46 | Niemals daten, nur ficken

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Meine Schwester hatte das Waschbecken für sich belagert und schmierte sich dunkellila Farbe in die zuvor blondierten Haare. Ein paar Strähnen waren bereits türkis. Überall standen Farbtöpfchen und andere Utensilien herum. Ein Kamm, abgeschnittene Haare, die in dem dreckigen Waschbecken klebten. Aus ihrem Handylautsprecher plärrte ein versoffener Sänger von Anarchie und Straßenschlachten gegen Bullen.

»Das' so abartig hässlich, ey«, stöhnte ich mit Blick auf ihre Frisur und schob sie grob zur Seite.

Lexie rutschte mit ihrer Hand ab und fluchte, als die Tönung nicht dort landete wie geplant. War aber scheinbar kein großes Unglück, denn eine Sekunde später tauchte auf ihrem Gesicht ein selbstzufriedenes Grinsen auf. »Wie schön, dass es nicht meine Lebensaufgabe ist, dir zu gefallen.«

Wie immer hielt sie die Verwendung von Handschuhen für sinnlos und ihre Hände waren von der Farbe bereits lila verschmiert. Sie griff nach einem blauen Farbtopf und nahm sich eine neue Strähne vor.

»Scheiß Metallfresse, Alter.« Ich stellte mein Bier auf dem Spülkasten ab und begann zu pissen. Urin traf auf das schmutzigbraune Porzellan, Geplätscher.

»Was bist du eigentlich allein am Saufen, wie der letzte Alki?«, lachte sie, nachdem ich die Spülung gedrückt hatte.

»Alter, 'n Bier«, winkte ich ab und ließ mich auf dem Rand der Badewanne nieder. Hier war der Gestank nach Katzenpisse besonders schlimm, weil das Katzenklo unter dem Waschbecken stand und wieder mal ewig nicht gemacht worden war.

»Ja ja«, grinste Lexie, die mich aus dem Spiegel heraus anschaute. »Ich merk das doch. Als ob du erst ein Bier gehabt hast.«

Ich zuckte mit den Schultern und sah auf die Flasche, ehe ich noch einen Schluck daraus nahm. Ja, keine Ahnung, irgendwie hatte ich vorhin während des Zockens ein wenig getrunken. Nicht viel, nicht dass ich spürbar voll war.

»Hände waschen nicht vergessen«, merkte sie an. »Nich so wie deine Manieren.« Sie lachte.

»Fresse. Außerdem hat mir 'ne scheiß Punkerin nichts von Manieren zu erzählen.«

»Auch wieder wahr.« Lexie sang leise zu dem Song mit, während sie die Haarfarbe auftrug. Natürlich grottenschlecht und schief, etwas anderes war ihr nicht zuzutrauen. Aber gut, da der Sänger das auch nicht besser machte, gehörte das vielleicht einfach so. Gestörte Zecken.

Ich nahm einen tiefen Schluck aus meiner Bierflasche, bis sie leer war, dann stellte ich sie am Rand der Badewanne neben dem Duschgel ab. Hob meinen Blick ein wenig, um in den Spiegel sehen zu können und fuhr dann prüfend durch meine Haare. Eigentlich machte ich mir nie Gedanken um mein Aussehen. War ja auch scheißegal, diese ganzen aufs Äußerliche fixierten Menschen gingen nicht in meinen Kopf rein. Wie man ernsthaft für so etwas Mühe aufwenden konnte.

Ich war ziemlich froh, dass ich so durchschnittlich aussah. Nicht hübsch, nicht hässlich. War eigentlich super praktisch in meinem Job. Aber fand Fede mich gutaussehend? Stand er auf meine Muskeln? Einen Augenblick lang musterte ich mich weiter, ehe ich die Brauen zusammenzog. Alter. Natürlich fand er mich heiß. So wie er letztes Mal meinen Körper angegafft hatte. Daran brauchte ich gar nicht zweifeln.

Lexie entging mein Blick in den Spiegel nicht und quittierte ihn mit einem Grinsen. »Jetzt sag mal, Jay.« Sie ging in die Hocke, um aus dem Badschränkchen aus billigem Sperrholz, bei dem sich bereits die Beschichtung ablöste, noch ein Farbtöpfchen herauszuholen.

»Was'n noch?« Meine Stimme klang gereizt.

»Hast du ein Date oder so? Ich hab ganz genau gesehen, wie du gerade in den Spiegel geguckt hast.«

Die Verlierer - Sklaven des ErfolgsWhere stories live. Discover now