1. Verschlossene Türen

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Ihr Lieben,

die Idee kam mir spontan und ich weiß noch nicht, wo sie hinführt - aber ich stelle einfach mal das erste Kapitel online und warte ab, was ihr sagt ;-)

<3

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"Reach down your hand in your pocket - Pull out some hope for me - It's been a long day, always ain't that right - And no lord, your hand won't stop it - Just keep you trembling - It's been a long day, always ain't that right"

Matchbox 20 - Long Day


„Ich schließe die Tür des Apartments, Wenn die Party komplett ist, Monika, Sarah, Belinda von Instagram auf meine Guestlist..."

Hellwach und ziemlich verärgert starrte ich an meine dunkle Zimmerdecke. Es war ein Wunder, dass das Fensterglas bei diesem Bass nicht vibrierte. Offensichtlich war die Party nebenan durchaus komplett, jedenfalls konnte ich mir nicht vorstellen, dass dieser Lärm noch steigerungsfähig war.

Ich hatte gewusst, worauf ich mich einließ, als ich die Wohnung auf der Reeperbahn angemietet hatte, doch dass die wilden Gesänge nicht nur vor, sondern auch in meinem Wohnhaus stattfinden würden, damit hatte ich nicht gerechnet.

Ich war vor zwei Wochen eingezogen, in hübsche 65qm mit Balkon und einer offenen Küche – mitten auf Hamburgs Partymeile Nummer 1. Direkt über einem Restaurant, beinahe am Millerntorplatz hatte ich eine moderne Neubauwohnung gefunden – was von einem kleinen Ort vor Frankfurt aus schwierig genug gewesen war. Dort hatte ich mein bisheriges Leben verbracht: Abi, Uni, erster Job. Es lief gut für mich, ziemlich gut sogar, ich hatte ein wunderbares, geordnetes Leben geführt. Bis dieses Wahnsinnsangebot gekommen war. Projektleitung in einer Privatbank, direkt an der Hamburger Außenalster. Mit 26 konnte man auch mal etwas wagen, hatte ich mir gedacht, und die neue Stelle angenommen. Es war zwar erst Mai, und mein neuer Job begann im August, aber ich hatte schon vorher gut verdient und mir ein paar Wochen Pause verdient. Ruhe und Kultur in Deutschlands bekanntester Hafenstadt. Und eventuell auch ein paar neue Bekanntschaften, damit ich hier nicht alleine versauerte.

Und nun lag ich hier.

„Drive-by auf die Weiber mit der Wasserpistole, Ticken keinen Kleinkram, Chicken am Steindamm, So high wie 'ne Drohne von der Wassermelone..."

Ganz abgesehen von der Lautstärke war diese Musik ja wohl ein schlechter Witz! Was sollte denn das für eine Wassermelone gewesen sein?! Und was war das für ein Neubau, der scheinbar überhaupt nicht schallisoliert wurde?!

Die letzten beiden Wochen hatte ich von meinem neuen Nachbarn nichts mitbekommen, Frau Köppke aus dem 1. Stock hatte nur von einem ‚jungen Mann' berichtet, der ‚nicht so häufig zu Hause' war.

Aber wenn, dann scheinbar richtig.

Es war Montag – bzw. bereits Dienstag, wie mir ein Blick auf die Uhr verriet. Halb zwei. Ich ballte die Hände zu Fäusten und grummelte in mein Kissen. Ich wollte nur sehr ungern aufstehen und nebenan klingeln. Wahrscheinlich stand ich dann einer Horde wilder Männer gegenüber, und auch wenn ich knappe 1,80m war, hielt ich mich von kritischen Situationen lieber fern. Das war schon immer so gewesen.

‚Goldlöckchen' hatten sie mich in meiner Familie immer genannt, wegen meiner langen blonden, naturgewellten Haare und meiner eher zurückhaltenden Art. Ich war auch während meines Studentenlebens keine große Partygängerin gewesen, im Gegenteil. Ich hatte mich weder für übermäßig viel Alkohol, noch die Jungs meiner Uni interessiert. Wichtiger war mir mein Abschluss gewesen, ich hatte also sehr viel Zeit alleine an meinem Schreibtisch verbracht. Nicht sehr viele, dafür gute Freunde, später einen anstrengenden Job, der nicht viel Zeit für andere Aktivitäten zuließ.

Ich war nicht unbedingt unglücklich, nur eben manchmal etwas...einsam. Ein Zustand, der durch meine Schüchternheit nicht unbedingt besser wurde.

