30 | Wer vertraut, wird gefickt

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»Du machst mich wahnsinnig. Ich fühle mich, wie wenn ich auf Surayas Kleine aufpasse und die immer davonrennt und ich hinterherlaufen muss. Genauso ist es mit dir, abgesehen davon, dass du verfickte achtzehn Jahre alt bist«, maulte Tarek rum. Doch das Funkeln in seinen Augen verriet, dass er sich mittlerweile nur noch darüber lustig machen wollte und seine Wut abgeklungen war. Hoffte ich zumindest.

»Du wiederholst dich.« Skeptisch hob ich die Brauen, ehe ich die Beifahrertür seiner Karre aufzog. Es war wieder ein Exemplar, das so aussah, als hätte er es gerade vom Schrottplatz aufgelesen – nach einer Behandlung durch Tareks Fahrkünste konnte aus diesem Auto auch nichts anderes mehr werden. »Und den Punkt mit ‚Ich hab's dir doch gesagt' kannst du dir auch sparen, den hatten wir schon fünfmal.«

»Ich hab's dir aber auch gesagt, Alter.« Mit einem lauten Knall schmiss er die Tür hinter sich zu und startete dann den Motor, der nur ein sterbendes Geräusch von sich verlauten ließ. Dieselbe Prozedur nochmal, ehe wir uns von dem Randstein runterbewegten. »Und statt du'n bisschen kleinlauter wirst, klopfst du immer noch deine Sprüche.«

Ich sparte mir eine Antwort und starrte aus dem Fenster, wo die heruntergekommenen Fassaden der Mietshäuser an uns vorbeizogen. Manchmal standen trotz der Kälte Menschen draußen, doch die meisten flüchteten schnell in die schützende Wärme. Bald verschwanden die Spätis, Waschsalons und Dönerbuden hinter den vollgesprayten Schallschutzwänden des Tempelhofer Damms, doch meine Wut war nicht verklungen.

Reichte es Tarek nicht, dass ich bei ihm angekrochen gekommen war? Verdammt, es war echt unangenehm gewesen, ihm von gestern Abend zu erzählen. Einzugestehen, dass ich diese ganze Sache von Anfang bis Ende in den Sand gesetzt hatte.

Dass allein ich daran schuld war.

Ihm diese Schwäche einzugestehen, machte mich wahnsinniger als es sollte. Denn im Grunde war nur eine Sache schiefgegangen, den nächsten Auftrag würde ich nutzen, um wie gewohnt alle anderen wegzuficken. Alles halb so wild.

In diesem Augenblick bog Tarek in eine unscheinbare Seitenstraße ab. Mülltonnen standen neben eng aneinander geparkten Autos und die Häuser waren so hoch, dass kaum Tageslicht nach unten drang. Davon war heute ohnehin wenig vorhanden.

»Willst du mich eigentlich verarschen?« Ich deutete zu der Shishabar, die mir so wohlbekannt war. Geschwungene arabische Schriftzeichen leuchteten schwach über dem Eingang und die Fenster waren so schmutzig, dass man nur schlecht ins Innere blicken konnte. »Es wäre mir jedenfalls neu, dass Kiral bei Aziz rumhängt.«

»Tut er ja auch nicht.« Tarek reihte sich hinter einem teuren BMW ein. Autos wie diese sah man in diesem Viertel oft nur vor Cafés wie dem von Aziz. Und warum ihre Fahrer sich so eine Karre leisten konnten, waren meist die exakt gleichen Gründe. Ein Haufen Kohle für noch mehr Respekt auf den Straßen, eigentlich ein erbärmliches Prinzip. Wenn man es halt nicht anders schaffte.

»Warum sind wir dann hier?«

»Habibi, was macht man in einer Shisha-Bar wohl?« Tarek erhob sich ein wenig schwerfällig von dem Fahrersitz und stieg dann aus.

»Boah, ganz ehrlich, fick dich. Lass uns jetzt zu Kiral«, pampte ich ihn an. Eigentlich wollte ich sitzen bleiben, doch weil er die Tür zuschlug, blieb mir nichts anderes übrig als auszusteigen. Sonst würde das sehr schnell einer kindischen Trotzaktion gleichen.

»Machen wir morgen, übermorgen ... mal sehen, wann ich Zeit habe«, sagte er mit Gleichgültigkeit in der Stimme und einem unscheinbaren Grinsen um die Mundwinkel herum.

»Ich hasse dich«, presste ich hervor. Tarek wirkte zwar wie ein buddhistischer Mönch, aber in Wahrheit war der ein Folterknecht aus dem Mittelalter. Konnte mir doch keiner sagen, dass er das nicht extra machte. Diese Missgeburt.

Die Verlierer - Sklaven des ErfolgsWhere stories live. Discover now