Kapitel 16

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In eine Wolldecke eingekuschelt saß ich draußen auf der Bank, deren Farbe nun schon fast ganz abgebröckelt war und sah hoch in den Himmel. Man konnte perfekt die Sterne sehen, nicht so wie mitten in New York. Selten bekam ich eine Sternschnuppe zu sehen, da die Stadt viel zu sehr leuchtete. Mein Blick wanderte vom Himmel zum großen Tor. Wieder standen zwei Wachmänner auf jeweils einer Seite. Dieses Mal waren es aber andere. Die großen Waffen hielten sie in der Hand, als wäre es das normalste auf dieser Welt.

Hinter mir hörte ich die Haustür ins Schloss fallen und Schritte auf dem Kies. Aiden setzte sich mit feuchten Haaren, einem schwarzen Pullover und einer grauen Jogginghose auf den Stuhl vor mir. Der Duft seines Shampoos stieg mir in die Nase, als ein kleiner Windstoß die Sträucher um uns herum zum Rascheln brachte.

Gebannt sah ich ihn an. Langsam nahm Aiden seine großen Hände aus seiner Pullover Tasche und stützte sich auf dem alten Tisch ab. Ich hörte, wie er tief Luft holte und sie wieder laut ausatmete.

„Jetzt kann ich keinen Rückzieher mehr machen", murmelte er und fuhr sich über das Gesicht. „Dir ist bewusst, dass ich dich in Gefahr bringe, wenn ich dir diese Informationen gebe?", fragte er mich dann und blickte mir direkt in die Augen. Sofort hatte mich das schöne grün in den Bann gezogen und ich nickte bloß. Als wäre ich nicht schon die ganze Zeit in Gefahr.

„Okay. Ich fange mal leicht an. Mein Dad ist der Sohn eines Mafia Bosses." Ich runzelte die Stirn. Es überraschte mich nicht wirklich. Ich wusste, dass sein Vater illegale Sachen machte. Es war offensichtlich, denn wer hätte sonst schwer bewaffnete Wachen um sein Haus aufgestellt und welcher Sohn dürfte unter einundzwanzig Jahren schon Glücksspiele spielen? Also nickte ich ein weiteres mal.

„Ich dürfte dir eigentlich gar nichts erzählen. Lesly, ich bringe uns beide in Schwierigkeiten damit", wiederholte er sich und ließ den Kopf hängen. „Ich habe nicht vor es jemanden zu erzählen. Wenn wir leise genug reden, können uns die Wachmänner auch nicht verstehen", sagte ich und hoffte, dass er weiterreden würde.

„Wenn ich es dir nicht sage, würdest du es selbst in die Hand nehmen und nach Informationen suchen", stellte er fest und ich stimmte ihm zu. Damit hatte er Recht. „Gut. Ich fange einfach ganz von vorne an. Und zwar mit meinem Großvater", fuhr er fort und lehnte sich zurück. Zufrieden kuschelte ich mich mehr in die Decke und zog die Beine an meine Brust. Interessiert legte ich meinen Kopf auf die Knie und musterte ihn.

„Michael Mancuso ist mein Großvater. Er ist schon mit sehr jungen Jahren ein Teil der Cosa Nostra gewesen und gehörte zu einer der fünf Familien in New York. Damals war er bereits ein US-amerikanischer Mobster, also ein hochrangiges Mitglied der Mafia und war aktuelles Oberhaupt der Bonanno Familie. Mit fünfundzwanzig Jahren bekam er einen Sohn und das war mein Vater André Mancuso." Ich musste ihn unterbrechen und hielt meinen Zeigefinger in die Höhe. „Ich habe seit ich hier bin immer den Namen Bonanno aufgeschnappt. Er kommt mir so bekannt vor, aber ich kann ihn nirgends zuordnen", erzählte ich und klang ein kleines bisschen verzweifelt.

„In New York gibt es fünf Mafiafamilien. Die Bonanno Familie ist unsere. Wir beherrschen organisierte Kriminalität in weiten Teilen New Yorks. Mit dem Drogenhandel vor 56 Jahren fing alles an", erklärte er mir. „Und was ist diese Cosa Nostra?", fragte ich verwirrt nach und sah, wie Aidens Mundwinkel kurz zuckten. „Als Cosa Nostra bezeichnet man die sizilianische Mafia", sagte er und ich wollte schon zur nächsten Frage ansetzen, als er einfach weitererzählte.

„Als mein Großvater vier Jahre nach der Geburt meines Vaters seine Frau Evelina erschoss, bekannte er sich schuldig und musste für zehn Jahre ins Gefängnis. Nachdem er wieder raus kam war natürlich klar, dass er wieder zurück zur Bonanno Familie kam. Zweitausendfünf wurde er wegen Beteiligung an Mort beschuldigt und ging wieder mit einundfünfzig Jahren ins Gefängnis. Als ein weiterer Mord von zweitausendvier entdeckt wurde, bekannte er sich ein weiteres Mal schuldig und bekam zusätzlich noch fünfzehn Jahre drauf", beendete er seine Erzählung und sah mich abwartend an.

Tief atmete ich ein und wieder aus. Das waren verdammt viele Informationen und ich versuchte irgendwie den Überblick zu behalten. „Das heißt, dass dein Großvater dieses Jahr aus dem Gefängnis gekommen ist?", fragte ich überrascht, als ich die Jahre zurück rechnete. Aiden nickte. „Er ist seit März wieder draußen. Bald will er meinen Dad zum Boss machen", fügte er noch hinzu und klang nicht wirklich erfreut darüber.

„Und irgendwann wirst du auch ein Boss der Bonanno Familie sein", stellte ich fest und war mir nicht sicher, was ich davon halten sollte. Mittlerweile wurde mir kalt und ich zitterte leicht. „Lass uns rein gehen. Dann kannst du mir noch deine Fragen stellen, die du hast", schlug er vor und merkte, dass er mich wie ein offenes Buch lesen konnte. Es war mir ins Gesicht geschrieben, dass für mich dieses Gespräch noch lange nicht vorbei war. Ich wollte mehr über die Geschäfte erfahren, nach seiner Mutter fragen, wieso sein Vater im Moment weg ist und noch viel mehr.

Gemeinsam standen wir auf und gingen stumm zurück in das Haus. Drinnen war es schön warm und ich spürte, wie wieder Leben in meine kalten Finger kam. Aiden legte plötzlich seine Hand auf meinen Rücken und schob mich sanft die Treppen nach oben in sein Zimmer. Dort setzten wir uns auf sein Bett und sahen uns für eine kleine Ewigkeit bloß in die Augen.

„Dann stell mal deine erste Frage", forderte er mich auf und verschränkte entspannt die Hände hinter seinem Kopf.

„Dann stell mal deine erste Frage", forderte er mich auf und verschränkte entspannt die Hände hinter seinem Kopf

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Dangerous Love - Ein gefährliches Spiel zwischen Macht und LiebeWhere stories live. Discover now