8 | Dealer, kein Therapeut

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Unter meinen Kunden waren die unterschiedlichsten Leute. Da war Maxim, der es sich wahrscheinlich nie nehmen lassen würde, sein Gras bei mir zu kaufen.

»Boah, Jay, hast nicht gesehen, dass ich dir geschrieben hab'?«, fragte er, als wir uns an einer Straßenecke in der Nähe vom Görli trafen. Auf seinem Kopf trug er eine seiner ständig wechselnden New-Era-Caps, dazu eine übergroße, schwarze Daunenjacke mit weißen Schriftzügen an den Ärmeln. Wenn der Kerl sich wenigstens mal einen vernünftigen Klamottenstil zulegen würde, wäre es zumindest erträglich, ihn anzugucken.

»Keine Ahnung«, meinte ich und überreichte ihm mit einem Handschlag die zwei Gramm, die er bei mir gekauft hatte. »Mir schreiben viele Leute.« Mit einer unauffälligen Bewegung steckte ich den zerknitterten Zwanziger ein, den er mir reichte.

»Weißte, Digga, bei mir läuft gerade voll. Ich lad' meine Songs jetzt auch auf YouTube hoch, produzier' die gemeinsam mit 'nem Kumpel von Aykan. Ich sag' dir, noch ein, zwei Jahre, dann kennt jeder in fucking Berlin meinen Namen«, laberte er rum.

»Ja, nice«, meinte ich desinteressiert und nahm meine Kippen aus der Hosentasche, um mir eine in den Mund zu schieben.

»Und wir haben voll die Pläne, Bruder, wir machen uns 'ne fette Karre klar und dann drehen wir ein geiles Video, so richtig mit heißen Weibern mit dicken Ärschen und so«, quasselte er weiter. Alter, als würde mich sein Scheiß halt jucken, ganz ehrlich. »Und dann-«

Ich zündete meine Kippe an, nahm den ersten Zug und unterbrach ihn. »Muss jetzt los. Hau rein, Alter.«

»Ja, schade«, sagte er und wirkte fast ein wenig enttäuscht. Manche Leute änderten sich halt nie und blieben immer dasselbe Opfer.

Mein nächster Kunde war ein Typ Ende Dreißig in langweiligen Spießerklamotten, der immer so zugekifft wirkte, dass ich mir sicher war, dass für ihn nüchtern ein nicht existierender Zustand war. Ertrug wahrscheinlich nur stoned sein erbärmliches Leben, bestehend aus Bankjob und 'ner Beziehung. Ihm folgten ein paar Leute, die ich aus meinem Freundeskreis kannte.

Dann die fette Assibraut, die jedes Mal in derselben hässlichen Leopardenleggings und mit einem Kinderwagen bei mir auftauchte. Sie versteckte das Gras unter der Decke ihres Babys, das sofort zu schreien anfing. Boah, wie ich diese kleinen Kackdinger hasste. Ich hätte niemals Bock darauf, Kinder zu haben. Oder eine Familie zu gründen und so einen Schwachsinn.

Keine Ahnung, warum sich Menschen freiwillig dafür entschieden.

»Danke«, lächelte sie mich an, als hätte ich ihr gerade einen Gefallen getan und nicht Gras verkauft, das sie in dieser verfickten Stadt an jeder Ecke bekommen konnte. »Heute kann ich das echt gut brauchen, war nämlich schon ein richtiger scheiß Tag, wir haben richtig Stress in der Schule.«

»Ich bin dein Dealer, nicht dein Therapeut«, maulte ich sie an. Langsam war ich echt müde, nachdem ich die ganze Nacht nicht pennen konnte und meine Kunden wurden auch nicht besser.

Sie ließ sich von meiner harschen Antwort nicht verunsichern. Stattdessen strich sie sich die dunkelblonden Haare hinter das Ohr, an dem ein paar silberne Piercings funkelten, und grinste mich an. Die Zähne vom Rauchen schon ganz gelb. Hässliche Fotze, Alter.

»Aber vielleicht hast du trotzdem Lust, noch'n bisschen mit hochzukommen.« Sie nickte mit ihrem Kinn unbestimmt in die Richtung der vielen Plattenbauten, die uns umgaben. »Bisschen quatschen und so.«

»Nein. Meld' dich, wenn du wieder was brauchst«, sagte ich in einem bestimmten Tonfall und ließ sie stehen mit ihrem kleinen scheiß Kind, um zur U-Bahn-Station weiterzugehen.

Es war wirklich an der Zeit, dass ich diese Scheiße hinter mir lassen würde. Mich nicht mehr mit solchen gescheiterten Existenzen herumschlagen, sondern jede Woche mehrere Hunderttausender durch meine Hände wandern lassen. Nur noch an Zwischenhändler verkaufen und am besten das Zeugs direkt beim Hersteller holen. Kokain, kein Gras.

Die Verlierer - Sklaven des ErfolgsWhere stories live. Discover now