Kapitel 25

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Gelangweilt sah ich aus dem Fenster, auf das große Tor, welches verschlossen war. Mein einziger Weg in die Freiheit. Eine ganze Stunde saß ich bereits hier, während Maria alles für das Abendessen vorbereitete. Sie zwang mich sitzen zu bleiben, obwohl ich ihr helfen wollte.

Ich wurde hellhörig, als sich schnelle Schritte näherten. Sie hallten in den großen Gängen wider und ich war mir sicher, dass es Aiden war. Lächelnd stand ich auf, welches mir aber gleich wieder verging.

Kreideweis stand er im Türrahmen, die Augen weit aufgerissen. Verwirrt und besorgt ging ich zu ihm.

"Er hat dich erkannt. Verfickte Scheiße, er hat dich erkannt!", brach es aus ihm heraus und er raufte sich hilflos die gemachten Haare. Ich runzelte die Stirn. Was redete er da?

"Ich verstehe nicht, was du meinst", sagte ich und schüttelte den Kopf. Ich erschrack, als er plötzlich meine Hand fest packte und mich hinaus in den Flur zog, um die Haustüre zu öffnen. Man konnte mehrere Schritte in der Ferne ausmachen, weshalb Aiden noch nervöser wurde.

"Mein Großvater weiß, wer du bist. Mein Vater hatte bis jetzt keine Ahnung. Aber nun, wo sie es wissen, wollen sie dich weg sperren. Dir weh tun. Du bist ein perfektes Druckmittel gegen die Lucchese-Familie. Wir müssen verschwinden!", erklärte er aufgebracht und zog mich hinaus in den großen Vorgarten.

"Aber wie?", fragte ich verzweifelt und merkte, wie sich Tränen in meinen Augen sammelten. "Ich weiß es nicht, Lesly. Aber wir müssen jetzt verschwinden. Ich kann das nicht zu lassen", sagte er und wurde mit jedem Wort lauter.

"Aiden!"

Der Schrei ging mir durch Mark und Bein, weshalb ich wie angewurzelt stehen blieb. Sein Vater tauchte im Türrahmen auf und sah uns wütend an.

"Du machst es nur noch schlimmer!", brüllte er sauer und wollte gerade auf uns los stürmen, als ein lauter Knall uns alle herum wirbeln ließ.

Ein schwarzer Pickup donnerte durch das eiserne Tor und riss es mit sich. Rechts und links von der Villa jagte es die Mauern der Festung, meines Gefängnisses, in die Luft und schwarze Gestalten strömten von allen Seiten auf uns zu.

Als auch noch Aidens Großvater nach draußen gerannt kam, schnappte ich Aiden an der Hand und zog ihn mit mir zum Tor. Davor stand ein schwarzer Audi und der demolierte Pickup.

Ein lauter Schuss zeriss die schwüle Nachtluft und ließ mich aufschreien, Aiden sackte mit einem Mal stöhnend zu Boden. Mit aufgerissenen Augen sah ich nach hinten. Sein Vater und sein Großvater waren verschwunden, stattdessen standen zwei Wachmänner an deren Stelle. Einer davon mit gezückter Waffe.

Als Aidens schmerzende Laute durch mich hindurchdrangen, fiel ich vor ihm auf die Knie. Überall war Blut. So viel Blut. Er hustete und ein Schwall der roten Flüßigkeit floss aus seinem Mund. Ängstlich, nicht wissend was zu tun war, drückte ich auf die blutende Wunde an seinem Bauch, was ihn aufschreien ließ.

"Scheiße!", schrie ich verzweifelt und mir wurde schlecht. Aiden zog hustend aus seiner Hosentasche einen schwarzen Schlüssel, den er mir bestimmt in die Hand drückte. Wieder ertönten mehrere Schüsse. Nun schneller hintereinander. Einige waren ganz nahe, andere wiederum weit entfernt. Ich roch Blut und meine Ohren fiepten unangenehm.

Vor dem Eingang kämpfte der Wachmann mit zwei schwarz gekleideten Personen, die ihm ohne zu zögern in den Kopf schossen. Automatisch zuckte ich zusammen. Als mich Aiden am Nacken packte und zu sich hinunter zog, konnte ich die Tränen nicht mehr zurück halten.

