Kapitel Einundzwanzig, Alecia

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C bekam keine Beerdigung. Zumindest keine richtige.

Am Tag nach seinem Tod hatte Sheena seinen Körper kurzerhand in eine Abstellkammer geschafft, aber nun wurde uns allen mehr und mehr bewusst, dass das keine dauerhafte Lösung war. Und da wir ihn nicht begraben lassen konnten, ohne dass wir riskierten, aufzufliegen, entschlossen wir uns schließlich dazu, ihn in einer Nacht-und-Nebel-Aktion im Garten hinter dem Haus zu verbuddeln.

Sheena, Freya und ich gruben das Loch. Dann trugen Maven und DJ die Leiche hinaus und legten sie hinein. Wir alle waren vermummt, verschmolzen in unserer dunklen Kleidung mit dem Schutz der Nacht, wie die Verbrecher, die wir waren. Doch im Moment hatte ich andere Sorgen. Obwohl ich C im Dunkeln nicht richtig sehen konnte, kamen mir beim Anblick des Grabs die Tränen.

Es gab keine Grabreden, keine feierliche Musik. Alles, was auch nur das geringste Geräusch verursachte, war hier draußen zu gefährlich. Eigentlich hatten wir geplant, diesen Teil der Beerdigung später in der Wohnung abzuhalten, doch als wir Erde auf das Grab geschaufelt hatten und uns drinnen auf die Couch gesetzt hatten, herrschte nur Schweigen. Wir wussten nicht, was wir sagen sollten. Es gab so viele Dinge zu sagen und gleichzeitig nichts, was man aussprechen wollte.

In Büchern waren solche Momente immer unglaublich emotional. Jeder redete über die besten Eigenschaften an seinem Freund, jeder weinte. Aber wir weinten nicht einmal. Wir hatten so viel geweint, dass wir nun gar keine Kraft mehr dafür hatten.

In Gedanken wiederholte ich mein Lied, um mich abzulenken. Das Lied, von dem Maven gesagt hatte, es hätte ihm gefallen. 'T seems like he's running, running through the streets of a city he has never seen. 'T seems like he's running, running straight through a place where he has never been ...

Es war Maven, der das Schweigen schließlich brach und die Beerdigung gleichzeitig eröffnete und sie beendete. «Das war wahnsinnig egoistisch», stieß er hervor, die Hände zu Fäusten geballt. Er sah verzweifelt aus, wütend, traurig, und ich wusste, dass er es wahrscheinlich nur gesagt hatte, weil er nicht wusste, was er sonst sagen sollte, aber dennoch kochte bei diesen Worten Wut in mir hoch. Wenn ich in den Tagen zuvor noch so etwas wie Verbundenheit zu ihm gespürt hatte, dann war es damit spätestens jetzt vorbei.

«Halt die Fresse, Maven», fuhr ich ihn an. «Das können wir jetzt alle nicht brauchen.»

«Aber es war egoistisch! Er hat keine Sekunde daran gedacht, wie wir uns fühlen!», verteidigte er sich. «Das heißt nicht, dass ich nicht traurig bin, aber ...»

«Sei still! Sei einfach still! Du machst es damit nicht besser!» Ich ertrug es nicht, dass er so über C redete. Über einen der einzigen Freunde, die ich je gehabt hatte. Ob er recht hatte oder nicht, interessierte mich nicht. Er durfte nicht so über C reden.

«Beruhigt euch!», ging Freya dazwischen. «Cosmo hätte nicht gewollt, dass ihr euch seinetwegen streitet. Darüber, ob Selbstmord egoistisch ist oder nicht, kann man stundenlang diskutieren, aber jetzt ist nicht der Zeitpunkt dafür. Wir wollten uns von Cosmo verabschieden und keine Diskussion über die Richtigkeit seines Verhaltens führen.»

«Okaaay», sagte ich gedehnt, unwillig, das Gespräch an diesem Punkt abzubrechen. Er konnte nicht einfach damit davonkommen, dass er schlecht über C redete.

Aber Freya hatte recht. Es führte zu nichts. Und wenn C bei diesem Streit dabei gewesen wäre, dann hätte er gelacht. «Ist das wirklich so wichtig?», hätte er gefragt, mit diesem ganz bestimmten Lächeln auf dem Gesicht, wie er es oft getan hatte, wenn sie über Details der Rebellion sprachen.

«Lassen wir das hier einfach. Es ist so gezwungen wie unnötig», seufzte Sheena. «Möchte jemand einen Tee?»

«Aber wir können doch nicht einfach nichts über Cosmo sagen!», protestierte ich. «Das hier ist seine Beerdigung. Er hat es verdient, dass wir über ihn sprechen.»

Sheena sah mich mit einem verzweifelten Ausdruck im Gesicht an. «Was willst du denn sagen? Scheinbar haben wir ihn ja gar nicht gekannt.»

Ich wollte vieles sagen. Ich wollte sagen, dass C mich zum Lachen gebracht hatte. Dass sein Karottenkuchen bestimmt der beste der ganzen Stadt gewesen war, obwohl er beim Backen eine riesige Sauerei gemacht hatte. Dass er mit seinen Kommentaren, von denen niemand wusste, wie ernst er sie meinte, unsere Arbeit zwar eher behindert hatte als etwas anderes, aber dass ich mir die Rebellion trotzdem nicht mehr ohne ihn vorstellen konnte.

Aber scheinbar war das ja alles gar nicht der wahre C – Cosmo – gewesen. Konnte man über eine Fassade sprechen wie über einen Menschen? Meine Gedanken drehten sich um sich selbst, raubten mir die Luft. Ich war immer ein geordneter Mensch gewesen, nicht sonderlich emotional, hatte mich unter Kontrolle gehabt, aber das hier zog mir den Boden unter den Füßen weg. Und ich fiel und fiel und fiel und fiel und fiel und fiel, ohne das Gefühl zu haben, dass es je wieder aufhören würde.

Meine Schuld Meine Schuld Meine Schuld Meine Schuld Meine Schuld Meine Schuld Meine Schuld Meine Schuld Meine Schuld Meine Schuld Meine SchuldMeineSchuldMeineSchuldmeineSchuldmeineschuldmeineschuldmeineschuldmeineschuld ...


DANCE oder wie man mit einer Rebellion beginntWhere stories live. Discover now