Lukana Octo Teil 3

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Wenn sie kontrollieren könnte, was sie träumte, und es zu „prophetischen Träumen" machen könnte, wäre es dann möglich gewesen, diesen „Vorfall" aufzuhalten, bevor er eintrat?
Aus irgendeinem Grund erinnerte sich Lukana an die Ereignisse vor zehn Jahren, als sie den Mann ansah, der auf dem Bett schlief. Das war das erste und letzte Mal, dass sie einen prophetischen Traum hatte. Sie wusste selbst nicht, warum sie das geträumt hatte. Die Zauberin, die diese Stadt gerettet hatte, wusste es wahrscheinlich. Im Land wurde viel über sie geredet. Sie hatte die Krankheit eines Adligen geheilt hatte, oder eine Stadt gerettet hatte, die unter einer Hungersnot litt, ähnlich wie Mystica. Aber Lukana hatte die Zauberin seit diesem Tag nie wiedergesehen.
Sie schaute aus dem Fenster. Es würde bald dunkel werden, trotzdem feierten die Leute noch das Neujahrsfest. Feste waren überall gleich und sie zogen immer Leute an.
Der Besitzer der Schneiderei, in der sie war, war Lukanas Onkel. Einige der Kleider, die er herstellte, wurden in diesem Geschäft in Lasaland, weit entfernt von Mystica verkauft. Wegen des Festes hatte er viele Kundenaufträge bekommen. Lukana war deswegen in den Norden gereist, um ihm Waren zu liefern.
Sie hatte eine Pause eingelegt und geplant, das Neujahrsfest zu genießen, während sie in Lasaland war. In ein paar Tagen wollte sie dann wieder nach Mystica zurückfahren. Das Neujahrsfest war sehr aufregend, anders als alles, was Lukana auf Mystica erlebt hatte. Sie hatte sehr genossen, wie lebendig alles war. Gleichzeitig hatte sie jedoch daran gedacht, dass es mehr Spaß machen würde, wenn sie ihre Freunde aus Mystica mitgenommen hätte. Genau in dem Moment als sie das gedacht hatte, sah sie den Herzog Venomania, der mitten auf der Straße ohnmächtig wurde. Schon vor dieser Zeit war Lukana oft in Lasaland gewesen und sie hatte schon immer ein Auge auf ihn geworfen. Als Illotte noch der Herzog war, konnte sein einziger Sohn immer friedlich durch die Straßen bummeln.
Sein langes violettes Haar war hinten zusammengebunden und seine Wimpern waren so schön, dass man ihn für eine Frau halten könnte. Er hatte ein majestätisches Auftreten und immer ein strahlendes Lächeln auf dem Gesicht, wenn er mit den Stadtbewohnern redete. Im Moment sah er allerdings gar nicht so aus. Die Kleidung, die er trug war nicht schlecht, man erkannte schon auf dem ersten Blick, dass sie aus hochwertigem Material gefertigt wurde. Aber egal, wie gut die Qualität der Kleidung ist, ohne gute Pflege sieht sie alt und abgenutzt aus. Diese abgenutzte Kleidung verschwendete sein gutes Aussehen--
Gerade als Lukana seine Kleidung betrachtete, zuckte Sateriasis' Hand leicht. Dann öffnete er langsam die Augen und neigte den Kopf zu Lukana. „Wie geht es Euch, Herzog Venomania?" Als sie mit ihm sprach, sah Sateriasis sie nur verwirrt an. Schließlich flüsterte er: „Herzog Venomania? Bin ich das...?" „Ja, Ihr seid Herzog Sateriasis Venomania, Ihr seid der Herr der Asmodean Region. Geht es Euch gut? Könnt ihr Euch erinnern?"
„Ah ja, ich bin Sateriasis, ja das stimmt." Sagte er, als würde er sich selbst bestätigen. Er stand langsam auf. „Wo...bin ich?" „Ihr seid in der Schneiderei Octo in der Stadt Lasaland. Ihr seid auf der Straße zusammengebrochen, Eure Hoheit."
