01 - Auf der Flucht

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Ich rannte und rannte über den feuchten Waldboden. Meine Lungen waren schon vor einem Kilometer an ihrem Limit angekommen, doch meine Pfoten schlugen weiterhin in einem stetigen Rhythmus zwischen den Ästen und Zweigen auf, ohne auch nur einen Laut zu erzeugen. Die kalte Nachtluft zerrte an mir. Mein schwarzes, weiches Fell war zwar nicht das dichteste, trotzdem gelang es ihm ohne Probleme zu verhindern, dass diese Kälte auch nur in irgendeiner Form zu mir durchdrang. Obwohl um mich herum finsterste Nacht herrschte und selbst der Mond sich nicht blicken ließ, reichte das wenige Licht der Sterne aus, um mich alles gestochen scharf erkennen zu lassen. Dabei sollte es allein schon bei meiner Geschwindigkeit nicht mehr möglich sein mehr als nur ein verschwommenes Bild erkennen zu können. Nur der alte Rucksack, den ich mit Mühe versuchte im Maul zu halten ohne, dass ihn mir der Laufwind entriss und in die Weiten der Nacht davon schleuderte, deutete darauf hin wie schnell ich tatsächlich war.

Schnell versuchte ich ein wenig fester zuzubeißen. Ich durfte das Ding in keinem Fall verlieren, denn dieser kitschige, abgeranzte, rosa Rucksack mit dem riesigen Einhornkopf vorne drauf war, inklusive seines Inhalts, das einzige was ich noch hatte. Alles andere wurde mir vor wenigen Minuten genommen. Jedoch sollte das mein kleinstes Problem sein würden sie mich erst einmal geschnappt haben. Deshalb konnte, nein, durfte ich auch nicht langsamer werden. Verzweifelt zwang ich meine Beine dazu noch ein wenig schneller zu werden. Wie konnte meine Welt nur in wenigen Minuten so zusammenbrechen?

Eine Träne entwischte aus dem Winkel meiner mandelförmigen Augen, schaffte es jedoch nicht weit, bevor sie von der rasenden Geschwindigkeit in die tiefen Weiten der dunklen Nachtluft des Waldes um mich herum davon gerissen wurde. Im selben Augenblick gelang es meinen mittlerweile vor Erschöpfung schmerzenden Pfoten plötzlich nicht ganz über einen umgekippten Baumstamm zu kommen. Ich blieb hängen, stolperte und überschlug mich im Zuge dessen mehrmals selbst, bevor ich auf der Seite direkt vor einer Eiche zum Liegen kam. Mein Atem ging immer noch rasend und ich merkte erst jetzt wie sehr meine Pfoten schmerzten. Dennoch erhob ich mich schwerfällig. Taumelnd und nicht ohne ein Paar mal den Halt zu verlieren schaffte ich es mit meinen letzten verblieben Kräften mich auf die erste breite Astgabel der alten Eiche zu ziehen. Nach einem kurzen horchen war ich mir sicher. Keine Meute rasender Verfolger zu hören. Ich würde mir ein paar Minuten Verschnaufpause gönnen, bevor ich weiter rannte. Ich wollte kein Risiko eingehen und Fehler, die durch meine Erschöpfung entstanden bargen auf jeden Fall ein Risiko.

Nach ein paar Versuchen schaffte ich es dann auch endlich den kitschigen Rucksack über einen von dieser Astgabel abzweigenden Stock zu befördern und aufzuhängen. Erst dann, als ich meinen Kiefer endlich vorsichtig dehnen fiel mir auf, wie verkrampft ich den Beutel wirklich festgehalten hatte. Hoffentlich hatte ich da Ding durch meine spitzen Reißzähne nicht beschädigt. In meiner Verzweiflung wollte ich nicht auch noch mein letztes Hab und Gut zerstören. Egal wie hässlich ich es auch fand.

Vorsichtig bettete ich meine Schnauze auf den rauen Ast unter mir und als wäre es Schicksal, begann zu gleich ein monotoner Nieselregen auf mich ein zu tröpfeln. Das war natürlich nichts gegen den Urwaldregen, für den dieses Fell eigentlich geschaffen war, aber dennoch seufzte ich leise und meine Gedanken wanderten sehnsüchtig zu meinem kuschelig warmen Bett. Ich hatte es so schön. Warum musste ich denn mein Glück auch unbedingt herausfordern? Ein innerer Schmerz überrollte mich und ich schloss voller Wehmut und Verzweiflung meine Augen.

Was hatte ich nur getan? Ich hatte einfach so mein Leben mit meiner Familie aufs Spiel gesetzt. Kira, ihre Eltern und ihr schrulliger Großvater waren zwar nicht meine echte Familie. Aber sie hatten mich von Anfang an so behandelt, als wären sie es. Atien und Dakota hatten mich bereits als Säugling bei sich aufgenommen. Und dass, obwohl Dakota selbst gerade mit Kira schwanger war und die winzige Bruchbude in der wir wohnten definitiv nicht für fünf Personen ausgelegt war. Und obwohl die Beiden nie ein Geheimnis darum gemacht hatten, dass sie nicht meine echten Eltern waren, was im Übrigen auch nicht schwer zu übersehen war, hatten sie es doch immer geschafft mich so zu behandeln, als wären sie es. Mit viel Liebe und viel zu übertriebenen genervten Seufzern, wenn Kira und ich es mal wieder nicht schafften unser gemeinsames Zimmer begehbar zu machen.

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