5 | Warum Herzen unnötig sind

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Eigentlich müsste ich direkt zu Kiral weiter, ihm die Kohle bringen, aber andererseits eilte das nicht. War eh besser, wenn ich da ein bisschen später auftauchte und gleich von Anfang an zeigte, dass er mir nichts zu sagen hatte.

So lehnte ich mich gegenüber des Einkaufszentrums gegen eine mit Graffiti bemalte Hauswand und behielt das Kino im Auge. Langsam wurde es kalt, doch die paar Pisser auf den Stufen waren noch immer am Saufen und brüllten irgendeinen Scheiß herum, der nur in Fetzen zu mir klang.

Ich trank einen Schluck aus der Cola, ließ abwartend meinen Blick schweifen. Zwei ältere Frauen mit vollgestopften Jutebeuteln verließen das Einkaufscenter und wurden direkt darauf von den Typen angepöpelt. Richtig lächerlich, mehr trauten die sich wahrscheinlich nicht.

Der Fette hatte gemeint, dass Fede bald Schluss machen dürfte, dann konnte es eigentlich nicht mehr so lange dauern, bis er hier auftauchen würde.

Ich klemmte die Plastikflasche unter meinen Arm und kramte meine Kippen aus meiner Hosentasche hervor. Was auch immer ich mir von der Aktion erhoffte, sie war doch absolut unnötig.

Fede war nur so ein Typ aus meiner Schule, mehr nicht.

Wir hatten noch ein paar Mal was miteinander gemacht, aber ich war stets darauf bedacht, ihn auf Abstand zu halten. So einen Scheiß wie auf der Party damals konnte ich mir halt echt nicht nochmal erlauben, wenn ich hier im Viertel noch was reißen wollte.

Und in der Schule sahen wir uns auch nicht mehr allzu oft, weil ich es mit der Zeit für immer unnötiger hielt, dahinzugehen und ich sie in der Zehnten irgendwann ganz geschmissen habe. Da lief es bereits gut genug mit dem Dealen und ich wusste, dass meine Zukunft darin lag.

In diesem Moment schwang die Glastür auf und Federico trat hinaus. Mein Blick blieb für ein paar Sekunden an ihm hängen, wie er in seinen dunkelblauen Parka schlüpfte und dann überrascht in meine Richtung sah.

»Hey«, murmelte ich und schnippte meine Kippe auf den Boden. Ich sah ihr hinterher, wie sie auf dem Asphalt landete und dann die orangene Glut von meinem schwarzen Sneaker zerdrückt wurde.

»Du hast jetzt echt auf mich gewartet?«, fragte er mit einem Grinsen und verdammt, ich hasste ihn dafür, wie arrogant seine Stimme klang. Dummer Wichser. Er war es gar nicht wert, dass ich mir so viele Gedanken um ihn machte.

»Scheinbar.« Ich biss die Zähne aufeinander und stieß mich mit der Kippe zwischen den Fingern von der Wand ab.

Fede vergrub seine Hände in der Jackentasche und sah für einen Moment zu mir hoch, ohne etwas zu sagen. So wirklich konnte ich seinen Blick nicht deuten, aber wahrscheinlich machte er mal wieder irgendwelche dummen Analysen. Tat er ja eh immer.

Ich zog an meiner Kippe, dann fragte ich: »Was hast du jetzt vor?«

»Nach Hause gehen. Und für immer schlafen oder so«, sagte er und gähnte, gefolgt von einem leichten Lachen.

»Okay.« Irgendwas in mir zog sich zusammen, als wieder Schweigen zwischen uns herrschte. Noch nie hatte ich es so sehr gehasst, kein Gespräch zu führen. Wir setzten uns in Bewegung und ging die mehrspurige Straße entlang, an deren Seite zwischen ein paar Plattenbauten und einem Gebrauchtwagenhändler das Einkaufszentrum lag.

Das gleichmäßige Rauschen des Verkehrslärms war zu hören, in der Ferne Sirenen, irgendein Trottel, der hupte. Ich warf ihm einen kurzen Blick von der Seite zu und sah dann wieder weg.

»Hab' echt damit gerechnet, dass wegen der blutigen Nase von dem Kinotypen 'ne Moralpredigt kommt«, warf ich dann beiläufig ein und schmiss meine Kippe nach einem letzten Zug weg.

Die Verlierer - Sklaven des ErfolgsWhere stories live. Discover now