29 | Nehmen, was man will

692 82 63
                                    

Ein wohliges Kribbeln schoss durch meinen Oberarm, als Fede mich dort mit sanften Berührungen streichelte. Ich fühlte das Heben und Senken seines Körpers und im Nacken die Wärme seines Atems. Hätte ich mal vorhin noch geduscht, ey. Bisschen unangenehm war die Vorstellung, wie hart ich nach Alk und Kotze stinken musste, schon.

»Sei mal nicht so angespannt«, nahm ich seine Stimme neben meinem Ohr wahr. Wie immer ein wenig neckend.

»Halt deine dumme Fresse«, fuhr ich ihn an, doch weder er noch ich lösten uns aus der Umarmung. Aus dem Augenwinkel nahm ich wahr, wie ein Grinsen seine Lippen umspielte.

Ich verstärkte den Druck, mit dem ich meine Zähne aufeinander drückte. Warum musste mein Herz so verfickt schnell unter meinem Brustkorb pochen? Das nervte, das dumme Teil. Ich wäre gerne ein Typ gewesen, der einfach ranging und sich nahm, was er wollte. Einer, der Fede jetzt geküsst hätte. Doch stattdessen war ich damit überfordert, meine Hand auf seinem Bauch ruhen zu lassen. Statt dass ich die Situation für mich nutzte, wusste ich nicht mal, was ich mit meinen Gliedmaßen anstellen sollte. Menschen hatten viel zu viele davon.

Aber egal, ich war halt nicht so. War doch auch okay.

»Ich hab' nochmal über das nachgedacht, was du mir gestern erzählt hast«, hörte ich Fede, aber irgendwie drang das nur ein wenig verzögert zu mir durch.

»Mhm?« Verdammt, war ich heute neben der Spur. »Ach so, ja.«

»Aber ich weiß echt nicht, wie ich dir helfen könnte.« Während er weitersprach, strich Fede mit seinen Fingern durch meine Haare, auch wenn die zu kurz waren, als dass er hätte richtig dadurch fahren können. Sie hinterließen eine wohlige Gänsehaut und ein leichtes Grinsen auf meinen Lippen, auch wenn ich dagegen ankämpfte, mir etwas anmerken zu lassen. Seine Berührungen taten mir viel zu gut.

Und keine Ahnung, warum es für ihn so ein Leichtes war, mich zu berühren, mir näherzukommen, während meine verfickte Anspannung mich fast in den Wahnsinn trieb.

»Außer, dass du mit deinen Freunden drüber reden solltest ... also vielleicht mit diesem Typ von gestern da, dieser ...« Mit fragendem Blick sah Fede mich an.

»Tarek.« Dunkel erinnerte ich mich daran, wie eindringlich Tareks Stimme gestern geklungen hatte. Und verdammt, ich hatte in den letzten Jahren wohl besser als jeder andere mitbekommen, dass mit ihm nicht zu scherzen war.

»Ja, dass der vielleicht was machen kann. Aber keine Ahnung, sorry. Magst du einfach noch mehr erzählen? Vielleicht fällt mir dann ja was ein ...«

»Bist garantiert nich' so intelligent wie du immer tust, Streber«, murmelte ich.

»Ich hab' leider nicht so viel Erfahrung von Drogenkriegen und sowas«, grinste er. »Aber ich informiere mich da gerne bei dir. Also los, erzähl.«

»Du weißt, dass du Missgeburt tot bist, wenn irgendwas davon bei den Bullen landet, klar?«, zischte ich und suchte für einen Moment seinen Blick, ehe ich tatsächlich von gestern Abend zu berichten begann.

Viel Sinnvolles hatte dieser Lehrerliebling nicht beizutragen, aber eigentlich hatte ich das auch nicht erwartet. Schulbücher hatten eben verdammt wenig mit dem zu tun, was auf den Straßen Berlins abging.

Das Vibrieren meines Handys unterbrach unser Gespräch. Ein Blick auf das Display verriet mir, dass es schon wieder Tarek war, der sich anmaßte, mir auf den Sack gehen zu dürfen. Noch während ich darüber nachdachte, den Anruf anzunehmen oder ihn lieber zu ignorieren, legte wieder auf und eine neue Nachricht trudelte ein.

Ich komm jetzt vorbei, hatte er lediglich geschrieben. Für einen Moment starrte ich auf die schwarzen Buchstaben auf gelbem Grund, dann löste ich mich von Fede.

Die Verlierer - Sklaven des ErfolgsWhere stories live. Discover now