„Tut mir leid wegen der Umstände."
„Wie fühlt Ihr euch?" fragte Lukana erneut. Als Antwort knurrte Sateriasis Magen leise. „Es geht mir gut...aber es scheint, als wäre ich ein wenig hungrig." „Ich bringe Euch sofort etwas zu essen!" Lukana atmete erleichtert aus. Ihm ging es also gut. Sie verließ das Zimmer und ging in die Küche. Als sie wiederkam hatte sie ein wenig zubereitetes Essen auf einem Teller angerichtet. „Ich weiß nicht, ob sie Euch schmecken werden, aber-" „Danke." Sobald Lukana den Teller auf den Tisch stellte, nahm Sateriasis das Brot und schob es sich in den Mund. Es war fast niedlich, wie seine Wangen sich beim Kauen bauschten. „Mm, das schmeckt gut." „Das Brot ist mit Baba Ghanoush und Paprika gefüllt. Normalerweise sollte man dieses Essen nicht einem Herzog servieren, aber-" „Nein, es ist köstlich!" Er verschlang das Essen im Handumdrehen. Danach sagte er etwas schuldbewusst: „Entschuldigung, aber könnte ich noch etwas haben?" „Haha, Ihr müsst sehr hungrig gewesen sein." Lukana holte wieder etwas Baba Ghanoush Brot aus der Küche. Erneut verschlang Sateriasis es begeistert. Er trank etwas Tee, den sie mit dem Essen herausgebracht hatte und begab sich dann zu ihr. „Puh... ich bin total satt. Danke, ich fühle mich viel besser." Sateriasis neigte den Kopf, als er den Dank aussprach. „Entschuldige, wenn es unhöflich wirkt, aber kann ich Euch etwas fragen?" fragte Lukana unsicher. Es ging sie zwar nichts an, aber sie war um ihn besorgt. „In Ordnung, Ihr könnt mich alles fragen." „Wie kommt es dazu, dass ihr in dieser Kleidung durch die Stadt lauft? Und es scheint, als hättet ihr sehr lange nichts mehr gegessen."
„Ja, es muss seltsam sein, einen Herzog in diesem Zustand zu sehen."
„Ich komme nicht aus dieser Stadt, also weiß ich nicht alles darüber, aber..."
„Ich verstehe. Wo kommt Ihr her?"
„Mystica. Ich bin wegen meiner Arbeit in Lasaland."
„Oh, was ist Eure Arbeit?"
„Ich bin Schneider."
„Das ist großartig. Ihr müsst sehr gut sein. Das fühle ich."
„Oh, danke...Also dann." Lukana räusperte sich, um das Gespräch wieder auf das eigentliche Thema zu lenken. „Ich hörte, dass die Stadtbewohner sagen, dass Ihr verrückt geworden seid...Natürlich glaube ich ihnen nicht, besonders jetzt." Sateriasis schien nicht im Geringsten geistig krank zu sein. Er wirkte sehr offen und freundlich. Als Sateriasis ihre Worte hörte, sah er seine eigene Kleidung an und ließ dann seinen Kopf nach hinten fallen. „Nun, ich denke, es ist verständlich, dass sie das denken, so wie ich jetzt aussehe. Und dann war da ja noch dieser Vorfall. Mein Vater, meine Mutter, alle anderen...sie sind alle tot."
„Ich habe gehört, dass man noch nicht weiß, wer der Mörder ist."
„Ja, ich fühle mich schuldig, weil die Leute so beunruhig darüber sind."
