Kapitel 26

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Immer noch wütend fahre ich nach Hause und parke in meiner Einfahrt. Schnell laufe ich in mein Zimmer und beschließe meine Hausaufgaben zu machen, denn die hatte ich in letzter Zeit sehr vernachlässigt. 

Etwa eine Stunde später beuge ich mich noch immer meinen Geschichtshausaufgaben und ärgere mich darüber, dass ich es schon wieder aufgeschoben habe.  Den weiteren Tag über, gehe ich mal wieder auf den Dachboden. Hier stehen etliche Kartons mit den Sachen meiner Mutter. Jack wollte sie nicht mehr sehen, doch wegschmeißen wollte er sie auch nicht. Jetzt stehen sie hier oben und sammeln Staub. 

Ich öffne einen Karton, das rascheln der Pappe, schnürt meine Lunge ein und meine Augen fangen an zu brennen. In letzter Zeit weine ich nie. Nicht viel bringt mich zum weinen. Doch ich vermisse meine Mutter so unglaublich sehr. Langsam ziehe ich petrolfarbendes Kleid aus dem Karton und betrachte es lächeln. Es ist leicht, mit sanften Tshirtärmeln und einem lufitgen Rock bis kurz vor die Knie. Es ist hübsch und elegant. 

Traurig lege ich es zurück und nehme den ganzen Karton mit runter in mein Zimmer. Aus irgend einem Grund bin ich soweit mit meiner Trauer, dass ich ihre alte Kleidung gern tragen möchte. Als Andenken an sie oder vielleicht um mich ihr näher zu fühlen. Natürlich darf ich das auf keinen Fall tun, wenn Jake zuhause ist. Doch ich habe glücklicher Weise in seinem Terminkalender gesehen, dass er nächste Woche schon wieder auf Geschäftsreise ist. 

Es wundert mich wirklich, was Tyler eigentlich bei seinem Praktikum macht. Wohl eher nichts, oder? Immer, wenn ich ihn sehe sitzt er in seinem Zimmer. Auch jetzt gerade sind weder Tyler noch Jake zuhause und ich könnte das Kleid tragen, aber ich habe Spätschicht, also belasse ich es bei meiner Jeans und ziehe eine leichte weiße Bluse an, die luftig genug ist um es bei der Hitze auszuhalten. Wieder etwas besser gelaunt, dank des guten Wetters, laufe ich runter zu meinem Auto und fahre zu meiner Arbeit.

Dort angekommen, hastet Mike gerade in die Küche und trinkt etwas Wasser. Ich stehe im Personalraum und sehe ihm belustigt zu wie er gestresst trinkt. "Ein Schlachtfeld?" frage ich lachend und wechsle in meine Uniform. "Ein Massaker." erschöpft stellt er das Glas hin und flitzt wieder durch die Schwingtür. Seufzend greife ich nach einem Block und Stift an der Theke und begebe mich in die Schlacht. 

Eineinhalb Stunden später  komme ich gerade wieder durch die Tür ins Restaurant gelaufen und sehe, dass Tyler mit seinen Freunden reinkommt. Das ist genau das was ich jetzt brauchen kann. Zurück in der Küche rufe ich nach Mike. "Hey, kannst du Tisch 8 bedienen?" bitte ich ihn und schiebe Tony schnell einen Zettel zu was ich essen will. "Schon wieder diese Typen von deiner Schule?" fragt Mike. "Ich kann sie halt nicht leiden. Bitte?" frage ich erneut. "Kein Ding." sagt Mike und schlendert aus der Küche. 

"Ich liebe dich." trällere ich ihm zu als ich ihm hinterher laufe um Tisch 14 nach der Getränkebestellung zu fragen. "Ich dich auch, Schatz." ruft Mike zurück und bedient Tisch 8. Ich lasse meinen Blick währenddessen zu Tyler wandern, doch sein Blick ist erst auf mich, als ich Mike sage "Ich liebe dich" und dann eisig auf Mike gerichtet, als er es erwidert. Das wird wohl Fragen geben, schätze ich. 

