Kapitel Neunundzwanzig, Niall

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Malorsie schloss ihre Finger um Nialls und lächelte ihn an. "Aufregend, oder?", flüsterte sie, obwohl sie eigentlich nicht über die Rebellion reden sollten, so lange sie unterwegs waren. 

Wider besseren Wissens nickte er. Obwohl das gelogen war. Es war nicht aufregend - es war beängstigend, seltsam und vor allem illegal. Er widersetzte sich hier allem, was er als Wächter gelernt hatte, nur wegen diesem Mädchen. Er war ein Repräsentant des Gesetzes und nun rebellierte er für eine Sache, bei der er sich nicht einmal sicher war, ob er hinter ihr stand. 

Aber für Malorsie wäre er bis ans Ende der Welt gegangen. 

Mit aller Beherrschung seiner Gesichtsmuskeln, die er aufbringen konnte, erwiderte er ihr Lächeln. 

Zaza neben ihnen tat als müsste sie sich übergeben und Malorsie schnitt ihr eine Grimasse. In diesem Moment hielt die Bahn mit einem Ruck. Sie waren angekommen.

Die Tasche mit dem Lautsprecher in der Hand folgte Niall dem Rest der Gruppe. Sie waren direkt an der Haltestelle stationiert und bauten dort nun ihr Equipment auf. Niall sah auf sein Phone. Noch zwei Minuten. 

Während die fünf anderen Rebellen um ihn herum aufgeregt miteinander sprachen, rief er noch einmal die entsprechende Seite auf und stellte sicher, dass die Überwachungskameras mit Darraghs Computer synchronisiert waren. Wenn alles nach Plan lief, sollten sie in diesem Moment alle der Rebellen sehen. 

"Wie lange noch?", flüsterte Malorsie neben ihm. 

"Eine halbe Minute. Nimm den Lautsprecher raus", antwortete Niall leise. Auf einmal war er nervös. Er war kein besonders guter Tänzer und erst recht kein besonders guter Rebell. Er sah zu Malorsie hinüber, um sich noch einmal davon zu überzeugen, dass er das Richtige tat. Er ertrug den Gedanken nicht, sie zu verlieren. Sie war alles, was er hatte.

Nialls Eltern waren gestorben, als er noch ein kleines Kind war. Er war bei seiner Tante aufgewachsen, die sich nie sonderlich für ihn interessiert und sich lieber um ihre eigenen Kinder gekümmert hatte, und er war von mehreren Schulen geflogen, weil er sich mit Gewalt gegen die Sticheleien anderer Kinder zur Wehr gesetzt hatte. 

Seine Tante hatte ihn dann irgendwann bei der Wächterschule angemeldet, um ihn loszuwerden - oder um "seine Neigung zum körperlichen Einsatz woanders auszuleben", wie sie es ausgedrückt hatte. 

Niall war gerne Wächter gewesen, aber der Beruf war einsam und die meisten Menschen taten so, als würde er gar nicht existieren. 

Bis auf Malorsie. Er hatte sie kennengelernt, als er in der Nähe einer Party stationiert gewesen war. Sie musste an diesem Abend betrunken gewesen sein, denn anders konnte er es sich bis heute nicht erklären, dass sie angehalten und ein Gespräch mit ihm begonnen hatte. Worüber sie geredet hatten, wusste Niall nicht mehr. Er erinnerte sich nur noch an seine Überraschung, dass tatsächlich jemand mit ihm als Wächter sprach. Es war zwar nicht illegal, aber die Leute sahen die Wächter als gefährlich an. Als Überlegene, kaltherzige Menschen, bei denen ein falsches Wort reichte, um verhaftet zu werden. Und für die Wächter selbst war es eigentlich verboten, sich länger als einen Moment von einem Zivilisten ablenken zu lassen. 

Diese Regel missachtete Niall an diesem Abend. Er führte ein wirres und ziemlich abstruses Gespräch mit der betrunkenen Malorsie und brachte sie schließlich nach Hause (Letzteres war allerdings nicht verboten gewesen). Bevor sie sich verabschiedeten, gab er ihr ihre Nummer. 

Am nächsten Tag bekam Niall einen Anruf von ihr. "Ich bin mit dieser Nummer auf meinem Handrücken aufgewacht", sagte ihre verschlafene Stimme am anderen Ende der Leitung. "Wer bist du?"

Bis heute, beteuerte Malorsie, konnte sie sich nicht daran erinnern, was an diesem Abend passiert war. Filmriss. Wie es bei ihrem Alkoholkonsum bei dieser Party eigentlich nicht verwunderlich war. 

Aber die beiden begannen, sich zu treffen. Niall hatte nur selten dienstfrei, aber wenn, dann verbrachte er jede Minute davon mit ihr. 

Die Rebellion war ihm egal. Aber er würde alles tun, um sie zu beschützen. 

DANCE oder wie man mit einer Rebellion beginntWhere stories live. Discover now