31 | Worauf wichst du?

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Es tutete ein paar Mal, bis Fede abnahm. »Hey«, flüsterte er, das Grinsen in seiner Stimme war nicht zu überhören. »Warte mal kurz, dann geh' ich ins Bad. Mein Bruder pennt hier schon.«

»Okay«, sagte ich und lehnte mich gegen meine Zimmerwand. Im Hintergrund war Rascheln zu hören, dann das Geräusch einer Tür, die ins Schloss gezogen wurde. Mit meinem Finger malte ich Linien auf den Stoff meines Spannbetttuchs, der an dieser Stelle eklig verklebt war. Essensreste oder so.

»So, jetzt«, meinte Fede dann. Seine Stimme klang lauter, doch noch immer gedämpft. »Nur für dumme Klatschweiber also?«

»Ich wollte nur nicht, dass du dich schlecht fühlst oder so, wenn ich ablehne.«

»Wow. Ich kenn' echt niemanden, der so gütig ist und so ein großes Herz hat.«

»Klar.«

Für einen Moment schwiegen wir. »Was jetzt eigentlich mit diesem Typen?«, fragte er nach. »Also der mit dem Auftrag.«

Alter, als würde ich über solche Sachen am Handy sprechen. »Wir regeln das schon«, wiegelte ich daher knapp ab.

»Mhm ... Siehst du von deinem Zimmer eigentlich an den Himmel? Ja, oder?«

»Äh ... ja, ich glaub'.« Ich rutschte ein wenig nach vorne und beugte mich zu meinem Fenster vor. Zerrte die klemmenden Jalousien ein wenig nach oben, um nach draußen zu sehen. Der Himmel war heute wolkenlos und man konnte den ein oder anderen funkelnden Stern entdecken, trotz des gelblichen Großstadtsmogs. Davor die verschmutzten Glasscheiben.

»Man kann nämlich heute Merkur sehen«, setzte Fede an und laberte mich damit voll, dass man den Planeten nur selten entdecken konnte. Weil er zu nah an der Sonne stand und deshalb immer hinter ihr verschwand.

»Und wo soll der sein?«

»Warte, du guckst gerade echt raus?« Seine Überraschung war nicht zu überhören und irgendwie fühlte es sich cool an, dass ich zur Abwechslung mal so eine Reaktion hervorrief.

»Klar.«

»Okay, ich erklär's dir.« Ich mochte die leidenschaftliche Tonlage, die seine Stimme annahm, wenn er von dem naturwissenschaftlichen Kram sprach. »Merkur ist ziemlich nah am Horizont, hoffe, du kannst ihn überhaupt sehen. Also wegen den Häusern und so. Schau nach Osten, also da, wo die Sonne bald aufgehen wird.«

»Boah, Alter, keine Ahnung. Für mich ist das eh alles der gleiche Scheiß«, grinste ich und ließ mich zurück in mein Bett sinken. »Wie du einfach nie aufhörst, einen mit deinem Sternenkram zuzulabern, auch wenn's niemand juckt.«

»Ach, ich weiß doch, dass du mir gerne zuhörst.« In seiner Stimme schwang so viel Selbstsicherheit wie eh und je mit und verdammt, ich träumte immer noch davon, sie eines Tages brechen zu können. Oder auch nicht. Eigentlich machte ihn das noch heißer.

»Du bis'n scheiß Lügner. Du kannst das gar nicht wissen.«

»Wieso?«

»Darum halt.« Okay, meine Logik war mir auch abhanden gekommen.

»Okay. Wenn der allmächtige Jay das sagt. Dann stimmt das, auch wenn's keinen Sinn ergibt.« Sein schelmenhaftes Grinsen konnte ich mir perfekt vorstellen.

»Genau.«

»Wetten, du holst dir erstmal ein drauf runter, dass ich das gesagt hab'? Dafür kämpfst du doch schon die ganze Zeit. Seit wir uns kennen.«

Dieser Typ hatte doch ernsthaft ein Problem mit seiner Selbstwahrnehmung und nahm sich viel zu wichtig, ganz ehrlich. »Was juckt's dich eigentlich, worauf ich wichse?«, maulte ich ihn an, während mein Herz ein wenig schneller schlug. Warum auch immer.

Die Verlierer - Sklaven des ErfolgsOnde histórias criam vida. Descubra agora