10 Minuten später drückt Tony mir gerade zwei Teller mit Burgern in die Hand. "Tisch 8" sagt er. "Oh das ist Mikes Tisch." erkläre ich. "Ach komm Sam, Mike ist auch beschäftigt Falfalla." sagt er. Also gehe ich etwas genervt zu Tisch 8 und stelle die zwei Burger hin. "Hey Sam." sagt Leo. Grinsend nimmt er seinen Burger entgegen. "Hi." sage ich nur und reiche Dan seinen Burger. 

"Ist der Kellnertyp dein Freund?" fragt Leo. "Ein Freund." verbessere ich ihn und gehe zum nächsten Tisch. Ich spüre fast schon wie Tylers Blick sich in meinen Rücken brennt. 

Das Ende meiner Schicht naht und Tyler sitzt immer noch mit seinen Freunden im Restaurant. Als ich kurz am Spiegel vorbei laufe sehe ich nicht, dass der blaue Fleck auf meiner Wange nicht nur durchschimmert sondern fast schon leuchtet. Das finde ich erst heraus als Leo an mir vorbei läuft und mich anstarrt. "Sam?" ich bleibe stehen. "Hm?" "Dein Gesicht." Er deutet auf den Fleck. "Was ist da passiert?" fragt er und zieht seine Augenbrauen zusammen. "Nichts." sage ich nur und verschwinde in der Küche. 

Wenig später kommt Tyler plötzlich in die Küche gelaufen. "Du hattest schon wieder einen Kampf?" aufgebracht stößt er die Schwingtür auf. "Mit dir rede ich nicht." trällere ich, während ich mir von Tony mein Essen hole. "Ich misch mich nicht ein oder?" flüstert er grinsend und ich nicke nur. 

"Sam vergiss mal das von vorhin." sagt er. Empört drehe ich mich um. "Vergessen? Klar. Warum nicht, es sei dir verziehen, dass du dich wie ein Arsch verhalten hast." belle ich.  Tyler seufzt und zieht mich in den Personalraum. "Es tut mir leid ok? Ich weiß auch nicht was mit mir los war." Abwartend sehe ich ihn an. ""Was gibts?" frage ich dann. Entgeistert sieht er mich an. "Ich habe es doch gerade eben gesagt. Warst du wieder bei einem dieser Kämpfe?" fragt er noch einmal. 

"Ja, warum?" lüge ich und versuche gleichgültig auszusehen. "Warum machst du das immer noch?" fragt er mich. "Ich habe es dir schon mal erzählt, ich muss meine Schulden ab bezahlen." erkläre ich es ihm noch einmal. "Kannst du das nicht auch anders machen?" mit zusammen gezogenen Augenbrauen betrachtet er meine Wange. Plötzlich hebt er seine Hand und streicht meine Haare zur Seite. Ich zucke mit dem Kopf zurück und sehe ihn fragend an. "Das ist gefährlich, weißt du." er lässt seine Hand sinken und fährt sich kurz danach durch die Haare. 

"Das ist nichts." sage ich. "Sam, dein Essen ist fertig." ruft Tony aus der Küche und ich schiebe mich an Tyler vorbei und nehme mein Essen entgegen. Doch anscheinend ist Tyler noch nicht fertig. "Im Gegensatz zu was?" fragt er angepisst und setzt sich mir gegenüber. "Ich sah schon schlimmer aus" sage ich und bereue es sofort. "Bitte? Ja neulich, als ich ins Bad rein kam. Aber Sam das ist nicht lustig das-" ich unterbreche seine Predigt. "Tyler, ich kann mich um mich selbst kümmern. Ich kann das ab, ok?" versuche ich mich rauszureden. 

"Du tust so als wäre das ganz normal! Warum lässt du nicht deinen Stiefvater deine Schulden bezahlen?" ich starre ihn an und handle ohne nachzudenken. "Weil es ihn nicht interessiert!" platzt es mir raus. Entgeistert sieht er mich an. 

"Das sind meine Schulden, das habe ich mir selbst eingebrockt. Das geht ihn nichts an." versuche ich meinen Ausrutscher wieder gerade zu biegen.  "Dann lass wenigstens mich dir helfen." "Warum solltest du mir helfen?" frage ich ihn ungläubig.

"Ich mache mir nun Mal Sorgen um dich."


Leave me aloneWhere stories live. Discover now