22 | Leggings, Tanga und Arschdellen

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Weihnachten war so ein unnötiger Schwachsinn und es war einfach nervig, wie in allen Läden, kaum, dass es Dezember geworden war, billigen Dekokram ausgegraben wurde. Selbst in diesem ranzigen Aldi mit den schmutzigen, zersprungenen Fliesen, den stinkenden Pennern neben den Einkaufswägen und den vielen aufgerissenen Essenspackungen hing so Zeugs. Kitschige goldene Weihnachtskugeln und Plastik-Tannenzweige.

Großartig. Ich konnte den Frieden förmlich spüren.

Warum musste eigentlich jede Missgeburt dieser Stadt ausgerechnet jetzt, kurz vor Ladenschluss, einkaufen gehen? Und warum hatte ich mal wieder genau den einen absolut inkompetenten Kassierer erwischt, dessen Bewegungen noch langsamer waren als bei Rashid im zugekifften Zustand?

Die fette Frau vor mir, deren Tanga und Arschdellen sich unter ihrer grauen Leggings abzeichneten, watschelte ein paar Schritte weiter und auch ich rückte auf. Auf dem Band neben ihr lagen ein Haufen in Plastik verpacktes Gemüse, als würde das noch etwas an ihrer Figur ändern. Wahrscheinlich hatte sie einfach zu viel Rosins Fettkampf auf Kabel1 – oder wo die Scheiße lief – geguckt.

Bei mir dagegen lagen nur eine Packung Zigaretten und zwei Schokoriegel auf dem Kassenband, daneben nicht-identifizierbarer Schmodder. Es hatte sich echt nicht gelohnt, wegen dem bisschen Scheiß hier reinzugehen. Ich hätte die Sache mit dem Geld eintreiben lieber zuerst hinter mich bringen sollen.

Genervt verschränkte ich meine Arme vor der Brust. Das Gewicht der Waffe konnte ich in meiner Jacke fühlen und mittlerweile fand ich es ziemlich geil, dieses Ding zu haben. Es würde meinen Job später sicherlich wesentlich entspannter machen. Einmal diesen Idioten den Lauf unter die Nase drücken und fertig.

Leichter konnte man kein Geld machen.

Und wenn irgendwas schief lief, schoss ich halt. Alles gar kein Problem. Wenn dieser picklige Hurensohn an der Kasse ein bisschen schneller machen würde, wäre ich schon fast zufrieden.

»Kasse vier wird geöffnet«, klang durch die blechernen Lautsprecher, als die Schlange hinter mir immer länger wurde, Stimmengewirr den kleinen Aldi erfüllte. So viele Menschen auf einem Haufen gingen gar nicht. Kurz kamen mir wieder Fede und sein Wunsch, auf ein Metalkonzert zu gehen, in den Sinn. Vielleicht könnte das ja echt ganz cool sein.

In diesem Moment begann mein Handy zu vibrieren. Ich zog es hervor und las Tareks Namen auf dem Display, während ich ein paar Schritte nach vorne rücken konnte und endlich die Fette an die Reihe kam.

Ich drückte das Handy an mein Ohr. »Was gibt's?«, pampte ich ihn an. Die nervige Durchsage wurde derweil wiederholt, weil die Mitarbeiter hier wahrscheinlich genauso wenig Bock wie ich auf den Scheiß hatten. Aber ich war zumindest freiwillig hier und ließ mir nicht von einem dummen Chef das Leben kaputt machen.

»Ja, Jay, hey«, begrüßte mich Tarek und lachte. Im Hintergrund war Musik zu hören, Klassik, was ein unwiderlegbares Indiz dafür war, dass er gerade Auto fuhr. Oder er hatte angefangen, die Scheiße auch nicht in anderen Situationen zu hören. Dann wurde es aber ernsthaft Zeit, seinen Geisteszustand anzuzweifeln.

»Willst du was?«, fragte ich. »Oder willst du nur jemand nerven, weil dir langweilig is', he?«

Die brünette Trulla vor mir wandte sich zu mir um und warf mir einen Blick zu, wie ihn in diesem Viertel so viele auflegten. Irgendwas zwischen genervt und unterschwellig kampflustig. Ich erwiderte ihn, zog die Augenbrauen zusammen. Ich spürte die Aggression, die von mir ausging und die die Olle dazu veranlasste, sich wieder umzudrehen. Sie hatte gar kein Recht darauf, mich so dumm anzugucken.

»Ach, ich habe es nur nicht länger ohne deine liebevolle Art ausgehalten«, lachte Tarek. Im Hintergrund war ein Hupen zu hören und ich konnte mir gut vorstellen, wie er jemanden die Vorfahrt genommen und es noch nicht einmal bemerkt hatte. Dagegen waren ja sogar meine Fahrstunden schon fast erfolgreich gewesen.

Die Verlierer - Sklaven des ErfolgsWhere stories live. Discover now