Kapitel 5

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Nachdenklich stand ich vor dem Spiegel. Mit einem kritischen Blick strich ich über meinen Rollkragenpulli und hoffte das er alle Tattoos abdeckte, die mich verraten könnten. Ich war so lange nicht mehr irgendwo mit jemandem essen gewesen, das ich gar nicht mehr wusste was angebracht war.

Ich seufzte und fuhr durch meine wilde Mähne. Ich hatte beschlossen sie offen zu lassen. Nun vielen mir meine braunroten Haare, die sich einfach nicht entscheiden konnte, ob sie jetzt mehr braun, kastanienbraun oder rot waren, in wilden Wellen vom Kopf. Ich mochte meine Haare, sie hatten dieses ungezähmte, wilde an sich, aber gleichzeitig waren sie weich und ließen sich durch einen Zopf halbwegs bändigen. „Meinst du das geht so?" kritisch betrachtete ich mich im Spiegel.

War ich wirklich anständig genug gekleidet?

Ich schüttelte den Kopf, das letzte Mal an das ich mich erinnern konnte, war ich mit meiner Familie essen gewesen. Zusammen mit meinen Eltern und meinen älteren Bruder. Wir hatten seine Beförderung als Stationsarzt im Krankenhaus gefeiert. Das Krankenhaus das unseren Eltern gehört hatte. Sofia und Ava hatten sich dort kennengelernt und als es nach Jahren vor der Pleite stand, hatten sie es aufgekauft und ihren Traum wahrgemacht. Sie beide waren weltbeste Chirurgen gewesen. Große Namen und dennoch so bodenständig. Nie hatte ich mich benachteiligt gefühlt, weil sie ständig arbeiteten. Wenn ich etwas hatte, dann hatten sie Zeit gefunden um mit mir zu reden, sich um mich zu kümmern und für mich dazusein. Die Familie hatte für uns immer an erster Stelle gestanden.

Sir Karl der zwischen meinen Beinen saß und mich kritisch im Spiegel betrachtete, bellte zufrieden. Seufzend lehnte ich mich herunter um ihn zu streicheln. „Wir zwei gegen den Rest der Welt, stimmts?"

Zustimmend leckte er mir über die Hand. Tja, wir waren wohl die einzigen die aus dem Hause Blake-Bodvarsson übrig geblieben waren. Einen Moment überlegte ich, ob meine Eltern noch leben würden, wenn Sofia bei der Hochzeit sich für den Namen von Ava entschieden hätte. Dann würde ich jetzt Harrisson heißen und vielleicht würden meine Eltern noch leben. Vielleicht aber auch nicht. Sofia war eine Blake-Bodvarsson. Sie war mächtig gewesen. Es war ihr Blut, das ihr zum Verhängnis geworden war. Allein deswegen war meine Familie ausgelöscht worden. Nicht wegen dem Namen. Der hatte nur dazu beigetragen.

Langsam richtete ich meinen Blick wieder in den Spiegel. Ein Sonnenstrahl, der untergehenden Sonne, traf mich im Gesicht und ließ die Sommersprossen tanzen. War ich wirklich bereit dazu?

Ein Klingeln ließ mich zusammenfahren. Das musste Liz sein. Sie hatte darauf bestanden mich abzuhohlen. Ich schluckte. Jetzt gab es kein Zurück mehr. Und seltsamerweise kribbelte es seltsam in meiner Magengegend, als ich mich auf die Tür zubewegte.

„Bleib brav." rief ich meinen treuen Begleiter nach, der sich gähnend auf die Couch legte. Dann nahm ich meinen Mantel und schnürte mir meine Stiefel fest, ehe ich die Tür öffnete.

Einen Moment blieben mir die Worte im Hals stecken. Liz trug trotz des Schnees Stiefelletten mit Absatz, die sie mit einer engen Jeans kombinierte. Ihr Mantel saß perfekt und in ihren Haaren hatten sich einige Schneeflocken verfangen. Ihre Augen waren dezent geschminkt und das lächeln das sie mir schenkte, nachdem sie mich ebenfalls gemustert hatte, ließ mir das Herz in die Hose rutschen.

Sie sah einfach nur atemberaubend aus, obwohl ich durch den Mantel nicht mal wusste, was sie darunter trug.

„Hey." sagte sie sanft.

Ich schluckte und versuchte mich wieder zu kontrollieren. Und sah einen Moment auf ihre blonden Haare. „Hi."

„Wollen wir?" sie hob den Arm, damit ich mich einhacken konnte.

Wie Ferngesteuert schloss ich die Haustür und hackte mich bei ihr ein.

„Schickes Haus, aber du hättest mir ruhig sagen können, das man mit dem Auto nicht bis zur Haustür kommt." kommentierte sie.

Die letzte KriegerinWhere stories live. Discover now