3. Retter in der Nacht

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Na ihr Lieben,

was meint ihr – sind die beiden echte Retter, oder eher der Beginn vom Ende ;-)

<3

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I'm goin' back to Sin City - To wear that ball and chain - Well, mother, tell your children - Never do what I have done - Spend your lives in sin and misery - In the house of the rising sun

Five Finger Death Punch – Sin City


„Diggah, hat Alex das Lean mitgenommen?", fragte Maxwell und hob suchend einige Flaschen an.

„Glaub schon.", erwiderte Marten, der den Kopf auf die Sofalehne gelegt hatte.

„Was ein Wichser, das war das letzte."

Ich war nun wirklich kein Moralapostel, aber der Umgang miteinander war hier doch fragwürdig. Gazo neben mir breitete seine Arme auf der Sofalehne aus. Er grinste mich an und ich schluckte einmal trocken.

„Und, Marie-Sophie Hauser, was geht?"

„Ähm...nicht viel?" Ich hatte absolut keine Ahnung, was ich diesen Männern erzählen sollte, und Smalltalk war sowieso nicht meine Stärke. Außerdem lag da eine Waffe.

„Wo kommst du denn her?"

„Frankfurt am Main, die Ecke."

„Und warum bist du nach good old Hamburg gezogen?"

„Habe einen neuen Job bekommen."

„Was arbeitestn du?"

„Ähm...Projektmanagement."

„Uuuh, Projektmanangement!", lachte Gazo und ich war mir nicht ganz sicher, ob er sich über mich lustig machte. „Und wie alt bist du?"

„Alter, alles, was nicht auf der Uhr steht, ist doch easy!", kicherte Maxwell.

Angewidert sah ich zu ihm hinüber. Was waren das denn alles für hängengebliebene Menschen? Ich hätte einfach draußen bleiben sollen. Ich starrte auf meine schwarz lackierten Fußnägel.

„Jungs benehmt euch mal, ihr verschreckt sie."

John schien mich während Gazos Fragerunde beobachtet zu haben. Ich wich seinem Blick aus und daraufhin wandte sich die Unterhaltung der Jungs den neuen Felgen von Gazos Auto zu.

Unauffällig musterte ich die Truppe. Sie waren alle mehr oder weniger tätowiert, trugen protzige Uhren, die ich jedoch für billige Imitate hielt, und schliefen alle definitiv nicht mit dem Knigge unterm Kopfkissen. Und scheinbar waren es Kleinkriminelle. Oder vielleicht doch richtige Kriminelle? Ich hatte nicht erwartet, sowas in diesem Mietshaus anzutreffen, die Mieten waren nämlich leider kein Schnäppchen. So oder so konnte ich wohl froh sein, wenn ich ohne größere Blessuren aus dieser Wohnung heraus kam.

Ein lautes Klopfen an der Wohnungstür ließ mich zusammenzucken. John unterbrach sein Gespräch.

„Das wird Alex sein. Bereit für dein Bett, Kleine?"

„Ich wäre auch bereit für dein Bett, falls du alleine Angst vor Albträumen bekommst!", rief Gazo dazwischen. Ich würde nicht darauf eingehen und rang mir ein schiefes Lächeln ab.

„Ja dann...schönen Abend noch zusammen."

Ich lief mit schnellen Schritten hinter John her, der bereits mit Alex auf dem Hausflur stand. Der kramte gerade einige Werkzeuge aus seiner Bauchtasche.

„Muss gucken, welche am besten passen, diese Sicherheitsschlösser sind tricky. Aber haben ja Zeit.", sagte er, als ich zu ihnen trat. Er maß das Schloss genau ab und legte dann verschiedene Geräte auf meine Fußmatte.

„Haben Sie das gerade aus Ihrer Firma geholt? Kann ich denn bei Ihnen mit Karte zahlen? Ich weiß gar nicht, ob ich genug Bargeld zuhause habe, ich glaube nicht. Machen wir das hier auf Rechnung, oder...?"

Alex sah auf.

„Erstmal bin ich kein ‚Sie', sondern Alex. Und ich hab keinen Schlüsseldienst, also ist das hier kostenlos."

Ich sah zu John, der im Flur geblieben war, während Alex ans Werk ging. Der grinste.

