Kapitel Siebzehn, Maven

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Als Maven und Alecia das Wohnzimmer betraten, saß C immer noch am genau gleichen Punkt. Der Teller mit dem inzwischen erkalteten Essen stand vor ihm auf dem Boden.

Alecia stupste ihn an. „C?"

Er verriet nur durch ein schweres Einatmen, dass er noch am Leben war.

„C, rede mit mir", verlangte sie. „Schön, du kannst nicht an der Rebellion teilnehmen, aber wenn du jetzt deswegen in einer solchen Melancholie versinkst, dann bewirkst du noch weniger als wenn du dich bemühst, uns zu helfen. Wir versuchen, die Songs wieder zusammenzukriegen. Dabei kannst du uns helfen. Wir brauchen deine Hilfe."

C drehte abrupt den Kopf und sah ihr direkt in die Augen. „Du hast keine Ahnung von meinem Leben, A. Sag mir nicht, was ich tun soll."

„Ja, keine Ahnung von deinem Leben, das haben wir alle." Maven sah Tränen in Alecias Augen glitzern. „Aber du bist mein Freund. Vielleicht ist es an der Zeit, dass du uns mal etwas über dein Leben erzählst."

„Was willst du hören? Dass ich ein Versager bin? Ich glaube, das weißt du schon", stieß C hervor.

Alecia lachte trocken auf. „Jetzt sei still! Ich kann das nicht mehr hören. Wir alle haben Julica verloren. Wir alle haben Mavens Wohnung verloren, ich habe sogar meine Gitarre verloren. Die Zukunft der Rebellion ist wahnsinnig unsicher, und alles, woran du denkst, ist, dass du nicht mehr tanzen kannst. Könntest du nicht auch einmal an uns denken, dich aufraffen und uns helfen?"

C schwieg. Er sah sie nicht mehr an, starrte an ihr vorbei an die Wand. „Ja", sagte er. „Das kann ich."

Doch als sie wenig später versuchten, die Lieder wieder zusammenzukriegen, erinnerte er sich nicht an mehr als an ein paar Sätze. Er schien gar nicht richtig bei ihnen zu sein, spielte unentwegt an einem losen Faden seiner Hose und starrte die Wand an. Maven war genervt, und gleichzeitig machte er sich Sorgen. Nicht nur um C, sondern auch um Alecia. Er konnte ihr ansehen, wie sie unter dem Zustand ihres Freundes litt.

Irgendwann konnte er es nicht länger mit ansehen. Als Sheena den Raum verlassen hatte, um mit Freya zu telefonieren, und DJ in der Küche kochte, sprach er C darauf an: „Ist alles okay mit dir? Also abgesehen vom Offensichtlichen?"

Er wusste nicht, ob es ein Fehler war, zu fragen, aber die Antwort bekam er sogleich geliefert. C sah ihn mit leerem Blick an. „Klar, alles bestens. Mein Leben ist ein Haufen Dreck, es könnte mir nicht besser gehen."

„C, warum ...", setzte Alecia an, aber er unterbrach sie:

„Nenn mich nicht mehr C. Ich bin nicht mehr C, ich war nie C. Mein Name ist Cosmo. Ihr dürft jetzt lachen."

„Wir würden doch nicht über dich lachen", versicherte Alecia ihm. „Was ist so schlimm am Namen Cosmo?"

„Nichts, so lange irgendwelche Idioten nicht beschließen, dich deswegen Wanda zu nennen. Was natürlich unglaublich lustig ist", erwiderte er bitter.

„Wanda?", fragte Maven.

„Cosmo und Wanda. Kinderserie aus den 2000ern. Inzwischen zensiert, aber irgendwoher haben die Typen alte Aufnahmen davon gefunden. Ach, so lustig. Ihr wollt wissen, was los ist? Ich hatte keine Freunde und meine Eltern haben mich rausgeworfen, weil ich so ein Versager war. Die Rebellion war alles, was ich noch hatte. Und nun ist selbst das vorbei, weil ich nicht richtig von diesem blöden Balkon gesprungen bin."

„C ... Cosmo, es war schon unglaublich, dass du mit der Schussverletzung überhaupt noch klettern und springen konntest. Du bist kein Versager, du bist ... du bist ein Superheld mit einem fantastischen Sinn für Humor, und du bist mein Freund. Ich hatte auch nie Freunde", sagte Alecia.

„Ihr seid einfach zu cool", fügte Maven hinzu.

Alecia lachte. „Genau. Wir finden eine Aufgabe für dich. Du wirst etwas bewirken, das verspreche ich dir."

Er wandte den Blick wieder ab. „Netter Versuch. Aber ihr habt mich nie kennengelernt. Ihr habt C kennengelernt, den Menschen, den ich erfunden habe. Cosmo könntet ihr nicht ausstehen."

„Dann gib uns doch eine Chance, ihn kennenzulernen. Du kannst für uns auch wieder C sein, wenn du willst, es ist mir egal. So lange du du bist."

Maven und Cosmo sahen Alecia an. „Äh, was?"

„Was was?"

„Das ergab gerade überhaupt keinen Sinn", entschied Maven. „Wenn das eine er ein anderes er ist als ..."

„Musst du das jetzt alles zerstören?", fuhr sie ihn an. „Ich versuche hier gerade, C zu helfen. Oder Cosmo. Oder wer immer er ist."

„Kommt, das ist doch verrückt. Lasst ihn erst einmal ein bisschen schlafen und essen, dann sieht alles wieder besser aus", sagte DJ, der in diesem Moment aus der Küche kam. „Sheena hat gerade gesagt, Freya hätte noch die größten Teile ihrer Lieder im Kopf. Sie hat sie für uns aufgeschrieben."

„Super", sagte Maven matt. Eigentlich war ihm die Rebellion in diesem Moment egal. Cosmo saß vor ihnen wie ein Häufchen Elend und hatte schon wieder damit begonnen, die Wand anzustarren, als würde er etwas suchen.

„Wahrscheinlich ist das das Beste, was wir tun können. Ruh dich ein bisschen aus, Cosmo, und dann finden wir einen Job für dich. Ich kann es kaum erwarten, Cosmo kennenzulernen." Alecia stand auf. Sie war blass geworden, unsicher auf den Beinen. „Vielleicht sollte ich das auch tun, mich ausruhen", sagte sie.

Maven begleitete sie ins Gästezimmer und schloss die Tür hinter ihr. Er selbst setzte sich draußen auf den Boden, den Rücken gegen die Wand gelehnt. Seine Gedanken kreisten um C – Cosmo – und Julica, um Freya und seine Wohnung und die Rebellion. Die Rebellion, die eigentlich in zwei Wochen anstand. Zwei Wochen um das alles wieder in Ordnung zu bringen.

Im Moment fühlte es sich an, als wäre das ungefähr ein Jahr zu wenig.

DANCE oder wie man mit einer Rebellion beginntWhere stories live. Discover now