Kapitel 22

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Bald war es so weit. Nicht mehr lange und Aiden wurde zum Oberhaupt ernannt. Die letzten Tage war er unnormal ruhig, viel unterwegs, kaum zu Hause. Sein Vater hielt ihn immer wieder auf trapp und bevor er mir irgendwas von dem Ganzen erzählen konnte, schlief er spät abends in meinen Armen ein.

Was genau zwischen mir und Aiden das jetzt war, wusste ich nicht. Wir küssten uns, schliefen miteinander und machten eben das, was man in einer normalen Beziehung machte. Aber wir waren nicht normal. Ich war immer noch deren Geisel und Aiden der Sohn eines Mafiabosses. Diesen Gedanken rief ich mir in letzter Zeit immer öfter ins Gedächtniss.

Wärhend Aiden auf den ganzen Treffen war, stöberte ich in seinen Unterlagen herum. Natürlich hatte ich ihm davon erzählt und er schien nichts dagegen zu haben. Ich hatte mich über seinen Vater informiert, doch viel gab es über ihn nicht zu erzählen. Außer, dass er seine Frau verlor, früher als jeder andere das Oberhaupt wurde und welche Geschäfte er so betrieb.

Über Aidens Großvater hingegen gab es einen ganzen Hefter. Jedoch war mehr als die Hälfte uninteressant für mich und den Rest hatte mir Aiden bereits erzählt. Er würde auch anwesend sein und ich musste ihn kennen lernen. Ich würde seine Hand schütteln, mit der er mehreren Menschen bereits das Leben genommen hatte und ihm in die Augen sehen.

Der Gedanke daran bereitete mir eine Gänsehaut und mir wird augenblicklich schlecht. Ich lag in Aidens Bett und hielt mir den Bauch. Immer noch wartete ich darauf, bis mich sein Vater gehen ließ. Aber seit Paris war nichts mehr passiert. Alle waren mit Aiden und seinem baldigen Posten beschäftigt.

"Alles gut?", unterbrach Aiden meine hitzigen Gedankengänge und kam auf mich zu. Stumm nickte ich.

"Klar", versuchte ich mit einem lächeln zu sagen, doch scheiterte kläglich daran. Stirnrunzelnd musterte er mich. Dabei entdeckte er den Hefter neben mir. Die Seite, in der die Taten seines Großvaters aufgelistet waren, lag offen da und er überflog die einzelnen Sätze kurz.

"Du hast Angst", stellte er fest und zog mich zu sich auf den Schoß. Seine Hand strich sanft über meinen Oberarm und er drückte mir einen Kuss auf die Schläfe. Augenblicklich verschwand die Übelkeit und ich fühlte mich um einiges wohler.

Als ich ihm ins Gesicht sah, fielen mir sofort seine müden Augen und die tiefen Augenringe auf. Er sah wirklich fertig aus.

"Was machen die bloß mit dir", murmelte ich und legte meine zierliche Hand an seine warme Wange, die er direkt gegen meine Handinnenfläche drückte. Dabei spürte ich seine Bartstoppeln, die mich leicht piecksten. 

Laut seufzte er und kniff für einen kurzen Moment die Augen zusammen. Ich löste mich aus seinem Griff, legte den Hefter über seinen Großvater zurück auf den Schreibtisch und ließ mich dort auf den Stuhl fallen. Nachdenklich zog ich mein rechtes Bein an die Brust und stützte mein Kinn auf dem Knie ab. Für einige Sekunden sahen wir uns bloß stumm in die Augen.

"Ich muss jemanden töten", platzte es dann aus ihm heraus und sofort zog er seine dichten Augenbrauen zusammen. Er schien zu bereuen, was er gerade ausgesprochen hatte.

Mir klappte überrascht die Kinnlade nach unten. Schnell schüttelte ich den Kopf. Das war doch ein Witz!

"Verarsch mich nicht!", mahnte ich ihn mit bebender Stimme. Sofort spannte sich sein ganzer Körper an. Er setzte sich automatisch gerader auf, ballte seine Hände immer wieder zu Fäusten und mahlte mit dem Kiefer. Seine sonst so strahlenden Augen färbten sich dunkel. Aiden wirkte mit einem Mal unglaublich wütend.

"Wieso sollte ich dich verarschen?", zischte er angespannt und stand auf. Ja, wieso sollte er das?

"Es steht so im Regelbuch", fuhr er fort und tigerte in seinem Zimmer auf und ab. Vor meinem inneren Augen spielten sich verschiedene Szenarien ab, wie Aiden einen Menschen tötete. Blut an seinen Händen klebte. Eine Gänsehaut breitete sich auf meinen ganzen Körper aus.

"Das wirst du doch nicht tun, oder?", fragte ich kleinlaut und sah unsicher zu ihm hoch. Aiden blieb jedoch stumm. Nur sein schneller Atem erfüllte den Raum und das poltern seiner schweren Schritte.

"Ich muss. Um Oberhaupt zu werden muss man einen Mord begangen haben. Das hat etwas mit Loyalität gegenüber der Mafia zutun und somit beweise ich, dass ich kein Spitzel oder sonstiges bin", erklärte er und rieb sich übers Gesicht. Es war verständlich. Niemand wollte einen Polizisten in seinen Reihen, der alles zerstören konnte.

Bei Aiden verstand ich das jedoch nicht. Er war der Sohn eines Mafiabosses, wieso sollte er ein Spitzel sein? Das ergab überhaupt keinen Sinn.

Langsam stand ich auf und ging auf ihn zu. Seine Augen fixierten mich, jede Bewegung, jeden Schritt. Bei ihm angekommen nahm ich seine großen Hände in meine. Sanft strich ich mit dem Daumen über seine Handrücken.

"Es muss einen anderen Weg geben", sagte ich bestimmt aber ruhig und sah ihm immer noch tief in die Augen. Seine Atmung beruhigte sich etwas, doch die Anspannung ließ nicht nach.

"Es kann keinen geben. Die Regeln stehen fest. Seit mehreren Jahren. Daran ist nichts zu machen. Ich werde versuchen dich von hier weg zu bringen, bevor ich zum Oberhaupt ernannt werde. Ich tue alles, damit man nie wieder auf dich zurück kommen kann. Erst dann kann ich mich dem ganzen stellen. Ich könnte mir nie verzeihen, dass dir etwas passiert oder du mich dann so ansiehst!" Er redete so schnell, dass er sich sogar ein paar mal dabei verhaspelte.

"Wie ansehen?", fragte ich verwirrt und er drückte mich ein kleines Stückchen von sich weg.

"Enttäuscht, ängstlich, verletzt. Du wirst mich hassen. Ich werde in deinen Augen nur noch ein Monster sein."

Dangerous Love - Ein gefährliches Spiel zwischen Macht und LiebeWhere stories live. Discover now