12 | Kaffee und Provokation

830 97 211
                                    

»Boah, ich geh' wieder pennen«, verkündete Leonardo und drückte sich von dem Tisch hoch. »Und ich schwör's dir, ich bring' meinen Bruder um, falls er gleich in mein Zimmer kommt.«

Im Flur waren die Stimmen von Bahar und Federico zu hören, dann wie sie lachte. Ich hasste es, wie vertraut sie miteinander waren, als würden sie sich jeden scheiß Samstag treffen und lernen. War doch total bescheuert.

»Mach das ruhig.« Dann müsste ich mich wenigstens nicht darüber abfucken, dass die beiden klangen wie ein verliebtes Pärchen aus einem kitschigen Liebesfilm.

Auf Leonardos Gesicht kämpfte sich ein müdes Grinsen, als er sich durch die Tür schleppte, die Fede hatte offen stehen lassen. »Bis dann, Alter!«

»Warte mal«, hielt ich ihn auf und schob mir den letzten Bissen meines Brots in den Mund. Dann stand ich auf und öffnete die Schublade, aus der Fede vorhin das Brot geholt hatte, um mir ein weiteres Stück davon zu nehmen. Als ob ich halt von so wenig satt werden würde.

»Ja, was?« Leonardo sah mich fragend an und fuhr sich gähnend durch seine Haare, die zwar kurz geschnitten, aber doch ein wenig länger als meine waren.

Mit einer trockenen Brotscheibe in der Hand lehnte ich mich gegen die Arbeitsfläche. »Falls du mal was willst, meld' dich«, bot ich ihm an. »Also Emma oder so, Pep. Was du brauchst. Ich hab' alles.«

Er nickte eifrig und war dabei so enthusiastisch, als sei er ein kleines scheiß Kind, das gleich seine Weihnachtsgeschenke kriegen würde. Vergessen, dass er eben noch so träge wirkte, dass er auch im Stehen hätte einpennen können. »Ja, Mann, mach' ich! Auf jeden Fall!«

Irgendwie war's echt schon bemitleidenswert, wie leicht man ihn in Begeisterung versetzen konnte. Musste doch total anstrengend sein, so zu leben. »Cool«, sagte ich gelangweilt und faltete die Brotscheibe, ehe ich einen Bissen davon nahm.

Leonardo verabschiedete sich und verließ dann die Küche. Ich blieb an derselben Stelle stehen und aß, während ich mein Handy rausnahm, um meine Nachrichten zu checken. Wolltest nicht eigentlich auch noch kommen alter?, hatte Tarek heute Nacht noch geschrieben. Ich antwortete ihm nicht.

Eigentlich wäre es an der Zeit, einfach abzuhauen. Irgendwie hatte ich nicht wirklich einen Grund noch hier rumzuhängen, aber ich wollte es mir nicht entgehen lassen, diesen Lehrerlieblingen auf den Sack zu gehen.

Aus dem Flur war zu hören, wie sich die beiden Brüder auf Italienisch unterhielten. Die Worte wurden schnell aggressiver und wütender. »Vaffanculo!«, vernahm ich Leonardos ziemlich abgefuckte Stimme, ehe lautstark eine Tür ins Schloss geschlagen wurde.

Es verging noch ein kurzer Augenblick, dann trat Fede mit Bahar im Schlepptau in die Küche. Die Olle gehörte mit Sicherheit zu den Leuten, bei denen ich echt froh war, sie nicht mehr sehen zu müssen, seit ich von der Schule geflogen war. Das war irgendwann in der Zehnten gewesen und schon damals war ich meistens nur dort gewesen, um mein Zeugs zu verticken.

»Ich wurde übrigens gerade aus meinem eigenen Zimmer rausgeworfen. Von meinem kleinen Bruder. Das ist schon fast traurig«, lachte er. Auf seinem Arm hatte er einen zerknickten Collegeblock, ein Schulbuch und sein dunkelblaues Mäppchen, auf dessen abgenutzten Stoff ein paar Worte mit Edding gekritzelt waren.

»Krass«, erwiderte ich desinteressiert.

»Oh, hey«, begrüßte mich Bahar und klang ein wenig überrascht. »Ich wusste gar nicht, dass ihr noch Kontakt habt.«

»Hatten wir irgendwie auch nicht wirklich«, erwiderte Fede. Keine Ahnung, warum, aber ich hasste es total, wie er das sagte. Als ob er gar keinen Bock hatte, dass ich hier war und wir uns wiedersahen.

Die Verlierer - Sklaven des ErfolgsWhere stories live. Discover now