auf seine Knie. Vorsichtig stand ich auf und ging auf ihn zu. „Aiden?", fragte ich leise. Er reagierte erst nicht. Stöhnend setzte er sich an die Wand und hielt sich die Wange. 

Verwirrt schaltete ich das Licht ein. Ein kleiner Schrei entwich mir und ich traute meinen Augen nicht. „Ach du scheiße! Was ist passiert?" Ich kniete mich vor ihm hin und wusste nicht so ganz wo hin mit meinen Händen. Also legte ich sie auf seine Knie und begutachtete sein Gesicht. Seine Lippen waren aufgeplatzt, das Kinn rot mit vereinzelten Schrammen und über seiner Augenbraue war eine große Wunde.

Ich könnte ihn so liegen lassen. An seinen Schmerzen verrecken lassen. Aber mich würde für immer diese Schuld verfolgen und egal wie sehr ich ihn hasste oder aus welchem Grund auch immer ich hier fest saß, gab ich mir einen Ruck und beschloss ihm zu helfen.

„Meinst du, dass du es bis zum Küchentisch noch schaffst?", fragte ich ihn und meine Augen huschten immer wieder über seine Wunden. Ich musste ihn unbedingt verarzten. Aiden nickte bloß und ich machte mich daran, seinen Arm zu nehmen und ihn bis zum Stuhl zu stützen. Dort ließ er sich einfach auf den Sitz plumpsen und stöhnte schmerzerfüllt auf. 

Hastig kramte ich den Verbandskasten - den Aiden das letzte Mal bei mir benutzt hatte wegen der Wunde an meinem Arm - aus dem Schrank und öffnete ihn auf dem Tisch. „Lass mich deine Wunden bitte genauer anschauen. Auch, wenn es vielleicht weh tut", bat ich ihn darum und zog meine Augenbrauen hoch, da es mir gerade wirklich ernst war. Entführung und Arroganz hin oder her. Er hatte mich genauso verarztet und er musste wirklich höllische Schmerzen haben.

Von Aiden kam bloß ein tiefes Brummen. Also nahm ich sanft sein Kinn in die Hand, darauf bedacht, dass ich nicht auf die Wunde griff. Leicht drehte ich seinen Kopf und beugte mich etwas zu ihm nach unten, um genaueres erkennen zu können. Als ich seinen Augen folgte, richtete ich mich wieder empört auf. Er glotzte mir direkt in meinen Ausschnitt. Ich trug bloß ein graues Trägershirt und eine kurze Hose. Er wollte gerade grinsen, jedoch hatte er seine aufgeplatzten Lippen vergessen und zischte laut auf.

Schmunzelnd kramte ich aus dem Arztkasten einen Desinfektionsspray. „Das kann jetzt weh tun, aber ich will die Wunden vorsichtshalber reinigen", erklärte ich ihm. Er versuchte wirklich cool zu bleiben, als ich ihm den Spray auftrug, aber ich sah ihm an, dass es extrem brannte. Als nächstes suchte ich nach Pflastern. Das große gab ich auf die Wunde an seinem Kinn und ein etwas Kleineres über seine Augenbraue. Das würde eine saftige Narbe geben. Auf seinen Lippen schmierte ich noch eine Wundheilende Salbe. „Du solltest gegen die Schmerzen eine Tablette nehmen", stellte ich fest.

Seine Augen waren halb geschlossen, als ich ihm das Glas Wasser mit der Tablette gab. Gerade noch so schluckte er sie runter. Dabei sah ich, dass seine Fingerknöchel ebenfalls etwas aufgerissen waren. Das musste eine krasse Schlägerei gewesen sein. Ich sprühte auch dort Desinfektionsspray drauf. „Ich bringe dich zur Couch." Wieder griff ich ihn am Arm und er stützte sich auf mir ab. Dabei hielt er sich mit der anderen Hand den Bauch. Vielleicht sollte ich mir das auch mal ansehen.

Als er sich mit schmerzverzerrtem Gesicht auf das Sofa legte, wo ich vorher noch versucht hatte zu schlafen, stemmte ich meine Hände in meine Hüfte. „Zieh dein Shirt hoch", forderte ich ihn auf. „Lesly", wollte er mit heiserer Stimme den Protest antreten, doch ich schüttelte sofort den Kopf. „Dann mach ich es eben." Gesagt getan, zog ich sein Shirt hoch und riss die Augen auf. Nicht wegen seinem durchtrainierten Bauch, sondern dem großen Hämatom, dass sich unterhalb seiner Rippen schon ganz dunkel färbte. „Du spinnst doch, was hast du bitte angestellt!", zischte ich aufgebracht und fuhr mit meinen Fingerspitzen über die Stelle. „Das ist egal", stöhnte er und presste die Augen zusammen. „Wenn du meinst", sagte ich und zog sein Shirt wieder runter. Ich holte ihm noch etwas, um die Schwellung zu kühlen.

Mittlerweile war ich ebenfalls müde geworden, jedoch traute ich mich nicht auf das Zimmer zu gehen, da ich mir über Aidens Zustand nicht im Klaren war. Vielleicht verschlechterte er sich.

Normalerweise hätte ich jetzt den Krankenwagen gerufen, nur wusste ich die Adresse nicht und Aiden hätte das sicher nicht gewollt. Nun saß ich also auf dem Boden vor dem Jungen, der mich einfach mit seinem Vater entführt hatte und beobachtete, wie er tiefe lange Atemzüge machte und hoffentlich einen tiefen Schlaf hatte.

Es war verrückt. Eigentlich hätte ich Weinen, schreien, um mich treten und um Hilfe betteln sollen. Aber seitdem ich hier war, tat ich nichts dergleichen. Aber nicht, weil ich es aufgegeben hatte. Nein. Aus irgendeinem Grund fühlte ich mich sicher. Es gab nicht wirklich etwas, vor dem ich mich fürchten musste. Vielleicht vor Aidens Vater, aber vor ihm selbst? Er hatte sich bis jetzt nie bösartig mir gegenüber verhalten. Er war einfach ein typisches Arschloch, dem es gefiel, andere zu provozieren. 

Mein Bruder würde mich jetzt für dumm bezeichnen, dass ich nicht mal versuchte abzuhauen. Ich wusste ja nicht mal wo ‚hier' ist oder wo ich hinsollte, wenn ich überhaupt hier rauskommen würde. Außerdem meinte Maria, dass bis jetzt jedes Mädchen heil wieder rausgekommen war. Sie nahmen mich nur mit, damit sie nicht in eine doofe Situation mit der Polizei kamen.

Müde bettete ich meinen Kopf neben Aidens Hand und schloss die Augen. Wer weiß, am Ende werden wir sogar noch Freunde. Über diesen absurden Gedanken zogen sich meine Mundwinkel leicht nach oben.

(ich kann im Moment kein Bild hier einfügen, wattpad hat mal wieder seine Tage

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(ich kann im Moment kein Bild hier einfügen, wattpad hat mal wieder seine Tage. sobald es wieder funktioniert, werde ich es einfügen😊)
(update: ich habe es einfügen können💆🏼‍♀️😌)

Dangerous Love - Ein gefährliches Spiel zwischen Macht und LiebeWo Geschichten leben. Entdecke jetzt