"Sieh zu, dass du von hier verschwindest", wies er mich an und drückte mich von sich weg. Schluchzend schüttelte ich den Kopf.  Der Wachmann hatte ihn direkt am Bauch getroffen und es hörte einfach nicht auf zu bluten.

"Lesly, lauf", röchelte er. Schnell drückte ich ihm einen letzten Kuss auf den Mund. Es war mir egal, dass er nach Blut schmeckte. Ich wollte seine Lippen nur noch ein letztes Mal auf meinen spüren.

Ein letzter Blick in seine smaragdgrünen Augen, die immer mehr an Glanz verloren und mir alles gaben, wonach ich mich immer gesehnt hatte.

Weitere drei Wachmänner kamen hinter der Villa zum Vorschein und steuerten direkt auf mich zu. Einer von ihnen ladete bereits seine Waffe nach.

Hastig drückte ich den Knopf des Schlüssels. Das Auto blinkte auf und erleichtert rannte ich darauf zu, riss die Tür auf und sprang auf den Sitz.

Schnell startete ich den Motor. Als ich auf das Gas drücken wollte, stellte sich ein anderer Mann mir in den Weg, der seine Pistole bereits aus dem Halfter an seiner Hüfte zog. Instinktiv stieg ich auf das Gas, rammte ihn seitlich und es schleuderte ihn ein gutes Stück über den Hof, bis er auf der frisch gemähten Wiese landete. Schmerzend hielt er sich sein linkes Bein. Ich hatte gerade einen Menschen angefahren. Verdammte Scheiße!

Ohne zu zögern fuhr ich mit hoher Geschwindigkeit auf das offene Tor zu. Dort stand eine Frau, die ebenfalls eine Waffe in den Händen hielt. Es war meine leibliche Mutter. Mit geweiteten Augen sah ich sie an, doch sie lächelte bloß. Sie waren gekommen um mich zu holen. Wusste Aiden davon? Wieso stand das Auto zufällig an der richtigen Stelle und warum hatte er den Schlüssel überhaupt eingesteckt? Das konnte kein Zufall sein. Ein Stich machte sich in meinem Herzen bemerkbar.

Plötzlich hagelte ein Regen aus Kugeln auf den hinteren Teil des Autos ein und ich schreckte zusammen. Eine Kugel zertrümmerte das Fenster des Kofferraumes und unzählige Glassplitter flogen quer durch das Auto.

Ängstlich schrie ich und erhöhte mein Tempo erneut. Im Rückspiegel sah ich Aiden. Immer noch lag er dort, sich den Bauch haltend. Er wird sterben. Meinetwegen.

Die drei Männer, die auf mich geschossen hatten senkten ihre Waffen und sahen mir mit monotonem Gesichtsausdruck nach.

Mit zittrigen Händen gab ich meine Adresse in das Navi ein. Aidens Blut klebte an ihnen, was mich laut aufschluchzen ließ. Er wird sterben. Und ich ließ ihn einfach zurück.

Eine halbe Stunde bis nach Hause. Eine verfickte halbe Stunde. Sie haben mich bloß ein paar Kilometer weiter weg gebracht. Monatelang. Ich war nie weit weg.

Frustriert schrie ich auf. Wut, gemischt mit Trauer verteilte sich in meinem ganzen Körper und ich schrie erneut. Alle Emotionen brachen nur so aus mir heraus. Dabei fiel mein Blick auf das weiße Kleid, welches ebenfalls von Blut übersäht war. Aidens Blut.

Augenblicklich weinte ich wieder los. Doch die erschwerte Sicht kam ich etwas zu weit auf die andere Fahrbahn. Ein LKW kam mir gerade in diesem Moment entgegen und hupte laut. Das Schweinwerfer Licht blendete mich, weshalb ich mir eine Hand vor die Augen hielt.

Scheiße.


Dangerous Love - Ein gefährliches Spiel zwischen Macht und LiebeWo Geschichten leben. Entdecke jetzt