4 | Irrelevant

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Fede sah verdammt gut aus. Ehrlich, sollte er mal lassen, das war echt unpraktisch jetzt. Die Haare waren genauso gelockt wie früher, an den Seiten trug er sie jetzt ein bisschen kürzer. Also nicht abrasiert oder so, schon noch ein bisschen länger. Die letzten kindlichen Züge in seinem Gesicht waren verschwunden, ließen es markanter wirken. Dafür war ein dunkler Bartschatten um das Kinn und die Wangen herum aufgetaucht.

Scheiße, ich war hier zum Arbeiten. Nicht dazu, ihn anzustarren.

Und doch konnte ich nicht anders.

»Jay, hey«, lachte er überrascht. Er trug ein schwarzes T-Shirt mit einem verwaschenen Aufdruck des Kino-Logos und verflucht, ich sollte nicht darüber nachdenken, aber irgendwie stand ihm Schwarz echt gut. Es wirkte ungewohnt, die Farbe trug er sonst echt selten. Früher zumindest. Keine Ahnung, ob sich das geändert hatte.

»Was machst du hier?«, fragte er und wischte mit einem Lappen über das Tresen, während sich die Freundesgruppe laut tratschend zu den Kinosälen bewegte. Ihre Stimmen klangen wie aus weiter Ferne zu mir rüber. Wie wenn man unter Wasser war.

»Ich will zu deinem Chef«, presste ich dann hervor. Ich musste mich zusammenreißen. Ich durfte diese Nummer nicht vermasseln, nur weil zufälligerweise so ein Typ aus meiner alten Klasse hier arbeitete.

Mehr war er für mich schließlich nicht.

»Okay.« Auf seiner Stirn tauchte ein nachdenkliches Runzeln auf und er zog noch immer auf dieselbe Art seine Augenbrauen zusammen. Keine Ahnung, worüber er gerade nachdachte. Vielleicht fragte er sich, was ich hier machte oder versuchte mein ablehnendes Verhalten zu deuten.

Verdammt. Das war vollkommen irrelevant. Fede war irrelevant für mein Leben. Ich musste mich jetzt auf das konzentrieren, was auf mich zukam. Das Geld einzutreiben. Darum ging es jetzt. Nicht um Fede.

»Alter, ich bin nicht zum Quatschen hier, sag' mir einfach, wo der ist«, zischte ich und presste die Zähne aufeinander. Ich wollte nicht an Fede denken und schon gar nicht daran, wie heiß er in diesem bescheuerten Shirt aussah. Heiß. Alter. Verficktes Gehirn. Sollte einfach aufhören damit.

Ich wollte so etwas überhaupt nicht denken.

»Bist schon super drauf heute, was?« Er wischte die letzten Popcornkrümel vom Tresen, ehe er den Lappen zusammenknüllte und ihn mit einem schwungvollen Wurf in das Waschbecken hinter der Theke beförderte.

»Und du willst auf die Fresse, oder?« Ich verengte meine Augen und fixierte ihn mit seinem Blick. Der Wichser hatte kein Bisschen an Respektlosigkeit verloren. Es war unglaublich. Dabei sollte er eigentlich wissen, dass ich kein Pisser mehr war, der sich mit seinen Klassenkameraden boxte, sondern dass ich vor nichts mehr zurückschreckte.

»Jay«, grinste er und seine Stimme hatte den mir so gut bekannten, spöttischen Klang angenommen. »Weißt du immer noch nicht, dass deine Drohungen bei mir nicht funktionieren?«

Eigentlich sollte ich ihm aufs Maul hauen. Oder besser noch ihm mein Messer unter die Kehle drücken. Verdammt, ich würde sowas nicht einmal bei einem Typen wie Kiral durchgehen lassen. Nicht bei jemanden, der mich wirklich kaputtmachen konnte. Dann durfte ich diesen Streber das erst recht nicht gefallen lassen.

Und doch tat ich es nicht, sondern sah Federico einfach nur wütend an.

Einen Moment lang hielt er meinem Blickkontakt stand, dann grinste er und deutete in Richtung des Durchgangs, in dem auch die Kinogäste verschwunden waren. »Neben Saal 4 ist eine Tür mit der Aufschrift Privat, da ist sein Büro.«

»Geht doch.«

»Will ja nicht von deinen Blicken erdolcht werden«, sagte er belustigt und machte sich an der Popcornmaschine zu schaffen. »Bis dann.«

Die Verlierer - Sklaven des ErfolgsWhere stories live. Discover now