02:01

„Sag bitte, was ist passiert? Ich guck' auf mein Konto und kann es nicht glauben Da liegen mal einfach ein paar hunderttausend Ey, was ist passiert?..."

„Mennooo!", sagte ich in mein dunkles Schlafzimmer hinein und rappelte mich auf. Mein linker Fuß verhedderte sich in der Decke und beinahe wäre ich unsanft auf meinem Bettvorleger gelandet. Ich griff nach dem Seidenkimono, den mir meine Eltern von einer Japanreise mitgebracht hatten, und zog ihn über mein kurzes Nachthemd. Ich wollte mir im kalten Treppenhaus nicht auch noch eine Erkältung holen. Dann schlüpfte ich in meine Puschelslipper und schloss meine Haustür auf. Im Dunklen hätte ich beinahe vergessen, auch die Kette der Tür zu lösen.

Im Flur war die Musik sogar noch lauter und ich hörte Gesprächsfetzen. Störte das wirklich niemanden sonst im Haus?! Ich lehnte die Tür hinter mir an und trat vor die gegenüberliegende Wohnung. Ich zog den Kimono etwas fester um mich und biss mir auf die Unterlippe. Ich wollte wirklich nicht dort klingeln. Ich verschränkte die Arme vor der Brust. Wenn genau jetzt die Musik aufhören würde, könnte ich zurück in mein warmes Bett. Sehnsüchtig sah ich über die Schulter zurück zu meiner Tür. Dann gab ich mir einen Ruck.

Das Klingeln hob sich klar von der basslastigen Musik ab und ich zog schnell die Hand zurück – dabei war das Geräusch sicherlich nicht unangenehmer als die Songauswahl. Es dauerte ein paar Sekunden, dann öffnete sich dir Tür.

Aus dem Inneren der Wohnung strömte nicht nur gedämmtes Licht und ziemlich stickige Luft, sondern auch ein etwas eigenartiger, süßlicher Geruch. Im Türrahmen stand ein Mann. Gefühlt zwei Meter groß, breit gebaut, die Unterarme tätowiert. Ein undefinierbarer Laut entfuhr mir und ich trat hastig einen Schritt zurück.

Der Mann musterte mich durch zusammengekniffene Augen.

„Kann ich dir helfen, Kleine?"

Ich räusperte mich umständlich.

„Ich...ich wohne gegenüber.", antwortete ich und deutete überflüssigerweise hinter mich. Als würde es noch ein anderes Gegenüber geben. „Und ähm...sicherlich haben Sie nicht auf die Uhr geschaut, kann ja mal passieren, jedenfalls ist es schon nach zwei, und außerdem Montag – also eigentlich Dienstag – jedenfalls unter der Woche, und ich würde ganz gerne langsam schlafen, aber es ist etwas...laut.", schloss ich lahm und schlug mir innerlich die Hand an die Stirn. Wieso konnte ich nicht einfach mal klar sagen, was Sache ist.

„Yooo John, hast du noch Sprite irgendwo?", schallte es aus dem Inneren der Wohnung.

„Du wohnst gegenüber?", fragte der Mann, ohne auf mein Geplapper oder die Frage seines Freundes einzugehen.

„Ähm...ja?", antwortete ich unsicher. Und lugte ihm unauffällig über die Schulter. Außer ihm war niemand zu sehen. Vielleicht doch keine ganz so große Party? Mir war unwohl unter dem Blick des fremden Mannes. Er hatte eine etwas nasale, aber sehr tiefe Stimme. Nicht unbedingt unangenehm, aber...ich fröstelte etwas.

„Hast du denn einen Schlüssel für deine Wohnung?"

„Einen...hä? Na klar habe ich einen Schlüssel für meine Wohnung." Worauf auch immer er hinaus wollte, ich war mir ziemlich sicher, dass ich besser keine längeren Unterhaltungen mit ihm führen sollte. Er war definitiv die Sorte Mann, denen meine Eltern nicht einmal erlaubt hätten, länger als 30 Sekunden vor ihrer Einfahrt stehen zu bleiben.

„Hast du den denn auch dabei?"

„Jetzt? Hier?" Zweifelnd sah ich den eigenartigen Typen an und dann an meinem dünnen Negligee und meinen nackten, von Gänsehaut überzogenen Beinen hinunter. „Nee, natürlich nicht."

„Dann hast du jetzt wohl ein Problem, mhm?"

Fragend sah ich ihn an. Er nickte in Richtung meiner Wohnung. Ich drehte mich um – und brauchte einen Moment, um zu realisieren, dass er Recht hatte.

Worth it (Bonez MC)Unde poveștirile trăiesc. Descoperă acum