Kapitel 24

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Nach zwei Stunden, in denen wir viel geredet haben, sind Lydia und ich nun auf dem Weg zurück zum Hotel. "Und, wie findest du Will?", frage ich das Mädchen, das neben mir her schlendert. Wir haben uns entschieden, zu Fuß zum Hotel zu gehen. "Er ist wirklich toll. Sehr nett und aufmerksam. Und du hast recht, er ist keine Konkurrenz für Alec.", antwortet sie.

Mit hochgezogenen Augenbrauen sehe ich sie von der Seite an. "Wie genau meinst du das eigentlich mit 'keine Konkurrenz'?", frage ich neugierig. Lydia sieht nachdenklich auf den Weg vor uns. Sie schweigt, als würde sie versuchen ihre Gedanken zu ordnen. Ist ihre Antwort so schlimm?

"Naja, erstmal kann man seine Gefühle nicht einfach ändern, und du liebst Alec schon gefühlt ewig. Und zweitens, Alec ist ruhiger. Er ist dir eine gute Stütze und hilft dir immer. Ich sage nicht, dass du schwach bist oder das Will unzuverlässig ist oder so. Aber ich denke einfach, du brauchst Alec mehr als du Will brauchst. Alec passt besser in dein Leben, ob nun als bester Freund oder als dein Partner.", erklärt sie ruhig.

Ich nicke bestätigend. Sie hat schon recht. Will und Alec sind vom Charakter her ziemlich unterschiedlich. Will reist gerne, braucht Abenteuer und kann nie wirklich still sitzen, weder damals noch heute. Er macht Kampfsport und geht gerne feiern.

Alec ist ruhig. Er liegt gerne im Bett um einen Film zu sehen, hat immer die richtigen Worte, ist nachdenklich und man kann tiefgründige Gespräche mit ihm führen. Er mag es, mir beim Lesen zuzusehen und nimmt seine Musik ernst, auch wenn es nur ein Hobby für ihn ist.

An sich, sind beide wirklich tolle Jungs und potentielle Traumpartner. Und wie ich heute erfahren habe, ist Will auch für alles offen, also hätte ich sogar Chance, Chancen auf etwas echtes! Aber Lydia hat recht, mein Herz gehört Alec. Und daran kann nichts und niemand etwas ändern. Nicht einmal die Tatsache, dass Alec mich niemals so sehen wird wie ich ihn.

Im Hotel angekommen ist es erst kurz nach neun und die meisten aus unserem Jahrgang sind nun beim Abendessen. Lydia und ich sollten uns eigentlich dazu gesellen, wenigstens damit die Lehrer wissen, dass wir zurück sind. Aber zuerst rufen wir den Fahrstuhl und gehen in mein Hotelzimmer. Lydia setzt sich auf Alec's Bettseite, während ich mich im Bad umziehe und abschminke.

"Wie lange sind die Jungs normalerweise beim Abendessen?", ruft Lydia durch die geschlossene Tür. Verwirrt sehe ich in den Spiegel. "Keine Ahnung, warum?", stelle ich eine Gegenfrage. "Ach, Alec wollte, dass ich ihm von dem Treffen erzähle. Er hat Angst, dass du ihn anlügst falls was passiert sein könnte. Weil er dich liebt!", die letzten Worte singt sie und ich muss mir ein Lachen verkneifen.

"Ach ja, der süße Alexander liebt mich.", trällere ich und komme aus dem Badezimmer. Lydia schließt grade Alec's Nachttischschublade. "Was machst du denn da?", frage ich sie misstrauisch. "Gucken, ob ihr auch verhütet. Nicht das ich bald Tante werde.", scherzt sie. Laut lache ich auf und ziehe die Blondine hinter mir aus dem Zimmer. Schnell gehen wir zu ihr, damit auch sie sich abschminken und umziehen kann und zehn Minuten später stehen wir bei unseren Lehrern im Speisesaal und melden uns zurück.