„Ihr müsst euch nicht schuldig fühlen! Ihr seid derjenige, der am meisten darunter leidet, Eure Hoheit!" Sagte Lukana und ihre Augen wurden feucht. Sie wusste nicht warum. Aber wenn sie an Sateriasis Stelle gewesen wäre, wenn ihr eigenes Haus zerstört wurden wäre und alle getötet wurden wäre—Die Gesichter ihrer Mutter, ihres Vaters und die ihrer Freunde Lilien und Rajih kamen ihr in den Sinn. Sie stellte sich vor, sie alle zu verlieren. Als sie sich das vorstellte, konnte sie die tragische Situation verstehen, in der sich Sateriasis befand. „...Aber Ihr wurdet verschont...seid dankbar dafür." Endlich zwang sie diese Worte aus ihrem Mund. „Ihr seid ein sehr freundlicher Mensch, Miss...ähm..." „Haha, ich habe vergessen, mich vorzustellen." Lukana wischte sich die Tränen von den Augen und richtete sich auf. „Lukana. Mein Name ist Lukana Octo, Eure Hoheit." „Lukana...Das ist ein schöner Name. Ich bin Sateriasis Venomania, aber ich denke, das wisst Ihr bereits."
„Hahaha."
„Um ehrlich zu sein ist es mir unangenehm, „Eure Hoheit" genannt zu werden, da mir diese Position gegen meinen Willen gegeben wurde."
„Ist dem so?"
„Nachdem mein Vater gestorben ist, habe ich den Titel des Herzogs sehr schnell übernommen. Es würde viele Probleme geben, wenn ich das Land nur als Graf regieren würde. Deshalb wurde mir diese Position gegeben, nur für mein Ansehen." Selbst Elluka, eine einfache Bürgerliche verstand, dass die Adligen in Asmodean und Beelzenia sehr viel Wert auf Tradition und Auftreten legten. Sie hatte Mitleid mit Sateriasis, da er in diese Position gedrängt wurde, auch wenn er es nicht wollte. Sie wusste, dass sie selbst nichts dagegen tun konnte. „Also, wenn es dir möglich ist, würde ich vorziehen, dass du mich etwas anders nennst, nur „Sateriasis" ist in Ordnung.

„Trotzdem, egal was für Umstände es gibt, ein Herzog ist für mich immer noch ein Herzog."
„Du solltest dir nicht so viele Sorgen darüber machen." Sateriasis wies sie mehrmals daraufhin, aber trotzdem wollte sie ihn nicht anders als „eure Hoheit" nennen. Er war zwar freundlicher als sie gedacht hatte, aber er war ein Adliger und der Herr dieser Region.
Die Tür öffnete sie plötzlich, während die beiden redeten und Lukanas Onkel, der Besitzer des Ladens trat ein. „Eure Hoheit, Ihr habt Euer Bewusstsein wiedererlangt, fühlt Ihr euch besser?"
„Mir geht es gut, keine Sorge. Tut mir leid, wenn ich Euch Probleme bereite."
„Dann ist es ja gut. Verzeiht meine Unhöflichkeit, aber es wäre das Beste, wenn Ihr euch von einem Arzt untersuchen lasst, nur um sicher zu sein. Eure Gesundheit ist sehr wichtig, sowohl für uns als auch für Euch selbst."
„Das werde ich tun. Ich war eine Last für euch. Jetzt habe ich nichts bei mir, aber ich werde euch später meinen Dank ausrichten." Sagte Sateriasis und stand langsam auf. „Geht Ihr nach Hause? Ihr solltet euch noch ein wenig länger hier ausruhen. Nun, vielleicht ist so ein kleines Gebäude wie dieses etwas bedrückend für Eure Hoheit."
„Das ist es nicht. Ich habe euch beiden Unannehmlichkeiten bereitet. Ich will euch nicht weiter eine Last sein."
