Zehn

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𝒜 𝓁 ℯ 𝒶
ᴡɪʟʟɪᴀᴍs

Ich musste eingeschlafen sein, denn eine hektische Atmung weckte mich mitten in der Nacht, wie ich mit einem Blick auf mein Smartphone, welches unter meinem Gesicht lag, feststellte. Es zeigte kurz nach Mitternacht.

Ich sah mich um und versuchte herauszufinden, wo ich war. Der Raum war relativ düster und außer dieser schnellen, immer wieder stockenden Atmung, war nichts zu vernehmen.

Vorsichtig setzte ich mich auf und wartete, bis meine Augen sich an die Dunkelheit gewöhnten und ich Umrisse sehen konnte. Um nicht zu viel grelles Licht in den Raum zu bringen, schaltete ich ausschließlich das Display meines Handys ein und leuchtete um mich herum, bis ich Kysons zusammen gekauerte Gestalt auf dem Sofa neben mir wahrnahm.

Er atmete so seltsam schnell und unruhig, weswegen ich mich zu ihm lehnte. Sein Kopf war in meine Richtung geneigt und seine Gesichtszüge verkrampft. Seine ganze Haltung wirkte steif und ungesund.

Als ich nah genug war, erkannte ich die vielen Schweißperlen an seiner Stirn und wusste nicht, was ich tun sollte. Ihn aufwecken?

Er hatte mir gesagt, dass er nicht viel schlief. Aber von Clio wusste ich nun auch, dass wenn er scheinbar schlief, ihn fürchterliche Alpträume plagten.

Und dieses Szenario hier war der ausschlaggebende Beweis, also zögerte ich und tat das, was Mom immer bei mir als Kind gemacht hatte, wenn ich nicht schlafen konnte oder schlecht träumte.

Ich streichelte sanft durch sein weiches Haar.
Fuhr mit dem zitternden Zeigefinger seinen hohen Wangenknochen ab und glitt zurück in sein Haar. Mit den Beinen rutschte ich näher an ihn heran und als ich nah genug war und seinen Kopf mit meinen Oberschenkeln berührte, bewegte sich Kyson.

Seine Gesichtshälfte legte er auf einen meiner Schenkel und mit dem rechten Arm umklammerte er meinen anderen Schenkel. Er wirkte noch immer von seinem Traum eingenommen, doch seine Atmung flachte etwas ab.

Sein Brustkorb hob und sank sich etwas langsamer und mit dröhnendem Kopf und schnellschlagendem Herzen stellte ich eine Tatsache fest, die mir vielleicht nicht gefiel.

Kyson Evans war definitiv kein normaler Fall von ›Harte Schale, weicher Kern‹.
Kyson Evans war gebrochen.
Ich musste nur herausfinden, was ihn so zerstört hatte. Aber dafür musste ich ihm Zeit geben und Geduld haben. Viel Geduld und vielleicht noch mehr Zeit.

Dass ich einen schlafenden Mann streichelte, war Neuland für mich. Bisher hatte ich nur diese eine Beziehung mit Jeff, die schief lief und lernte zwei weitere Männer kennen.

Der eine hieß Emilio. Er war Spanier, den ich im Urlaub kennengelernt hatte. Wir verbrachten eine intensive und hitzige Nacht miteinander, doch dann war er am nächsten Morgen verschwunden und hatte mir sechzig Dollar hinterlassen und eine Karte.

Er schrieb: ›Danke, für diese unglaubliche Nacht, mi amor. Du warst fantastisch, was ich nicht erwartet hatte. Ich hoffe das Geld genügt und ich bin dankbar, dass ich dein Kunde sein durfte. Wahrscheinlich sehen wir uns nicht mehr, weshalb ich dir viel Glück in deinem zukünftigen Leben wünsche. Und ich hoffe, dass du deinen Job in ferner Zukunft wechselst und das tust, was du wirklich möchtest. Lebwohl. - Emilio‹.

Was sich nach einem schlechten Witz anhörte, war tatsächlich passiert. Emilio Rodriguez dachte, ich wäre eine Nutte und hatte mich bezahlt für den Sex, den wir hatten. Ich wollte das Ganze aufklären, suchte auf sämtlichen Plattformen nach ihm, doch es schien, als würde er nicht gefunden werden wollen.
Also beließ ich es dabei und kaufte mir von den sechzig Dollar ein Kleid.

Tja und neben Jeff Dunkin, mit dem ich längere Zeit zusammen war und der Nacht mit Emilio Rodriguez, gab es noch Zac Preston, aber das war eine längere Geschichte, die mich mehr mitgenommen hatte, als ich dachte.

Kyson EvansWhere stories live. Discover now