Kapitel 18

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Meine Hände zittern als ich vor Fernando stehe und seine Augen meinen Körper herunterfahren und wieder hoch zu meinen Augen. Ein Lächeln schleicht sich auf seine Lippen und ich versuche zu verstecken, dass ich langsam echt Panik bekomme. Ich will keine Angst haben. Ich habe keine Angst. 

Nur das was ich hier tue ist falsch. Ich verkaufe mich, um einen Fehler aus der Vergangenheit zu bezahlen. Fernando kommt auf mich zu und ich weiß das er vorhat mich anzufassen, mich zu berühren. Ein Kribbeln steigt in mir auf und mir wird heiß. Nicht die gute Art, keine Schmetterlinge, Messerklingen. 

Gerade in dem Moment als er die Hand hebt um mich im Gesicht zu berühren, fängt meine Wange an der Stelle an zu brennen wie Feuer. Ruckartig weiche ich zurück. Meine Augen zucken wirr hin und her, mein Herz klopft viel zu schnell, mein Atem geht stoßweise. "Ich kann das nicht machen." sage ich bestimmt, doch meine Stimme bebt. 

"Was nicht machen?" fragt Fernando, sich mir wieder nähernd, mit seiner künstlichen Flirtstimme, der ich früher verfallen bin, doch schon lange nicht mehr. "Mich verkaufen." meine Stimme ist nun fester als zuvor. "Du verkaufst dich nicht." sagt er ruhig. Er versucht es wieder. Er versucht mich einzuwickeln, mit seinen Psychospielchen, mit denen er alle rumkriegt. "Doch tue ich Fernando. Ich bezahle meine Schulden mit meinem Körper." meine Stimme wird lauter. 

"Ich mache die meine Variante mit den Straßenkämpfen und dem Zeug." ich stolpere ein wenig nach hinten und greife nach meiner Jacke. "Aber was ist mit deinen Verletzungen?" fragt er gespielt besorgt. Ich kaufe ihm die Besorgnis keine Sekunde ab. Er will nichts als meinen Körper, es kümmert ihn nicht wie es mir geht. 

"Damit komme ich klar Fernando." sage ich scharf. "Du hast meine Telefonnummer, ruf mich an und sag mir die Termine und den Ort oder was auch immer." rufe ich ihm zu und renne beinahe aus dem Haus. Als mich die kühle Abendluft trifft, atme ich tief ein und fülle meine Lunge mit frischer Luft. Keuchend stütze ich meine Hände auf die Knie, doch dann schießt mir der Gedanke in den Kopf, dass ich immer noch vor seinem Haus stehe und ich am liebsten so schnell wie möglich von hier verschwinden will. Sofort.

Hastig richte ich mich auf und laufe zu meinem Auto. Als ich mich in den Sitz gleiten lasse, atme ich erleichtert auf. Doch wirklich erleichtert bin ich erst, als ich in unsere Einfahrt erblicke und mein viel zu schnelles Tempo beibehalte, während das Tor, nach einem Knopfdruck, automatisch aufgeht. Ich presche auf den Kiesplatz in Richtung Garage, als eine Silhouette vor meinem Auto auftaucht, ich mein Lenkrad ruckartig zur Seite reiße und auf die Bremse durchtrete. Die kleinen Kieselsteine ratschen an den Reifen entlang, welche schrill quietschen als das Auto zum stehen kommt. 

Mein Oberkörper kippt leicht nach vorn und dann wird er wieder zurück in den Sitz befördert. Meine schulterlangen Haare fliegen nach vorne in mein Gesicht, keuchend bleibe ich auf meinem Sitz sitzen und starre nach vorne. Ich lasse den Schock sacken und versuche meinen unregelmäßigen Atem zu kontrollieren. Ein und aus. Ein. Aus. Ein 1-2-3-4-5. Aus 1-2-3-4-5-6-7-8

Innerlich bete ich, dass es der Postbote war und nicht Jack. Sonst kann ich schon mal mein Grab schaufeln gehen. Einige Sekunden vergehen in denen ich nichts als ein Piepsen in meinem Ohr höre, doch dann klopft es plötzlich an meiner Fensterscheibe. Ich zucke zusammen, schnappe nach Luft. Mein ganzer Körper ist auf Hochspannung. Ich drehe meinen Kopf zum Fenster und erblicke Tyler, der verwirrt durch mein Fenster starrt. Seufzend öffne ich die Tür und höre seine Schritte auf dem Kies als er zurück geht um mich aussteigen zu lassen. 

Meine Hände zittern als ich die Tür ganz aufstoße und sie wieder zuknallen lasse. "Hey, sorry tut mir leid ich hab dich nicht gesehen-" ich beginne mich zu entschuldigen doch er unterbricht mich. "Kein Wunder bei dem Tempo, warum bist du so schnell gefahren?!" fragt er aufgebracht, doch wenn ich mich nicht täusche, könnte ich schwören ich würde etwas Besorgnis in seiner Stimme hören. 

"Ich wollte nur schnell nach Hause- geht es dir gut?!" schnell scanne ich ihn, beim Versuch in diesem spärlichen Licht zu erkennen, ob er verletzt ist. "Ja mir geht es gut. War das Date so schlimm?" fragt er mit einem Grinsen. Und das kommt mir gerade recht, es ist die perfekte Ausrede. "Ja, der Kerl war langweilig und schleimig." sage ich gleichgültig. Ich schaue mich nach meinem Auto um, dass gerade so steht dass es nicht im Weg ist und beschließe also, es einfach hier stehen zu lassen. Nachdem ich es abgeschlossen habe wende ich mich wieder Tyler zu der immer noch mit belustigtem, aber auch fragendem, Gesichtsausdruck vor mir steht,

"Schleimig?" fragt er nach. "Ja, du weißt schon. Übertrieben schleimig, etwas eklig. Du weißt was ich meine. Also vom Verhalten nicht vom Aussehen her." erkläre ich meine Worte. "Ja, klar verstehe. Sonst hättest du dich ja nicht so schick gemacht." provokant sieht er mich an, seine Augenbraue in die Höhe gezogen, was ich nebenbei gesagt ziemlich süß finde. Wtf Sam, was laberst du?

Ich schaue an mir herunter, das rote Kleid mit dem viel zu großen Ausschnitt, die roten Schuhe. Das ist zu viel, zu viel für Fernando. "Ja, er war es nicht wert." sage ich nur und laufe zur Tür. Tyler folgt mir lässig, dennoch merke ich, die Anspannung in seinem Kiefer und wie er auf seinen Zählen mahlt. 

"Geht es dir gut?" fragt er plötzlich, als wir bei der Tür angekommen sind. Etwas verblüfft drehe ich mich zu ihm um. "Ja." lüge ich. "Wieso fragst du?" er sieht kurz auf den Boden und dann direkt in meine Augen. "Wollte nur sicher gehen." sagt er lächelnd mit einem ehrlichem Blick. Ich lächle ebenfalls und schließe dann die Tür auf. Drinnen im Haus ist es dunkel, Jake müsste noch arbeiten. "Willst du dir noch einen Film ansehen?" fragt Tyler, während er seine Jacke von den Armen streift. "Klar." sage ich lächelnd.

Denn eins will ich jetzt auf keinen Fall. Allein sein. 

Leave me aloneWhere stories live. Discover now