„Es wird schon dunkel draußen. Bitte erlaubt uns, Euch zu eurer Villa zu begleiten...Lukana, kannst du das übernehmen?" Lukana nickte als Antwort auf seine Frage. Wegen des Neujahrsfestes gab es immer noch viele Kunden, Lukana war diejenige, die keine Arbeit hatte. „Wenn es Euch nichts ausmacht, zieht bitte die Kleidung an, die wir hier haben." Sagte ihr Onkel und übergab Sateriasis eine formelle Kleidung. „Das sind die besten Kleider im Laden. Sie sollten bequemer sein als das, was Ihr jetzt tragt." „Ihr macht Euch wegen mir solche Mühe. Das müsst Ihr nicht tun." Sateriasis nahm die Kleidung und faltete sie auseinander, um sie sich genauer anzusehen. „Ja, das Design sieht sehr schön aus. Ich mag die Verzierungen und die Stickereien sehr gerne."
„Ich weiß, dass Eure ganze Familie den Kleidungsstil von Marlon bevorzugt."
„Oh, dann kommt diese Kleidung aus Marlon?"
„Nein. Lukana hat es gemacht und versucht, es auf den Kleidungsstil in Marlon anzulehnen. Obwohl das Material wahrscheinlich nicht so wertvoll ist, wie das, was Ihr tragt, Eure Hoheit."
„Ich verstehe. Also lag ich richtig mit der Vermutung, dass du eine sehr begabte Schneiderin bist, Lukana." Sagte Sateriasis und sah in ihre Richtung. Ihre Wangen erröteten leicht. „Ich werde die Kosten der Kleidung zusammen mit dem Dankeschön schicken. Ich würde mich gern umziehen, ist es in Ordnung für euch, das Zimmer kurz zu verlassen?" „Natürlich, lasst Euch Zeit." Lukana und ihr Onkel verließen den Raum.
„Onkel?"
„Ja?" Während sie warteten, beschloss Lukana, ihren Onkel nach Informationen über Sateriasis zu fragen. „Ich hörte, dass die Stadtbewohner spekulieren, dass der Herzog verrückt geworden ist, aber für mich sieht es nicht so aus..."
„Ah, das sind nur leere Gerüchte. Egal wo man ist, es wird immer Idioten geben, die so etwas verbreiten, nur-"
„Nur...was?"
Ich habe gehört, dass der Herzog einige seiner Erinnerungen verloren hat."
„Seine Erinnerungen?"
„Das habe ich von einer weiblichen Offizierin gehört, die den Laden besucht hat."
„Ah, Ihr redet von der Person, die so komisch redet."
„Er hat ein schreckliches Ereignis erlitten. Seine Villa wurde von jemandem angegriffen und alle außer er selbst wurden ermordet. Es gab sogar Diener, die schrecklich entstellt wurden. Es ist nicht ungewöhnlich, dass man seine Erinnerungen nach einem großen Schock verliert."
„Aber das ist auch nur ein Gerücht, richtig?"
„Nun, ich schätze schon. Aber die Worte kommen von der Offizierin, Tette Cetera. Ich denke, man kann ihren Worten mehr glauben, als die der Leute in der Stadt."
In diesem Moment war Sateriasis fertig mit Umziehen und verließ den Raum. Er sah jetzt komplett anders aus als noch vor einigen Minuten. Nun sah man ihm in der tat an, dass er ein Adliger war, anders als sie und ihr Onkel. „Was für eine wunderschöne Person." Flüsterte es in Lukanas Kopf. Der Herzog war in der Tat ein äußerst attraktiver Mann, aber nicht nur das. Es schien, als würde Sateriasis einen besonderen Glanz ausstrahlen, so wunderschön, dass es sogar Lukana, eine Frau ein wenig neidisch machte. „Wenn er noch bessere Kleidung anhätte, würde er noch schöner aussehen." Dachte Lukana zu sich selbst. Als Lukana mit ihm zurück zur Villa ging, war sie in Gedanken versunken und hatte völlig vergessen, ihn zu fragen, warum er durch Lasaland gewandert war.


The Madness of Duke Venomania DeutschWhere stories live. Discover now