Kapitel Vier, Alecia

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"Schritt zwei. Die richtigen Leute finden", las Maven nun vor. 

"Genau. Wir brauchen unsere besten Freunde, deren Freunde und wiederum deren Freunde. Alle Leute, denen jemand vertraut, dem wir vertrauen. Aber nur Leute, bei denen wir hundertprozentig sicher sind, dass wir ihnen vertrauen können. Vertrauen ist unheimlich wichtig, wenn es darum geht, mit einer Rebellion zu beginnen", erklärte ich. "Allerdings glaube ich, dass in dieser Stadt beinahe jeder mitmachen wollen wird. Ich kenne keinen, der die grundlose Abschaffung der Kreativität befürwortet."

"Kleines Problem: Ich habe keine Freunde", sagte Maven. "Als ich hier untergetaucht bin, um alles für meinen Tanz im Park vorzubereiten und von der Regierung unbemerkt zu bleiben, habe ich sämtliche Kontakte zu meinen ehemaligen Freunden abgebrochen."

Ich seufzte. "Für eine Rebellion braucht man Freunde, Maven. Aber egal. Dann nehmen wir eben den Kontakt zu deinen früheren Freunden wieder auf."

"Sag mir nicht, was ich zu tun habe."

"Okay, okay, sorry." War der empfindlich!

"Hast du denn keine Freunde?", nahm er sichtlich genervt das Thema wieder auf.

"Äh, nein." Ich richtete den Blick auf den Boden, um ihn nicht ansehen zu müssen. "Ich gelte an meiner Schule als Streberin. Und mit der geheimen Bibliothek unzensierter Bücher bei mir zu Hause will eh keiner was zu tun haben."

Er lachte. "Wen wundert's?"

Es dauerte jedoch nicht lange, dann erstarb sein Lachen, als er begriff, was ich gesagt hatte. "Warte mal, was hast du gesagt? Unzensierte Bücher?"

"Siehst du, das ist immer die Reaktion", sagte ich ein wenig genervt. "Meine Eltern haben ihre Bücher vor der Säuberung versteckt. Das ist alles. Aber so schlimm wie alle sagen sind die gar nicht."

Er setzte sich auf die Couch. Fuhr sich durch die Haare (die eine schöne Farbe hatten, hellbraun oder dunkelblond - wie man es nennen möchte, nur um das hier einmal zur Verbesserung der Vorstellungskraft des Lesers zu erwähnen). "Erzähl mir mehr darüber", bat er dann.

"Ein andermal. Jetzt geht es erst einmal um unsere Rebellion. Also, zurück zu Schritt zwei." Ich dachte nach. "Du hast keine Freunde, ich habe auch keine Freunde. Was ist mit Verwandten?"

Er runzelte die Stirn. "Ist es wirklich so klug, die Menschen, die wir lieben, da mit einzuspannen? Du hast doch selbst gesagt, dass in einer Rebellion Blut fließt."

"Schon klar." Ich verdrehte die Augen, als hätte ich daran selbstverständlich gedacht. Was ich nicht hatte. Aber das brauchte er nicht zu wissen. "Wir brauchen ja nicht die Verwandten selbst. Nur irgendwelche anderen Leute, denen sie vertrauen. Und wenn das noch nicht genug ist, dann Leute, denen diese Leute vertrauen."

Seine Augenbrauen berührten beinahe seinen Haaransatz, aber er widersprach mir nicht mehr. "Ich kann meinen kleinen Bruder fragen. Und meine Mutter. Wie sieht es bei dir aus?"

"Ich habe fünf große Schwestern. Die haben alle massenhaft Freundinnen und Freunde", erklärte ich. 

"Fünf? Wow, deine Eltern sind wohl wirklich Rebellen."

Unwillkürlich musste ich lachen. In Ylenia waren höchstens zwei Kinder pro Familie erlaubt, und das auch nur, wenn die Familie intakt war. "Nein. Sie waren Fünflinge. Das ist alles. Die einzige wirkliche Rebellion war ich. Aber die Regel wird ja ohnehin nicht konsequent durchgesetzt. Egal. Gibst du mir die Nummer deiner Familie?"

"228", sagte er. "Aber ganz ehrlich, wie willst du sie kontaktieren? So bald einer von uns die Wohnung verlässt und von der Polizei gesehen wird, wird er wahrscheinlich gleich erschossen."

DANCE oder wie man mit einer Rebellion beginntWhere stories live. Discover now