25 | Vaginas sind keine Controller

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Perfekt weiß lag die Line vor mir, ehe ich mich nach vorne beugte und sie in die Nase zog. Während sich das Brennen und die Bitterkeit in meinem Rachen ausbreitete, lehnte ich mich gegen die Toilettenwand in meinem Rücken und fühlte mich doch so, als würde ich jeden Moment umkippen. Die wummernden Bässe pumpten die Hektik in meinen Magen. Oder war die Musik überhaupt der Grund, warum die Wand so sehr wackelte? Ein schneller werdendes Stöhnen war zu hören.

»Boah, vögelt woanders!«, brüllte ich und schlug mit der flachen Hand gegen die Wand in meinem Rücken. Ich starrte auf die teils zerbrochenen Fliesen, auf denen sich eine Pisslache angesammelt hatte, darin ein Kippenstummel.

In mir war so viel Wut, die mit dem Alkohol nicht verschwand. So viele Gedanken, die tobten und sich nicht einfach ausblenden ließen. Sonst funktionierte die Scheiße doch auch. Aber nein, hier auf dem Klo mit dem verhältnismäßig hellen Neonlicht jagten sie einander noch schneller.

Die Waffe in meiner Hand. Abdrücken, das Hämmern in meinem Kopf. Ich musste. Und doch konnte ich nicht. Meine Angst, dank der es mir mal auf mal übel wurde, als würde mein Magen nicht schon genug grummeln.

Ich musste raus hier.

So kämpfte ich mich wieder in die Menschenmenge und boxte mich mit groben Faustschlägen an den Tanzenden vorbei. Ich hasste diese Wichsgeburten, die allen Ernstes meinten, sie hätten ein Recht dazu, mir im Weg rumzustehen. Warum auch immer sie dachten, ihre spastischen Bewegungen ließen sie cool wirken. Eigentlich gehörte jeder, der Tanzen für eine legitime Beschäftigung hielt, zusammengeschlagen.

Hinter mir wurde es auf einmal laut. »Ich mach dich kaputt, du Hurensohn«, pöbelte eine männliche Stimme. Im nächsten Moment prallte jemand mit Wucht auf mich. Ich taumelte ein paar Schritte zurück und warf dann einen genervten Blick zu dem Typen, der gegen mich gestoßen worden war. Und doch verzichtete ich darauf, ihm die Fresse zu polieren, nicht nur, weil er sich längst auf seinen Gegner gestürzt hatte, sondern weil mein Bedarf an Stress fürs Erste gedeckt war.

Auf einmal hatte ich gar keinen Bock mehr auf das scheiß Koks, das ich gezogen hatte. Runterkommen wäre auch schön. Einen kiffen, bisschen chillen. Alte Gangsterfilme gucken und sie den einzigen Ort sein lassen, an dem Waffen in meinem Leben existierten.

»Ey, Bruder, hol mal die anderen Jungs. Wir ficken diese Schwuchtel jetzt richtig«, vernahm ich ein Lachen, das unter den anderen lauten Stimmen verschwand. Die Musik wummerte und verschluckte die Aggression, die unablässig an diesem Ort lauerte, bereit, sich jederzeit zu entzünden. Und ich mich mit ihr.

Der Rhythmus der Nacht passte sich dem Flackerlicht an, das überall im Xenon herrschte. Die Welt zerbrach in unendlich viele Einzelteile, alles nur Fragmente, manchmal Schwärze, dann wieder lebendige Szenen. Alk, den ich in mich kippte, Geld, das ich auf den Tresen knallte. Noch eine Line, auch wenn ich gar keinen Bock mehr auf Koks hatte. Klirren von Gläsern. Lachende Stimmen. Halbnackte Weiber.

Und nur dieser eine Satz in meinem Kopf: Endlich nichts mehr denken, verdammt.


»Weißte, es läuft verdammt gut bei mir. Ich erweiter' meinen Kundenstamm nonstop«, laberte ich Vadim irgendwann zu. Den hatte ich das letzte Mal gesehen, als ich meine Nachmittage noch im Park verbracht und ungeduldig auf Kunden gewartet hatte. Mit ihm und ein paar anderen Russen chillte ich in einer der VIP-Lounges, die genauso abgeranzt waren wie der restliche Laden. Der einzige Unterschied war, dass sie etwas höher als die anderen Couches gelegen und von einer roten Schnur umgeben waren.

»Nice, Bruder.«

»Ja, isso. Diese Stadt ist eine Nutte, die mich anfleht, dass ich sie endlich ficke, klar?« Ich hob meine Augenbrauen und suchte nach meinen Kippen. Waren irgendwie verschwunden. Egal. »Und das werde ich auch. Koste, was es wolle und ohne Rücksicht auf Verluste.«

Die Verlierer - Sklaven des ErfolgsWhere stories live. Discover now