Kapitel Fünfunddreißig, Fyorine

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"Wir müssen hier raus." "Aber wie?" "Wir können uns nicht gefangen halten lassen." "Wir müssen fliehen." "Genau." "Die Rebellion ist noch nicht vorbei." "Wir sollten einfach aufgeben und hoffen, dass die da draußen es regeln." "Was?" "Nein." "Doch." "Das bringt nichts." "Seid still, ich will schlafen!"

Fyorine bekam die Gespräche der anderen nur am Rande mit. Sie saß in einer Ecke der kleinen Gefängniszelle, die Knie an den Körper gezogen, und bereute alles, was sie getan hatte. Das war die schlechteste Entscheidung in ihrem Leben gewesen. Dabei hatte sie doch alles unter Kontrolle gehabt. 

Sie hatte ein gutes Leben geführt. Sie hatte einen Job gehabt, ein sicheres Einkommen, war angesehen gewesen, hatte viele Freunde gehabt. Ihre Wohnung war sauber gewesen, das Essen immer rechtzeitig gekocht, alle Aufgaben erledigt. Eine glänzende Karriere hatte ihr bevorgestanden, trotz ihres fortgeschrittenen Alters. Und dann war die Musik gekommen. Dann hatte ihr Malorsie, die in ihrem Betrieb gearbeitet hatte, still und heimlich ein Stück vorgespielt und sie hatte sich an ihre Jugend zurückerinnert. An die Tage, als sie ihre erste große Liebe kennengelernt hatte - den Mann, der auch gleichzeitig ihr letzter gewesen war. Der sie mit zerbrochenem Herzen auf einem Schuldenberg hatte sitzen lassen. 

Aber vor allem hatte sie sich an die Tage davor erinnert. Die Tage, wo sie wirklich zusammen gewesen waren. Die Tage, an denen sie ihn geliebt hatte. Als sie noch jung gewesen war und ihr Leben nicht ihrem Job gehört hatte. Als sie davon geträumt hatten, um die Welt zu reisen und Musik zu machen. 

Sie wusste nicht, was sie gehofft hatte. Vielleicht hatte sie gedacht, wenn sie die Musik zurückbrachten, dann würde ihr das helfen. Dann würde die anstrengende Eintönigkeit aus ihrem Job und ihrem Leben verschwinden. Dann würde sie wieder beginnen, Musik zu machen, und vielleicht wirklich Erfolg haben damit. 

Aber diese Hoffnung war scheinbar umsonst gewesen. Jedenfalls saß sie nun in einer Gefängniszelle, zusammen mit dem Rest ihrer kleinen Gruppe. Zu fünft waren sie, und die anderen vier diskutierten schon seit ihrer Verhaftung über einen möglichen Ausbruch. Fyorine hatte sich nicht an der Diskussion beteiligt. Sie wusste selbst nicht, was sie wollte. 

Ein Schlüssel wurde im Schloss gedreht und sie hob matt den Kopf. Es war ein Wächter, aber er hatte seinen Helm abgenommen. Und er öffnete die Tür. "Kommt. Raus. Alle. Ich lasse euch gehen. Aber schnell."

Die Rebellen tauschten verwirrte Blicke aus, und dieses Mal war Fyorine auch dabei. Was sollte das?

"Wenn sie uns reinlegen wollen, dann können Sie das gleich lassen", zischte die vorlaute Malea. "Wir sterben lieber mit Würde."

Der Wächter hob beschwichtigend die Hände. "Ich will euch nicht reinlegen. Warum sollte ich das tun? Ich will euch helfen. Kommt jetzt?"

Fyorine stand langsam auf. "Aber warum wollen sie uns helfen?", fragte sie. "Sie sind ein Wächter."

"Ein Wächter, der das Verbot der Musik für falsch hält. Und der ehemalige Gitarrist der Hologramme. Wir waren weltbekannt, bevor dieser Mist eingeführt wurde", erklärte er. 

"Die Hologramme? Das waren Sie?", stieß Fyorine hervor. "Das war eine meiner Lieblingsbands!"

Der Wächter lächelte kurz, wurde dann schlagartig wieder ernst. "Vertraut mir. Ich bringe euch hier raus."

Nach kurzem Zögern folgte die Gruppe ihm. 

DANCE oder wie man mit einer Rebellion beginntWhere stories live. Discover now