Kapitel Fünfzehn, Maven

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„Es ist nicht deine Schuld, Alecia. Sei still. Wir haben uns alle freiwillig dafür entschieden, zu rebellieren. Julica wusste, dass so etwas passieren kann", redete DJ auf Alecia ein, aber sie hörte ihm nicht zu. Eine Träne nach der anderen rann über ihr blasses Gesicht, hinterließ kleine, runde Flecken auf Sheenas Teppich.

Maven rutschte zu ihnen hinüber. „Alecia", sagte er, und kurz sah sie hoch, doch dann starrte sie wieder auf den Boden. „Es ist nicht deine Schuld. Wenn, dann ist es meine Schuld. Wir hätten sofort fliehen müssen, als es an der Tür klopfte, wie du gesagt hast", sprach er aus, was er die ganze Zeit gedacht hatte. Es war seine Schuld. Julica tot, seine Schuld. C verletzt, seine Schuld. Freya in Gefahr, seine Schuld.

„Ach sei still", schniefte Alecia. „Du kannst nichts dafür. Ich war es, die mit diesem ganzen Rebellions-Zeug angefangen hat."

„Ich hätte nicht mitzumachen brauchen. Niemand hätte das. Wie DJ gesagt hat – sie wussten, worauf sie sich einlassen", sagte Maven, und DJ nickte bekräftigend.

Alecia wischte sich Tränen von den Wangen, aber es folgten sogleich neue. „Das macht es nicht besser."

„Oh doch, macht es. Was sagst du dazu, C?", fragte Maven in der Hoffnung auf Unterstützung, aber diese Frage hätte er besser nicht stellen sollen. C sah von seinem verbundenen Bein auf und bedachte die beiden mit einem finsteren Blick.

„Ich bin angeschossen worden. Und das ist noch nicht einmal das Problem, es war nur ein Streifschuss." Mit schmerzverzerrtem Gesicht bewegte er seinen Fuß ein wenig. „Verstaucht. Blöd aufgekommen beim Sprung vom Balkon. Laut Sheena kann ich mindestens drei Wochen nicht mehr richtig laufen, geschweige denn tanzen. Was soll ich deiner Meinung nach sagen? Dankeschön?"

„Ohne Alecia würde die Rebellion gar nicht existieren!" Maven merkte, dass er laut geworden war, und presste sich die Hand auf den Mund.

„Die hören dich eh nicht. Sie sind in der letzten Stunde nicht gekommen, warum sollten sie es jetzt tun?", fragte Alecia.

C hatte den Blick von ihnen abgewandt und starrte den Boden an. Er sah nun nicht mehr wütend aus, sondern traurig. „Ich weiß. Aber trotzdem. Es ist echt beschissen."

„Komm, du bist eh nur wegen deiner Bucket List hier. Du warst ein Teil einer Rebellion. Du hast meine offizielle Erlaubnis, den Punkt abzuhaken", sagte Maven.

C lachte trocken auf. „Das mit der Bucket List war nur eine Ausrede. Ich wollte etwas bewirken. Einmal im Leben etwas richtig machen."

„Aber du hast etwas bewirkt, C. Du bist mein Freund geworden, einer der wenigen, die ich je hatte. Ohne dich hätte das alles hier nur halb so viel Spaß gemacht", sagte Alecia.

„Spaß", spuckte C bitter aus. „Bei einer Rebellion geht es doch nicht um Spaß. Es geht darum, die Welt zu verändern. Und nun kann ich nicht einmal mehr das tun."

„Du hast uns geholfen, C." Maven sah ebenfalls auf den Boden, um die Tränen nicht in den Augen ihres Freundes schimmern sehen zu müssen. „Du hast uns geholfen, zu planen. Und du hast uns geholfen, uns zu ernähren. Du warst ein Teil dieser Rebellion, genau wie all die anderen. Und bestimmt finden wir eine Aufgabe für dich, auch wenn du nicht mehr gehen kannst."

C schwieg. Es war ein endgültiges Schweigen, ein Schweigen, bei dem Maven wusste, dass er keine Antwort mehr bekommen würde.

„Vielleicht ist es das Beste, wenn wir ihn einfach in Ruhe lassen", flüsterte Alecia. DJ, der neben ihr saß, nickte.

„Wer will etwas essen?" Sheena betrat den Raum. Sie war eine kleine, rundliche Frau mit pink gefärbtem Haar und einer Ausbildung zur Ärztin. Letzteres hatte C womöglich das Leben gerettet – Sheena hatte die Schussverletzung desinfiziert und genäht.

Die vier Rebellen schüttelten die Köpfe. Niemand von ihnen war hungrig, obwohl ihre letzte Mahlzeit Stunden zurücklag. Es musste inzwischen nach Mitternacht sein und Maven war müde, doch er wusste, dass er nicht würde einschlafen können. Nicht nach allem, was passiert war. Nicht jetzt, wo er sich Sorgen um Freya machte. Nicht jetzt, wo Cs Worte in seinem Kopf nachhallten.

Alles seine Schuld.


DANCE oder wie man mit einer Rebellion beginntWhere stories live. Discover now