Lydia geht zu ein paar Mädchen aus unserem Kurs, während ich den Speisesaal wieder verlasse und mit dem Fahrstuhl nach oben auf die Dachterrasse fahre. Schweigend stelle ich mich ans Geländer und lasse meinen Blick über die beleuchtete Stadt schweifen. Detroit ist schön, vor allem bei Nacht. Es ist alles hell beleuchtet, und doch dunkel genug, dass man die Sterne noch sehen kann. Tief sauge ich die kühle Nachtluft in mir auf. Ich halte den Atem kurz an, wünsche mir, dass die Zeit stehen bleibt und ich diesen ruhigen, friedlichen Moment für immer erleben darf.

Doch nichts hält ewig. Eine Stimme die meinen Namen ruft, lässt mich die Luft aus meinen Lungen entlassen und ich drehe mich um. Alec steht vor mir, Besorgnis glitzert in seinen Augen. "Hey Alexander. Ist was passiert? Du schaust, als hättest du einen Geist gesehen.", sage ich nun auch besorgt. Er atmet tief durch, als er spricht ist seine Stimme leise aber eindringlich. "Du hast Lydia und Will erzählt, dass das mit uns eine Lüge ist.", fängt er an. Ich kann nicht sagen, ob es eine Frage oder Aussage ist. Ich habe urplötzlich das Gefühl, mir wird der Boden unter den Füßen weggezogen und alles dreht sich.

Hast du es ihnen erzählt?", wiederholt Alec seine Frage. "Ja", bekomme ich zögernd heraus und sehe ihn an. Er schließt die Augen, atmet noch einmal tief durch und setzt sich dann auf einen der Tische neben uns, die Füße stellt er auf die Bank davor. "Warum?", ist das einzige, was er fragt.

Er ist ruhig, kein Stück Wut oder Enttäuschung. Er ist nur verwirrt. Seufzend setze ich mich neben ihn. "Will und ich hatten nie Geheimnisse voreinander. Ich wollte mich nicht wieder mit ihm anfreunden, wenn ich das mit einer Lüge anfangen muss. Und Lydia war halt dabei. Aber ich vertraue ihr! Sie haben beide geschworen, es niemandem zu sagen!", versichere ich ihm.

Er nickt langsam. "Hat Lydia noch was gesagt?", frage ich ihn nach ein paar Minuten des Schweigens. "Keine Ahnung, ich habe sie nicht mehr gesehen seit ihr beide los seid.", antwortet er abwesend. Verdutzt sehe ich ihn an und bemerke erst jetzt, dass er an einem kleinen Zettel rumfummelt. "Woher weißt du dann, dass ich es weitererzählt habe?", frage ich neugierig. Er sieht mich an, dann auf den kleinen Zettel in seiner Hand.

"Ich gehe schlafen.", weicht Alec mir aus. Schweigend nicke ich, lasse ihn aufstehen und bin nicht mal eine Minute später wieder alleine hier oben. Das ist doch zum verrückt werden. Erst Lydia und Will, die ein Geheimnis haben. Dann Lydia, die an Alec's Sachen geht. Dann weiß Alec, dass ich unser Geheimnis verraten habe, obwohl er weder mit mir noch mit Lydia oder Will geredet hat. Und dann dieser Zettel.

Plötzlich fällt mir ein, dass auch Lydia einen Zettel vor mir versteckt hat, im Café als ich aus dem Bad zurückkam. Sie meinte zwar, dass dort Will's Nummer draufsteht. Aber warum schreibt sie die auf einen Zettel, wenn ihr Handy direkt neben ihr liegt? Nachdenklich schaue ich in die Sterne. Irgendwie muss ich herausfinden, was hier los ist. Aber ich habe das starke Gefühl, dass es mir niemand freiwillig erzählen wird.

Faking itWhere stories live. Discover now