„Wieso haben Sie...also...warum hast du dann Werkzeug, um Türen zu öffnen? Ich finde, das sieht ganz schön professionell aus!"

„Isses auch. Bin Profi. Guck mal, das ist ein Spanner, der kommt rein, bevor ich mit dem Pic arbeiten kann. Und wenn ich jetzt vorsichtig...nee, passt nicht. Siehste, ich muss den nächstgrößeren Hook nehmen."

Interessiert sah ich ihm über die Schulter, während er, präzise wie ein Chirurg, mit den verschiedensten Gerätschaften in meinem Türschloss herumstocherte.

„Wo lernt man denn das? Wo arbeitest du denn? Stellt ihr sowas her?", fragte ich neugierig. Alex war der erste, bei dem ich kein komisches Gefühl in der Magengegend bekam, und allein dafür war ich schon dankbar.

„Das lernt man auf der Straße, Kleine.", antwortete John für ihn.

„Auf der...Bist du...bist du ein Einbrecher?", fragte ich schockiert und richtete mich ruckartig auf genau in dem Moment, als das Schloss meiner Haustür leise ‚klick' machte, und die Tür sich öffnete.

John lachte sein raues Lachen und Alex sah zufrieden auf sein Werk.

„Hab schon viele Sachen gemacht, dies das. Und guck mal, kein Kratzer am Schloss!" Ordentlich sammelte er sein Werkzeug zusammen und packte es in ein kleines Lederetui.

„Äh...danke, ich...also..."

„Schon gut, Schlüsseldienst Hutzler, immer für Sie da!", grinste Alex jedoch nur und zog den Reißverschluss seiner Bauchtasche zu.

„Schlaf gut, Kleine. Denk das nächste Mal an deine Schlüssel."

Ich nickte stumm und betrat meine Wohnung. Bevor ich die Tür hinter mir ins Schloss fallen ließ, blickte ich noch einmal über die Schulter – und sah John, wie er mir, die Augen nach wie vor ein wenig zusammengekniffen, hinterher sah. Weil ich es nicht besser wusste, nickte ich ihm zu und schloss dann schnell die Tür.

Als ich am nächsten Morgen aufwachte, fühlte ich mich unausgeschlafen. Ich hatte mich in der Nacht noch bis vier Uhr morgens herumgewälzt. Wer waren diese Männer gewesen? War diese Waffe wirklich echt? Und Alex hatte nicht verneint, als ich ihn nach kriminellen Machenschaften gefragt hatte – oder war das einfach alles nur Spaß? Ich hatte keine Antworten auf meine Fragen gefunden. Mittlerweile war ich mir auch gar nicht mehr so sicher, ob ich überhaupt welche haben wollte. Mir war das alles sehr suspekt.

Unter der Dusche besann ich mich jedoch auf meine gute Erziehung. Einbrecher hin oder her, ohne Alex hätte ich letzte Nacht ein Problem gehabt. Wenn er schon kein Geld wollte, war eine kleine Wiedergutmachung das Mindeste, was ich tun konnte. Während ich in meine Klamotten für den Tag schlüpfte und dabei vorsichtshalber einen Oversized Pulli wählte, da mich das Hamburger Wetter in den letzten Tagen häufig genug überrascht hatte, dachte ich nach. Was schenkte man einem fremden Mann? Meine Mutter hatte für solche Fälle stets eine Großschachtel Pralinen parat, aber irgendetwas sagte mir, dass Alex nicht der Typ für Marc de Champagne Trüffel war.

Ich öffnete das Badfenster und sah hinaus in den Innenhof. Ich sollte unbedingt meinen Müll mit runternehmen. Nachdem ich mir einen schnellen Kaffee gemacht hatte, kam mir die Idee. Kino! Jeder mochte doch Kino! Und da ich sowieso an meiner neuen Arbeitsstelle vorbei wollte, konnte ich im Cinemaxx am Dammtor auch direkt eine Gutscheinbox holen. Zufrieden mit meiner Idee schlüpfte ich in meine rosa Nikes, schnappte mir meine Handtasche und war diesmal besonders sorgsam dabei, meinen Schlüssel einzupacken. Dann hüpfte ich die Stufen hinunter und hinaus auf die Reeperbahn.

Worth it (Bonez MC)Where stories live. Discover now