37. Kapitel

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In den nächsten Wochen war beinahe alles wie immer. Mein Wecker, das hieß mein Handy, weckte mich jeden Tag pünktlich um 6 Uhr morgens. Ich stand auf, aß eine Kleinigkeit zusammen mit meinem Bruder und meiner Mutter, während sich Minseok bereits im Bad fertig machte. Nachdem ich meinen täglichen Müsliriegel, ohne den mich meine Mutter nicht aus dem Haus lassen wollte, gegessen hatte, ging ich wieder in mein Zimmer und öffnete das  Fenster, um erstens frische Luft in meine stickigen vier Wände zu lassen und zweitens zu entschieden, was ich anziehen sollte. Mittlerweile war es fast immer so kalt, dass ich mir einen dicken Pullover überziehen musste, um nicht zu erfrieren- Viele meiner Mitschüler, also die, die immer noch in T-Shirts herumliefen, fanden das ziemlich witzig.

Sprüche wie "Du bist eine ziemliche Frostbeule" oder "Bist du aus Deutschland nichts gewohnt?" konnte ich mir ab Ende der Herbstferien fast täglich anhören. Ich musste zugeben, das mit der Frostbeule stimmte, aber man musste es mir schließlich nicht ständig unter die Nase reiben. 

Ich machte mich im Bad fertig und setzte mich dann die restlichen zehn Minuten in die Küche, redete mit meiner Mutter und packte die letzten Sachen, Brotdose und Wasserflasche, in meinen Rucksack. Minseok packte pünklich wie jeden Tag seine eigene Brotdose für die Arbeit ein und schnappte sich seine Autoschlüssel, um meinen Bruder und mich in die Schule zu fahren. Nachdem ich  mir noch meine Jacke geholt hatte, gingen wir runter zum Auto. Jitae war wie jeden Tag spät dran und musste von meiner Mutter, die immer erst  Mittags zu arbeiten anfing, aus der Tür geschoben werden. Minseok und ich warteten bereits im Auto auf ihn.

"Was meinst du was es heute ist?", fragte Minseok während er entspannt eine Hand am Lenkrad und einen Arm am Fenster abgestützt hatte. Zu seiner Unpünktlichkeit hatte Jitae außerdem eine sehr ausgeprägte Vergesslichkeit geerbt. Wahrscheinlich von unserer Mutter. Diese Eigenschaften waren mir zum Glück verschont geblieben. Minseok und ich hatten uns einen Spaß daraus gemacht und wetteten jedes Mal, was Jitae dieses Mal wohl vergessen hatte. Nach den ersten Runden, in denen wir lediglich 'um die Ehre' gespielt hatten, fingen wir irgendwann damit an den Einsatz zu erhöhen und kleinere, manchmal auch etwas größere Geldmengen zu setzen. Ich hatte einen Glückssträhne und war mittlerweile 12000 Won im plus.

Ich überlegte eine Weile bevor ich "Jacke" sagte. Minseok brauchte für seine Entscheidung nicht so lange.

"Brotdose.", sagte er und es machte mir Angst, dass er so entschlossen klang. Ich schaute ihn misstrauisch an.

"Warum bist du dir so sicher?" Minseok zuckte mit den Schultern, aber ich sah, wie sich ein kleines Grinsen auf seinem Gesicht ausbreitete. Ich hatte das ungute Gefühl, dass meine Glückssträhne heute ein tragisches Ende nehmen würde.

Keine Minute später kam Jitae aus der Haustür gerannt. Seine Jacke hing am Rucksack. Ich fluchte leise und das Grinsen auf Minseoks Gesicht wurde breiter.

"Jitae!" Die Rufe meiner Mutter konnte ich bis ins Auto hören. Meine Mutter stand im Türrahmen und hielt ihm kopfschüttelnd einen kleinen Gegenstand entgegen. Ich seufzte laut. Es war eine kleine grüne Brotdose.

"Verdammt."

"Zahltag." Minseok lachte und ich griff zerknirscht in meine Jackentasche.

"5000 Won.", sagte ich während ich Minseok die zerknitterten Scheine in die ausgestreckte Hand drückte.

"Die Firma dankt."

"Gib nicht alles auf einmal aus.", knirschte ich zwischen den Zähnen hervor und der Mann lachte leise in sich hinein. Jitae sprang auf  die Rückbank und ich warf einen kurzen Blick nach hinten.

"Du schuldest mir 5000 Won. ", sagte ich. Mein Bruder war sichtlich verwirrt.

"Warum das denn?"

Seesaw (BTS Fan-Fiction)Where stories live. Discover now