Kapitel Achtunddreißig, Maven

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"Wir rebellieren! Und ihr werdet uns dabei helfen! Daher steht nicht länger rum! Wenn ihr die Rebellion unterstützt, dann verteilt euch in der Stadt. Schließt euch tanzenden Gruppen an. Es ist egal, ob ihr tanzen könnt oder nicht, so lange ihr euch irgendwie bewegt. Wir sind nur eine kleine Gruppe und wenn wir etwas verändern können, dann brauchen wir eure Unterstützung. Unterstützt uns. Es liegt in eurer Verantwortung, die Musik zurückzubringen!"

Maven sah Alecia von der Seite an, während sie sprach. Er war fasziniert von den Worten, die ihren Mund verließen, und auf einmal musste er wieder an ihre Lieder denken. Die Melodie spielte in seinem Kopf, obwohl er es nicht wollte, und mit ihr kam auch die Erinnerung an C zurück. Dass es immer noch so wehtat. Nach all der Zeit, nach all den Ereignissen. Obwohl jetzt überhaupt nicht der Zeitpunkt war, um ihn zu trauern. Wenn selbst er sich so fühlte, der C nie so nahegestanden hatte wie Alecia, wie musste es dann ihr gehen?

Maven bewunderte sie dafür, dass sie trotzdem hier oben stand; er konnte nicht anders. Egal, ob er wütend auf sie sein musste, weil sie sie verraten hatte, dass sie trotzdem hier oben stand, diese Rede hielt und ihre Solidarität zur Rebellion bekundete, brachte ihn zum Lächeln. Das war es, was C gewollt hätte.

"Bringen wir die Musik zurück! Lasst uns tanzen!", schrie Alecia. 

"Lasst uns tanzen!", schrie auch Maven, weil er dachte, dass es so einen größeren Effekt hätte.

Dann sahen sie gemeinsam, die Hände immer noch verschränkt erhoben, so lange schweigend auf die Menschenmenge hinunter, bevor diese sich zerstreute. Die leise Musik im Hintergrund war nun wieder hörbar, Schüsse fielen in diesen Momenten keine mehr. Umso lauter war jedoch derjenige, der die Luft zerfetzte, als Maven und Alecia wieder auf dem Weg hinunter in Darraghs Wohnung waren. 

"Scheiße", flüsterte Alecia. Vorhin hatte sie noch stark gewirkt; nun sah sie aus als würde sie jeden Moment zusammenbrechen. 

Kaum hatte Maven diesen Gedanken zu Ende gedacht, ließ sie sich kurz vor dem Ende der Treppe zu Boden fallen und vergrub das Gesicht in den Händen. Ihre Schulter bebten vor Schluchzern, doch als sie nach einer Weile wieder hochsah waren ihre Augen trocken. Wahrscheinlich gab der Körper irgendwann keine Tränen mehr her, wenn man so lange weinte.

"Ich habe das getan", sagte sie tonlos, ihre geweiteten braunen Augen starrten Maven an. "Ich hätte den Schuss gerade so gut selbst abfeuern können. Alle Schüsse. Ich hätte unsere Leute töten können. Es wäre kein Unterschied gewesen zu dem, was ich getan habe."

Es überraschte Maven, dass er nicht wütend war. Er konnte nicht wütend auf sie sein, nicht hier, nicht jetzt. Nicht in diesem halbdunklen Treppenhaus, während Alecia so zerbrechlich wirkte wie er sie noch nie gesehen hatte, nicht einmal in den Momenten nach Cs Tod.

Und da Maven nicht wusste, was er sonst tun sollte, begann er, zu singen. Es war eines von Alecias Lieder, das sie jedoch nicht für die Rebellion ausgewählt hatten, weil man nicht gut dazu tanzen konnte. Ihm hatte es immer gefallen. Nun formte er mit zitternden Lippen die Worte, von denen sich jedes in sein Gedächtnis eingebrannt hatte, und ganz leise schallte eine Melodie durchs Treppenhaus.

"Dreams in the wind,

Like colourful illusions.

Memories in your eyes,

There as long as you hold on to them.

I thought I ran out of words to write.

I thought I ran out of things to say.

But I will fight for my future,

And write it anyway."

Mit zitternder Stimme stimmte Alecia mit ein. Fast von selbst schienen sich ihre Finger mit Mavens zu verschränken, aber dieses Mal fühlte es sich anders an als vorhin. Echter. Sie klammerte sich geradezu an ihn, als würde sie ertrinken, und er hielt sie fest als könnte er sie retten. 

"They told me it's forbitten what we do.

But this is what we choose.

Where we stand we will stay,

And write it anyway.

Questions in the wind,

Like the vibrant smell of losing.

Fear in our eyes,

But braveness is what we're choosing.

I thought I ran out of words to write.

I thought I ran out of things to say.

But I will fight for my future,

And write it anyway.

They told me it's forbidden what we do,

But this is what we choose.

Where we stand we will stay,

And write it anyway."



DANCE oder wie man mit einer Rebellion beginntWhere stories live. Discover now